• Für die Definition des Designspace müssen Prozessparameter und deren Einstellungen sowie die Produktqualität festgelegt werden.
  • Aus verbesserten Prozesskenntnissen können effizientere Verfahren entwickelt werden.
  • Über die Definition des Designspace soll das Scale-Up vereinfacht, die Qualität bereits in der Produktion sichergestellt, und die Validierung erleichtert werden.
  • Die softwaregestützte, statistische Versuchsplanung (DoE) reduziert den Aufwand für Experimente zur Definition des Designspace und erlaubt auch, bei Bedarf die untersuchten Faktorgebiete zu verschieben.

Bisher erfolgte die GMP-Validierung eines Prozesses, indem gezeigt wurde, dass er unter festgelegten Einstellungen eine stabile Qualität liefert. Das hat leider zur Folge, dass danach jede Abweichung dokumentiert werden muss. Änderungen durchzuführen oder gar Prozessverbesserungen zu etablieren ist mit sehr viel Aufwand verbunden. Seit dem Start der neuen PAT-Initiative ist mehr Flexibilität möglich: Wenn detaillierte Prozesskenntnisse nachgewiesen werden können, wird dies von der FDA honoriert. Hierzu gehört das Wissen darüber, wie sich die Einflussfaktoren für die Formulierung und die Prozessfaktoren in der Produktion auf Produktqualität und -verhalten auswirken. DesWeiteren müssen Strategien zur Prozesskontrolle vorliegen, die versprechen, schlechte Qualität schon vor Entstehen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren.

Die Realität ist komplex

Für die Praxis bedeutet das, dass zunächst die wichtigen Prozessparameter identifiziert werden müssen. Wenn sie bekannt sind, wird die optimale Prozesseinstellung gesucht. Dabei können normalerweise gute Ergebnisse mit unterschiedlichen Einstellungen erhalten werden. Dieser gesamte mehrdimensionale Raum, in dem angemessene Qualität produziert wird, wird als Designspace validiert. Da der Prozess gut bekannt ist, ist eine einfache Steuerung möglich. So kann zum Beispiel der Effekt der Erhöhung eines Faktors durch eine entsprechende Anpassung der anderen Faktoren ausgeglichen werden. Solange man Einflussfaktoren nur innerhalb des Design-space verändert, ist keine erneute Validierung erforderlich.

An der Hochschule Ostwestfalen-Lippe wurden im Rahmen einer Diplomarbeit die kritischen Parameter beim Coating von Modified Release-Tabletten untersucht. Das Ziel war ein Auflösungsprofil zu erstellen, für das insbesondere Spezifikationen für den gelösten Anteil nach zwei und sechs Stunden vorlagen. Für den endgültigen Prozess sollte außerdem der Designspace definiert werden. Nun ist die Sprühbeschichtung ein komplexes Verfahren, bei dem viele Faktoren zusammenwirken. Die Qualität der Tabletten und ihr Auflösungsverhalten hängen stark von den gewählten Einstellungen ab. Dennoch war es möglich, miteiner nur moderaten Anzahl von Versuchen gute Prozesseinstellungen zuerreichen.

Systematisches Vorgehen mit softwaregestützter Versuchsplanung

In einem ersten Schritt wurde die Film-Zusammensetzung für das Coating optimiert. Ein unverzichtbares Werkzeug, um diese Ziele zu erreichen, ist die statistische Versuchsplanung, oder Design of Experiments (DoE). Nur so können ausreichende Prozesskenntnisse aus einer klar beschränkten Anzahl an Experimenten erhalten werden. Hier fiel die Wahl auf das Expertensystem Stavex, das es auch Personen, die noch nicht viel Erfahrung mit Versuchsplanung vorzuweisen haben, leicht macht, die Methode einzusetzen. Der Anwender muss Zielgrößen, hier die Auflösung bei beiden Messzeitpunkten und die qualitative („ja“ oder „nein“) Zielgröße Rissbildung, sowie Faktoren eingeben; danach führt die Software durch das weitere Vorgehen. Als zu untersuchende Prozessfaktoren wurden die Auftragsmenge, die Zulufttemperatur und -menge, der Zerstäuberdruck, die Sprührate und die Trocknungszeit gewählt. Um die Anzahl benötigter Experimente zu reduzieren, wurde beschlossen, nur fünf der möglichen 15 paarweisen Interaktionen zu untersuchen und die anderen zu vernachlässigen. Als weitere Einschränkungen galt es einerseits zu berücksichtigen, dass die Faktoren nur schrittweise verändert werden konnten. Des Weiteren stellte sich heraus, dass die Sprührate nicht unabhängig von Zulufttemperatur und -menge variiert werden konnte. Bei einerhohen Sprührate ergab sich in Vorversuchen, dass die anderen beiden Faktoren nicht zu niedrig eingestellt werden durften. Alle diese praktischen Einschränkungen lassen sich in der Softwareberücksichtigen. Diese schlägt dann passende Versuchspläne vor, in diesem Fall mit nur 15 Experimenten.

Die Auswertung des Programms ist in leicht verständlicher Sprache abgefasst, unterlässt jedoch die nötigen statistischen Tests nicht. Sie ergab, dass Zulufttemperatur und -menge keine Rollespielen. Für die Auflösung nach sechs Stunden sowie für die Untersuchung der Rissbildung war jeweils nur die Auftragsmenge wichtig. Die Qualität der Beschichtung wurde auch elektronenmikroskopisch untersucht. Dies bestätigte, dass eine zu niedrige Auftragsmenge die Rissbildung fördert, da dann das Coating nicht zuverlässig erfolgt.

Optimierung der Auflösungsprofile

Im nächsten Schritt wurden die Prozess-einstellungen optimiert. Das sequentielle Vorgehen, das in der Versuchsplanungssoftware implementiert ist, reduziert nicht nur den experimentellen Aufwand. Es erlaubt auch, bei Bedarf die untersuchten Faktorgebiete zu verschieben. Aufgrund der bisherigen Ergebnisse konnte die Trocknungszeit reduziert werden, und es wurde beschlossen, die Auftragsmenge zu erhöhen. Für die Sprührate und den Zerstäuberdruck wurden die Bereiche jedoch beibehalten, da eine Anpassung aus technischen Gründen nicht möglich war. Die unwichtigen Faktoren wurden fixiert. Da nun das System im Detail untersucht werden sollte, ergab sich ein Versuchsplan mit 19 Experimenten. Fast alle Auflösungsprofile lagen innerhalb der Spezifikation, jedoch gab es weiterhin Einstellungen, in denen Risse auftraten. Ein automatischer Kompromiss lässt sich mit der implementierten Wünschbarkeitsfunktion erreichen. Die Qualität des Modells muss natürlich durch Bestätigungsversuche belegt werden. Die optimalen Einstellungen liegen bei einer niedrigen Sprührate, einer kurzen Trocknungszeit, einer kleinen Auftragsmenge und einem mittleren Zerstäuberdruck. Bei einer großen Auftragsmenge sind eine eher lange Trocknungszeit und ein kleiner Zerstäuberdruck nötig. Bei einer hohen Sprührate kann aufgrund der Sprühtrocknung und des Sprühsuspensionsverlustes ein ungleichmäßiger Filmüberzug zustande kommen. Demzufolge konnte der Designspace als Gebiet, in dem die Spezifikationen eingehalten werden, definiert werden.

Mit optimierter Versuchsplanung zu Prozesskenntnissen und Designspace

Das beschriebene Beispiel zeigt, dass es durchaus möglich ist, mit einer sehr begrenzten Anzahl an Experimenten schnell zu einer Definition des Design-space zu kommen. Das Experimentieren liefert zudem wichtige Erkenntnisse über die Prozessmechanismen. Die FH Ostwestfalen-Lippe bietet an, derartige Projekte im Rahmen von Industriekooperationen durchzuführen.

Statistische Versuchsplanung (DoE) ist zwar nur ein Werkzeug im vorgeschlagenen Katalog der FDA. Zur PAT-Strategie gehören außerdem Prozess-Simulation, der Aufbau von Wissens-Datenbanken, sowie die Online-Qualitätskontrolle in der Produktion. Jedoch ist Versuchsplanung als erster Schritt in der Entwicklung unverzichtbar. Für die statistischen Grundlagen dieser Methoden bietet Aicos Technologies Beratung an. Denn die Erkenntnis stimmt: “Quality cannot be tested into products; i.e. quality should be built in by design”.

Literaturhinweise:[1] U.S. Food and Drug Administration Guidance for Industry. PAT, A Framework for Innovative Pharmaceutical Development, Manufacturing and Quality Assurance, (Sept. 2004)
[2] ICH Guideline Q8, Pharmaceutical Development, (Nov2005).

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