Beim Hygienic Design ist die Werkstoffauswahl von großer Bedeutung. Damit sind nicht nur die eigentlichen Anlagenteile gemeint, sondern auch deren Umgebung. Das beinhaltet zum Beispiel Konstruktion und Beschaffenheit von Böden, Decken, Wänden und Fenstern. Dabei spielen Verunreinigungen durch Aerosole und Luftströmungen eine wichtige Rolle. Produktionsanlagen stehen dann in so genannten Reinräumen, also Räume, die mit steriler Luft beschickt werden. Handelt es sich um geschlossene Systeme wie sterile Tanks, muss „nur“ der Tank beispielsweise durch Sterilfilter vor Kontamination geschützt werden.

Regelwerke müssen beachtet werden

Der FDA/3A Sanitary Standard erteilt Freigaben für metallische und nichtmetallische Werkstoffe. Die empfohlenen Werkstoffe enthalten keine für Produkt und für Menschen schädliche, d.h. giftige oder karzinogene Bestandteile.

Eine EHEDG-Zertifizierung (European Hygienic Equipment Design Group) von Anlagenkomponenten stellt ein Gütesiegel dar. Bei den Tests wird das Prüfstück, zum Beispiel eine Pumpe mit Gleitringdichtung, und ein standardisiertes Referenzrohr mit Mikroorganismen kontaminiert, dann gereinigt und sterilisiert und anschließend auf die Restverschmutzung untersucht, wobei alle Hohlräume mit einer gallertartigen Nährmasse ausgefüllt werden. Übrig gebliebene lebende Mikroorganismen können sich darin vermehren. Die Messergebnisse des Prüflings werden zu denen des Referenzrohrs ins Verhältnis gesetzt und stellen ein Maß für die Reinigbarkeit des Prüfstücks dar.
Das QHD (Qualified Hygienic Design) des VDMA (Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenhersteller) ist ebenfalls ein Beurteilungs- und Zertifizierungssystem. Mit einer Check-Liste kann der Konstrukteur überprüfen, ob alle bekannten Richtlinien, wie FDA, 3A-Sanitary Standards, GMP usw., berücksichtigt wurden.
GMP (Good Manufacturing Practice) legt den Standard für die industrielle Lebens- und Arzneimittelproduktion fest. Anlagenbauer oder Hersteller von Komponenten zu diesen Anlagen sind von GMP indirekt betroffen, da sie wichtige Voraussetzungen für den GMP-gerechten Ablauf von pharmazeutischen Prozessen liefern.

Toträume entscheiden überReinigungsfähigkeit

Die Reinigungsfähigkeit von Rohrleitungssystemen ist hier ein entscheidendes Kriterium. Zu viele sogenannte Tot-räume, wie ungünstig konstruierte Dichtungen und Dichtungsnuten, lassen den Keimen bei Produktresten ein wunderbares Nahrungsangebot, das diese gerne annehmen und sich nach Herzenslust vermehren. Das führt zu den gefürchteten Spontaninfektionen. Immer wieder werden Schmutz und sich vermehrende Keime in den Produktstrom eingebracht. Die Folge davon sind unregelmäßig auftretende Verkeimungen und damit verbunden Reklamationen durch Kunden. Besonders die Unregelmäßigkeit solcher Verkeimungen hat so manchen Qualitätssicherungsmanager an den Rand der Verzweiflung gebracht.

Toträume lassen sich durch richtige Gestaltung vermeiden. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist der Werkstoff selbst. Das Produkt und die Art der Reinigung bestimmen die erforderliche Werkstoffqualität. Die richtige Auswahl gewährleistet Langlebigkeit und Produktionssicherheit. Darüber hinaus ist die Gefahr der Korrosion erheblich vermindert. Korrodierte Oberflächen sind nicht mehr ausreichend glatt.
Je glatter die Werkstoffoberfläche ist, desto höher ist die Beständigkeit. Günstige Eigenschaften hat kalt gewalztes Material, das mit Korn 240 geschliffen und anschließend elektropoliert wurde. Üblich sind kalt gewalzte Teile mit einer Rauigkeit von 0,6 bis 0,8µm. Oberflächen mit einem Wert von etwa 0,3µm sind in der Regel nicht notwendig. Bei Fermentationsanlagen in der pharmazeutischen und der Kosmetikindustrie ist elektropolierter Edelstahl jedoch üblich. Die produktberührenden Oberflächen werden nach dem Fertigungsprozess mechanisch geschliffen, poliert und elektrochemisch endbehandelt.

Brennpunkt Schweißnaht

Schweißnähte stellen einen mikrobiologischen Schwachpunkt dar. Die wichtigste Regel lautet also: Keine Schweißnaht ist die beste Schweißnaht. Das bedeutet, keine Restteile zu einem größeren Stück zusammenzuflicken, sondern passende Halbzeuge zu verwenden. Das WIG-Schweißen (Wolfram-Inertgas-Schweißen) ist bei Edelstählen üblich. Damit es an der Schweißnaht zu keiner Oxidation kommt, wird der Luftsauerstoff durch Argon ferngehalten. Das Argon tritt aus einer Ringdüse um den Lichtbogen aus. Insbesondere das Anheften, also die erste provisorische Verbindung zwischen den Teilen mit Hilfe von Schweißpunkten, wird aus Zeitgründen nicht immer gewissenhaft ausgeführt. Bei Rohrleitungen muss durch Formiergas (80 bzw. 90% Stickstoff und 20 bzw. 10% Wasserstoff) das Innere der Schweißstelle von Luftsauerstoff frei gehalten werden. Das Formiergas wird über einen Schlauch an einem Ende der Rohrleitung mit einer der Nennweite entsprechenden Kappe zugeführt. Schweißnähte ohne Formiergas weisen eine raue Oberfläche auf.

Zu geringer Formiergasdruck führt im Innern zu Erhöhungen, zu hoher Formiergasdruck zu Vertiefungen. Beides ist abzulehnen. Auch Rohre, die nicht korrekt fluchten, bergen ein Hygienerisiko durch Strömungsschatten. Edelstahlschweißen wird von speziell geprüften Fachleuten durchgeführt. Bei der Auftragsvergabe sollte eine Musterschweißnaht hinterlegt werden. Auf der Rohrleitung wird eine so genannte Schlagzahl angebracht, die eine Art Firmen- und Personalschlüssel darstellt. Bei einer Reklamation lässt sich der Verursacher dann eindeutig identifizieren. Hochwertige Scheißnähte liefert das automatische Orbitalschweißverfahren. Hier sind ebenfalls Spezialisten erforderlich.

Knackpunkt Dichtung

Statische Dichtungen wie O-Ringe lassen bei kalten Temperaturen Produktreste in den Spalten. Durch die Reinigung bei hohen Temperaturen verformt sich der Kunststoff plastisch und dichtet die Reste ab. Den mechanischen Reinigungskräften entzieht sich dieser Totraum, die thermische Energie reicht in der Regel nicht zum kompletten Abtöten der vorhandenen Keime aus. Bleibt nach der Sterilisation noch ein Keim übrig, kann dieser unter geeigneten Vermehrungsbedingungen für den Verderb des Produkts sorgen. Gleiches gilt für abgenutzte oder gealterte Dichtungen, bei denen die Hitzeeinwirkung durch Wärmeleitung auf Mirkoroganismen mangelhaft sein kann. Regelmäßiger Dichtungswechsel ist also eine der Hauptaufgaben der vorbeugenden Instandhaltung.

Die in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie weit verbreitete Milchrohrverschraubung weist genau dieses Problem auf. Für die meisten Verbindungen im Bereich der Schläuche und Schlauchkupplungen werden „Milchdichtungen“ eingesetzt. Diese sind an einer Seite flach und an der anderen Seite halbrund. Die Flachseite wird in die Ringnut der Kupplung eingesetzt.
Dynamische Dichtungen bei Doppelsitzventilen weisen eine Besonderheit auf. Während des Schaltvorgangs wird – das ist nicht zu verhindern – eine geringe Produktmenge an der Ventilstange mit nach oben genommen und dort bei der Reinigung nicht abgespült. Dies bezeichnet man als Fahrstuhleffekt. Es handelt sich um die sehr kleine Menge von rund 1ml/Schaltung. Mit dieser Flüssigkeit können durch weitere Schaltvorgänge Keime – nachdem sie sich unbehelligt von der CIP-Reinigung vermehren konnten – aus der Umgebung in das Produkt gelangen. Um dies zu verhindern, existieren verschiedene technische Konstruktionen. Eine Bauart weist zwei O-Ringe auf, die sich in zwei hintereinander liegenden Nuten befinden. Zwischen diesen ist ein Spülanschluss angebracht, durch den mit einer separaten Leitung Reinigungslösung zum Freispülen des Totraums gelangt. Eine sichere Abdichtung gewährleistet der Faltenbalg, der die Ventilspindel mit dem Gehäuse verbindet. Sie wird auch als hermetische oder aseptische Dichtung bezeichnet. Eine Kontrollbohrung auf der Gehäuseseite dient dem Erkennen von Rissen im Faltenbalg, da in diesem Fall Flüssigkeit austritt. Das Problem ist hier die Qualität des Faltenbalgs, der aufgrund der mechanischen Belastung, der chemischen Einflüsse und der damit verbundenen Korrosion altert.
Der Einbau von Messsonden, wie beispielsweise ein Pt100, sollte an Krümmern entgegen der Strömungsrichtung erfolgen, um das Umspülen mit Reinigungsmittel zu ermöglichen. Tot endende Stutzen für Messfühler verbieten sich, da Strömungsschatten entstehen.
Für eine IFS-Zertifizierung dürfen Produktionsanlagen keine Glasteile enthalten. Folglich müssen Schaugläser durch PCTFE ersetzt werden.

Gesichtspunkt Schlauchanschlüsse und Kupplungen

Für Anschlüsse zum Beispiel an ein Koppelpaneel ist ein Kupplungsstück im Inneren des Schlauchanfangs angebracht. Von außen kann es beispielsweise durch ein bis zwei Manschetten oder Schellenbänder mit dem Schlauch fixiert werden. Innen muss die Ausführung soweit abgeflacht konisch zulaufen, dass das Kupplungsstück keine Kante gegenüber der Schlauchoberfläche aufweist. Dies ist erforderlich, damit möglichst wenig Produkt haften bleiben kann und das Reinigungsmedium mit hohem Tempo die anhaftenden Reste abtransportiert. Problematisch ist das bei geringfügigen Weiten der Schläuche durch den Pumpendruck. Dann gelangt Produkt zwischen den Schlauch und das Anschlussstück. Produktreste werden durch den Reinigungsmittelfluss nicht erreicht; dies führt zu spontanen Kontaminationen bei den folgenden Chargen.

Kupplungsstücke, die als Schalenarmaturen ausgeführt sind, schaffen in solchen Fällen Abhilfe. Sie verhindern Toträume durch ein Verbiegen des Schlauches. Eine andere Technik ist das Einpressen von Kupplungsstücken in das Schlauchende. Dabei wird der Kunststoff in den Ringspalt des Kupplungsstückes hineingedrückt. Dadurch wird der Schlauch von innen und außen gestützt. Eine Ausweitung durch den Pumpendruck ist nicht mehr möglich, und Produktreste können sich somit nicht zwischen Kupplung und Schlauch ansetzen.

Kontrollpunkt Validierung

Validierung heißt eigentlich „gültig oder rechtsgültig machen“. Der EU-Leitfaden für die cGMP for Medical Products definiert die Validierung wie folgt: „Durch Maßnahmen, die in Übereinstimmung mit den Prinzipien des GMP geeignet sind, ist sicherzustellen, dass alle Verfahren, Prozesse, Ausrüstungen, Werkstoffe, oder Systeme tatsächlich zu den erwarteten Ergebnissen führen.“

Dazu wird ein Validierungsmasterplan erstellt, der ein Konzept für die gesamte Produktionsanlage unter der Verantwortung des Betreibers umfasst und vor der Beschaffung die Vorgehensweise bei der Validierung festlegt. Ein typisches und in der Praxis wichtiges Beispiel ist die Reinigungsvalidierung. Sie führt zum dokumentierten Nachweis, dass ein getestetes Reinigungsverfahren für die Produktion die notwendige Hygiene garantiert.

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Rohrleitung und alle Komponenten müssen den Anforderungen des Hygienic Design ensprechen

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