Bei der Herstellung steriler Produkte und Arzneimittel hängt vieles von der Sachkenntnis, der Schulung und dem Verhalten des Personals ab. Auch der einwandfreie und validierte Zustand der Räume, der verwendeten Medienversorgungsanlagen und der anderen Ausrüstungsgegenstände wie Sterilisatoren, Autoklaven, Isolatoren, Abfüll- und Waschmaschinen muss sichergestellt sein. Auch die Sterilität der Produktionsgegenstände, der Reinraumbekleidung, der Primärverpackung oder des verwendeten Produkts ist von zentraler Bedeutung.

Damit steigen auch die Anforderungen an die Reinigungs- und Steriltechnik in der Pharmaindustrie. Und auch die Kunden aus der Pharmaindustrie selbst stellen heute höchste Ansprüche an Qualität, Zuverlässigkeit, Service und innovative Lösungen ihrer Anlagen. Dabei erfolgt der Wettbewerb bei weitem nicht über den Preis. Was zählt sind die Erfahrung der Anbieter und deren Innovationsfreude.

Der Mensch ist die größteKontaminationsquelle

Nach wie vor gilt der Mensch als die größte Kontaminationsquelle im Reinraum. Reinraumbekleidung ist daher mehr als nur Bekleidung. Und Reinraumbekleidung ist nicht gleich Reinraumbekleidung, wie Carsten Moschner von Dastex Reinraumzubehör erläutert: „Bei der Auswahl der richtigen Reinraumbekleidung müssen Bekleidungs- und Raumkonzept aufeinander abgestimmt sein. Wenn wir gemeinsam mit dem Kunden ein Bekleidungskonzept erarbeiten, betrachten wir daher den gesamten Reinraum als eigenes System. Im Vordergrund steht dabei die Überlegung, was die Bekleidung leisten muss und was nicht.“

Ist Leasing-Bekleidung sinnvoll oder doch der Kauf? Soll Einweg- oder Mehrwegbekleidung eingesetzt werden? „Es sind die Bedürfnisse der Anwender und die Sensibilität der Produkte, die zur Entscheidung beitragen. Aber auch die Gegebenheiten im Reinraum selbst und in den Garderobeneinrichtungen“, beschreibt Moschner die Erwartungen seiner Kunden.
Bis heute sei es keinesfalls Standard, antimikrobiell ausgerüstetes Reinraumgewebe einzusetzen, so der Reinraumspezialist aus Muggensturm nahe Baden-Baden. Doch in den mikrobiologisch überwachten Bereichen von Pharma, Food und Kosmetik setzen die Betreiber mehr und mehr auf eine biozide Ausstattung der Bekleidung. Dabei sollen antimikrobielle Agenzien die Besiedlung des Gewebes durch Mikroorganismen von vornherein verhindern. State-of-the-Art ist hierbei die dauerhafte Verbindung des bioziden Wirkstoffs mit dem Polyester des Reinraumgewebes. Das Biozid ist dabei mit dem Gewebe polymerisiert, was ein Ausgasen oder eine Migration des Stoffes von vornherein unmöglich macht.
Gegenüber dem klassischen Aufbringen der Chemikalien auf das Gewebe versprechen die Hersteller dieser Gewebe gegenüber einer klassischen „Imprägnierung“ eindeutige Vorteile. So werde das Gewebe nicht angegriffen, was die Haltbarkeit des Stoffes und seine Abriebfestigkeit erhöhe. Auch könne bei dieser dauerhaften Verbindung das Biozid weder ausgelaugt noch ausgewaschen werden. Ob eine solche antimikrobielle Ausrüstung allerdings tatsächlich notwendig ist, darüber streiten die Experten. Carsten Moschner hält eine solche Ausstattung durchaus für hilfreich – aber nur dort, wo sie auch tatsächlich notwendig ist: „Sicher erscheint es auf den ersten Blick sinnvoll, Reinraumbekleidung für sterile Produktionsbereiche so auszurüsten, dass ein vermehrtes Keimwachstum verhindert wird. Beim GMP-konformen Betrieb eines Produktionsbereichs, also in der Klasse A/B, ist das häufig aber gar nicht erforderlich, da die Reinraumoberbekleidung in der Regel höchstens zwei bis vier Stunden getragen wird und in dieser Zeit kein nennenswertes mikrobielles Wachstum auf oder in den Stoffen stattfindet.“
Auch für den C-Bereich, wo die Reinraumoberbekleidung zirka acht Stunden am Tag getragen wird, hält er solche Gewebe für weitgehend überflüssig. „Für den mechanischen Durchdringungsschutz, etwa beim mehrfachen Hinsetzen auf einen Stuhl, mag ein solches biozides Gewebe aber durchaus sinnvoll sein.“ Dort aber, wo Reinraumbekleidung mitunter auch mehrere Tage hintereinander getragen wird, also etwa in den mikrobiologisch überwachten Bereichen der Foodindustrie, plädiert Moschner klar für eine derartige Ausstattung.
Für eine weitgehend praktizierte Verhaltensweise im Reinraum hält Moschner mittlerweile das so genannte Double-Gloving: Unter dem Schutzanzug und dem äußeren Handschuh wird ein zweites Paar getragen.

Balance zwischen technischer Performance, Tragekomfort und Ökonomie

Fatal wäre es, wenn die Reinraumbekleidung selbst zur Partikelquelle würde. Moderne Textilien und Webverfahren erzielen Bestnoten in den Disziplinen Partikelrückhaltevermögen, Abriebfestigkeit und Tragekomfort. Bestens bewährt haben sich seit Jahren die stabilen Polyestergarne aus Endlosfasern.

Nach wie vor ist das beherrschende Leistungsmerkmal moderner Reinraumbekleidung die Partikelfiltration des Gewebes. Sie ist es, die das Kleidungsstück von vornherein für eine bestimmte Reinheitsklasse qualifiziert. „Die hierfür maßgebliche Porengröße des Gewebes lässt sich heute durch die Gewebekonstruktion der Stoffe und den Einsatz spezieller Garne beeinflussen. Auch die Nahtverarbeitung oder spezielle Verfahren, denen der Stoff nach dem Weben unterzogen wird, haben direkten Einfluss auf das Partikelrückhaltevermögen dieser Spezialkleidung“, erläutert Christiane Schwittay von Basan in Kriftel. So lässt man zum Beispiel beim so genannten Kalandrieren ein Gewebe bei hoher Temperatur durch zwei beheizte Rollen laufen, wobei sich die Poren verkleinern. Zu weit gehen darf das allerdings nicht: Sind die Stoffe nämlich so dicht gearbeitet, dass bei den unweigerlichen Bewegungen des Reinraum-Mitarbeiters die verdrängte Luft statt durch die Poren des Polyestergewebes über die Öffnungen des Overalls in den Reinraum strömt ist zwar das Partikelrückhaltevermögen des Materials top. Bei jeder Bewegung werden dann aber Partikel regelrecht in die Umwelt geblasen.
Auch in anderer Hinsicht ist bei der Reinraumbekleidung das technisch Machbare nicht unbedingt das Ideale. Bequeme Schnitte sind bei den Trägern der Reinraumbekleidung inzwischen ebenso gefragt wie hochwertige, leichte und atmungsaktive Materialien. Und auch modische Aspekte spielen mitunter eine Rolle. „Diese Balance zwischen der optimalen technischen Performance der Reinraumbekleidung und dem Tragekomfort schaffen nur hochwertige Garne und spezielle Gewebekonstruktionen. Diese sorgen zudem für die Langlebigkeit des Gewebes und führen somit zu einem optimalen Kosten-Nutzen-Effekt“, so Christiane Schwittay.
Ein gut durchdachtes Bekleidungskonzept für den Reinraum berücksichtige dabei auch die Zwischenbekleidung. Das bedeute zwar zusätzlichen Aufwand und koste den Betreiber natürlich auch zusätzliches Geld. Der Nutzen, so Schwittay, sei aber eindeutig: „Eine reinraumtaugliche Zwischenbekleidung reduziert das Partikelpotenzial unter der Reinraum-Oberbekleidung um mehr als die Hälfte!“ Optimal sei auch hier der Einsatz von reinen Polyestergeweben. „Hierfür setzen wir ein atmungsaktives, hochwertiges Mikrofaser-Polyestermaterial mit Carbonanteil ein, das speziell für den Einsatz als Zwischenbekleidung in Kombination mit einem entsprechenden Reinraum-Overall entwickelt wurde“, so Schwittay.

Leasing statt Kauf

Es liegt in der Natur der Sache: Die Aufarbeitung und Dekontamination der Reinraumbekleidung ist extrem aufwändig und auch vom Dokumentationsaufwand kaum vom Betreiber eines Reinraums selbst zu bewältigen. Spezialisierte Unternehmen wie die Initial Textil Service bieten mit ihrem Geschäftsbereich Micronclean einen umfassenden Textilservice für Reinraumbekleidung an und versorgen die Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit Reinraumbekleidung im Leasingsystem. Der Vorteil für den Leasingnehmer: Er spart die hohen Anschaffungskosten und den Aufbau einer eigenen Logistik mit Transport, Lagerung und Sammelbehältern. Außerdem erhält der Kunde die notwendige Beratung für die Auswahl und Konfektionierung der Reinraumbekleidung und bekommt die Kleidung stets in der erforderlichen Menge und zum richtigen Zeitpunkt.

Logistik und Dekontamination übernimmt bei einem solchen Modell komplett der Leasinggeber. „Dabei ist es wichtig, dass die Wirksamkeit des Dekontaminationsverfahrens regelmäßig überprüft wird“, so Wilfried Sontheimer von Micronclean. Auch über die Dokumentation müsse sich der Kunde keine Gedanken mehr machen: „Über ein Barcodesystem können wir jederzeit dokumentieren, wann und mit welchen Verfahren jedes einzelne Stück bei uns dekontaminiert wurde. Wir können nachweisen, wie viele Bearbeitungszyklen erfolgt sind und wie die jeweiligen Umgebungsbedingungen waren“, betont Wilfried Sontheimer. In der Regel laufen solche Leasingverträge über drei Jahre.

Einwegbekleidung als Alternative

Das scheint viel Aufwand wegen Overall, Haube & Co. Ist Einwegbekleidung vielleicht eine Alternative? Preiswerter sind sie auf jeden Fall, die „Schutzanzüge mit begrenzter Einsatzdauer“. Schließlich entfallen die doch beträchtlichen Kosten in Dekontamination und der gesamte logistische Aufwand, angefangen von der Bestandsverwaltung bis hin zu Transport und Lagerung.
„Es kommt natürlich immer darauf an, wofür die Bekleidung benötigt wird“, so Alexandra Kovacs, Field Market Manager beim Darmstädter Handelshaus VWR International. „Für einen Besucher, für Reinigungs- oder Wartungspersonal oder den Betrieb kleinerer Reinräume reicht Einwegbekleidung häufig vollkommen aus.“ Je nach Modell und Ausrüstung, so Kovacs, könnten solche Schutzanzüge selbst in Reinräumen der Klasse 100 eingesetzt werden. Allerdings, so gibt sie zu bedenken, erfordere der Einsatz in den hohen Reinheitsklassen häufig eine Vorreinigung. Falls erforderlich, könnten die Einweganzüge auch sterilisiert werden.

In den Reinraumgeweben – Einweg wie Mehrweg – steckt aber mehr als angewandte Materialwissenschaft und Know-how zu Abriebfestigkeit oder Partikelrückhaltevermögen. Denn neben der Schutzwirkung nach innen und außen ist zudem eine gute elektrostatische Ableitfähigkeit der Reinraumbekleidung außerordentlich wichtig. Synthetische Materialien laden sich sehr leicht elektrostatisch auf und damit es in explosionsgefährdeten Bereichen – und hierzu gehören viele Reinräume nicht nur wegen der anfallenden Stäube, sondern auch wegen der lösungsmittelhaltigen Reinigungs- und Desinfektionsmittel – nicht zum großen Knall kommt, verfügt moderne Reinraumbekleidung über eine zusätzliche antistatische Ausrüstung.
So sind in die Polyestergewebe von Mehrweganzügen zum Beispiel so genannte Bikomponentenfasern aus Karbon und Polyester eingewebt. „Auch die Einwegschutzkleidung ist entsprechend präpariert“, so Alexandra Kovacs. „Das Tyvek-Vlies für diese Schutzanzüge wird bereits bei der Herstellung auf beiden Seiten ganzflächig mit einer antistatischen Beschichtung ausgerüstet.“

Fazit: Die Reinraumbekleidung wird zunehmend leistungsfähiger, sowohl in technischer Hinsicht als auch beim Tragekomfort. Große Fortschritte bringt hier die reinraumtaugliche Zwischenbekleidung. Individuelle Servicekonzepte mit umfassender Beratung, Mietkleidung, Dekontamination und Dokumentation halten dem Reinraumpersonal den Rücken für die eigentliche Arbeit frei. Antimikrobiell ausgestattete Textilien sind gerade für die mikrobiologisch überwachten Bereiche der Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie interessant.

Den Aspekt „Reinraumdesinfektion“werden wir in Pharma+Food 4/07 (Juli) behandeln.

„Oftmals reicht Einweg-Reinraumbekleidung vollkommen aus“
Alexandra Kovacs ist Field Market Manager, VWR International
„Ein gut durchdachtes Bekleidungskonzept für den Reinraum berücksichtigtauch die Zwischenbekleidung“
Christiane Schwittay ist Marketingleiterin bei Basan
„Bekleidungskonzept und Reinraummüssen aufeinander abgestimmt sein“
Carsten Moschner ist Geschäftsführer bei Dastex Reinraumzubehör
„Unsere validierten Prozesse garantiereneine absolut zuverlässige Versorgung mit Reinraumbekleidung“
Wilfried Sontheimer, Initial Textil Service, Geschäftsbereich Micronclean
Beim GMP-konformen Betrieb ist Biozid-imprägnierte Kleidung meist überflüssig
Ein durchdachtes Bekleidungs-konzept für den Reinraum umfasst auch Zwischenbekleidung

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