Lohnhersteller als Komplettanbieter
  • Bei Lohndienstleistern werden Soft-keys und zusätzliche Dienstleistungen für die Kundenbindung und gleichzeitige Effizienzsteigerungen immer wichtiger.
  • Heute müssen Hersteller rausgehen, die Kunden für sich entdecken und an sich binden, wobei neben dem Preis-Leistungs-Verhältnis auch die Total Costs of Ownership wichtiger werden.
  • Für viele Lohnhersteller ist nicht Masse das Thema, sondern Spezialisierung und kleine Chargen.

Im Lohnherstellungsbereich gibt es für Kunden ganz verschiedene Gründe, sich an externe Hersteller zu wenden. Einer kann sein, dass sie selbst keine eigene Produktion haben. Auf dem Pharmamarkt ist dies beispielsweise der Fall bei einigen Generika-Firmen, die eine Art virtuelles Unternehmen darstellen, denn sie kaufen für ein Generikum sowohl Zulassung als auch Produktion ein. Auf der anderen Seite gibt es für Lohndienstleister solche Kunden, die zwar einen eigenen Produktionsstandort haben, sich aber dazu entschließen, bestimmte Produkte nicht oder nicht mehr selbst herzustellen. Das kommt besonders bei Produkten vor, die in einer späteren Phase ihres Lebenszyklus oder nicht mehr im Fokus des Herstellers stehen, weil zum Beispiel die Produktion des nächsten Blockbusters ansteht.

Im Fall des Lohndienstleisters Hameln Group kommen auch solche Konstellationen zu Stande, wo das Hamelner Unter-nehmen ein Produkt entwickelt hat und nun ein Dossier oder eine Zulassung mit Produktionsbindung verkauft.

Die Kunden müssen entdeckt werden

Heutzutage ist der Markt für Lohndienstleister deutlich härter umkämpft als noch vor einigen Jahren. Die Hersteller müssen rausgehen, die Kunden für sich entdecken und an sich binden. Überzeugend für potenzielle Auftraggeber ist dabei neben dem wichtigen Qualitätsaspekt und der gebotenen Kompetenz auch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Auch achten Kunden vermehrt auf das Thema Total Cost of Ownership und lassen nicht außer Acht, dass ihnen auch bei einer externen Produktion Kosten im eigenen Haus entstehen. Immer wichtiger für die Kundenbindung und gleichzeitige Effizienzsteigerungen werden außerdem Soft-keys und zusätzliche Dienstleistungen, die der Lohnhersteller anbieten kann.

Im Falle des Hamelner Herstellers ist ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb die ausgeprägte Spezialisierung auf Flüssigarzneimittel und Betäubungsmittel. Der Betrieb erfüllt seit 1980 FDA-Standard, ist seither immer wieder nach FDA zertifiziert worden und fertigt nach GMP. „Wir haben uns schon lange auf den angelsächsischen Trend hin zu detaillierter Dokumentation konzentriert. Schließlich haben wir seit Jahren Kunden, die ihre Produkte nach Amerika transportieren wollen“, berichtet Christoph Kerstein, Geschäftsführender Gesellschafter der Hameln Group. „Die Kunden sagen heute, dass dies damals der Grund war, zu kommen und heute vor allem unsere Qualität und Flexibilität die Gründe sind, um zu bleiben.“

Auch für solche Unternehmen, die keine eigene Abteilung für Forschung und Entwicklung (F&E) haben, bietet der Lohnhersteller Mehrwert. Denn im Unternehmensverbund der Hameln Group besteht ein kompletter Standort für F&E. So bietet die Gruppe neben der reinen Lohnherstellung unter anderem Bioäquivalenzstudien an, erstellt Dossiers und bringt diese zur Zulassung. „Die maßgeschneiderten Lösungen für den Kunden fangen bei der strategischen Beratung zu einem Produkt an und ziehen sich über die Entwicklung einer Wirkstoffsynthese bis hin zur Marktversorgung. Es kommt aber auch vor, dass wir aktiv auf einen Kunden zugehen und ihm erläutern, dass in seinem Portfolio noch etwas fehlt, das es gut ergänzen würde“, erklärt Kerstein.

Konkurrenz im In- und Ausland

Im Kampf um die Kunden stehen seit Jahren aber nicht nur die Lohnhersteller untereinander, auch die Big Pharma fischt immer noch in diesen Gewässern. „Nach so vielen Übernahmen und anschließender Reduzierung der eigenen Fertigungskapazitäten werden immer wieder Produktionsteile in die Lohnherstellung entlassen. Sie kämpfen am Markt ums Überleben und erzeugen dadurch einen heftigen Wettbewerb für uns. Dieser Markt lässt sich statistisch jedoch kaum darstellen, da er besonders bei den Originatoren sehr verdeckt stattfindet“, stellt Kerstein fest.

Zusätzlich finden verstärkt in Indien und China viele Investitionen statt, so dass weitere Anbieter auf den Markt drängen. Die meisten deutschen Produzenten sehen hier besonders die indischen Hersteller im Fokus. In Indien bestehen jedoch vornehmlich Großproduktionen, wie sie in Europa aufgrund der vergleichsweise höheren Produktionskosten nicht möglich ist. Daher ist für viele Lohnhersteller wie auch das Hamelner Unternehmen nicht Masse das Thema, sondern Spezialisierung und kleine Chargen, um sich von in- und ausländischen Konkurrenten abzuheben.

 

INTERVIEW MIT CHRISTOPH KERSTEIN, GESCHÄFTSFÜHRER DER HAMELN GROUP

P+F: Die Hameln Group ist dreigeteilt – welche Synergien ergeben sich daraus?

Wir haben im Prinzip eine komplette Wertschöpfungskette für den Pharmamarkt. Wir fangen bei den ersten Versuchen mit potenziellen Kandidaten für Arzneimittel an, führen aber auch klinische Studien durch. Im Entwicklungsumfeld erzeugen wir die Basisdokumente für Zulassungen, beispielsweise Stabilitätsdaten, medizinische Daten und bereiten sie so auf, dass schließlich ein zulassungsfähiges oder zugelassenes Produkt entsteht. Außerdem beraten wir unsere Kunden, wenn es um die Nutzung von unserem Synthese-Know-how geht und machen die gesamten galenischen Entwicklungstätigkeiten.

Zusätzlich haben wir ein kleineres Segment, in dem wir unter unserem eigenen Etikett verschiedene Generika im Krankenhausbereich vermarkten. Dieser Ansatz soll uns ermöglichen, möglichst früh in einen Entwicklungsprozess einzusteigen und anschließend keine Brüche darin zu haben. Denn diese kosten Zeit und Geld.

P+F: Wie gewinnen Sie Kunden und welche Alleinstellungsmerkmale hat Ihr Unternehmen?

Heute sind Soft-keys viel wichtiger als nur die reine Möglichkeit der Herstellung durch eine Maschine oder Fabrik. Nun bleibt die Frage, welcher Aspekt das Mittel zum Zweck ist.

Generell glauben wir aber, dass es sinnvoll ist, eine lange, geschlossene Produktionskette zu haben, in der wir auch zusätzliche Aspekte für unsere Kunden abwickeln können. Wir bieten aber je nach Kundenwunsch entweder Einzelmaßnahmen oder ein Gesamtpaket an, sehen uns letzten Endes also durchaus auch als Komplettanbieter.

P+F: Welche Trends beobachten Sie im Lohnherstellungssektor in der Pharmaindustrie?

Totales Outsourcing ist der Trend. Es gibt viele Kunden, die sich um gar nichts mehr kümmern wollen. Das betrifft nicht nur die Lohnherstellung, sondern auch die ganze Dokumentation und derlei Dinge. Denn die Anforderungen an Dokumentation, Reviews, Prüfungen der Rohstoffe und so weiter werden immer größer. Viele Kunden kennen sich, wenn sie Lohnherstellung nutzen, nach einer Weile nicht mehr so gut mit dem Produkt aus, so dass wir viele Dinge, die damit zusammenhängen, für den Kunden übernehmen.

P+F: Wie können Sie dem steigenden Preisdruck entgegentreten?

Ich glaube zunächst einmal, dass wir im Preisgefüge zumindest in Europa ziemlich am Boden angekommen sind. Das hat beispielsweise dazu geführt, dass im Oralia-Umfeld bestimmte Massenprodukte gar nicht mehr in Europa hergestellt werden, sondern in Niedriglohnländern, da der Lohnkostenanteil in bestimmten Bereichen bei 30 bis 50 Prozent der Herstellungskosten liegt.

Dem Preisdruck können wir begegnen, indem wir eine möglichst effiziente Fertigung laufen lassen. Ein Ansatz dafür ist unsere neue, deutlich produktivere Sterilfertigung. Die Effizienz unserer Prozesse erhöhen wir in diesem neuen Gebäude Schritt für Schritt und Jahr für Jahr. Außerdem stehen wir in ständigem Kontakt mit unseren Vorlieferanten, um unsere Einsatzstoffe günstiger einkaufen zu können. Zusätzlich pflegen wir mit unseren Kunden den Dialog darüber, wo wir an den Prozessschrauben drehen können. Dies ist beispielsweise durch größere Chargen, längerfristigen Einkauf von Rohmaterial und ähnliche Dinge realisierbar.

P+F: Wie lange dauert die Realisierung, wenn ein Kunde seine Produktion zu Ihnen verlagern will?

Wenn wir für den Kunden auch die Zulassungsarbeiten übernehmen, dauert es rund 12 bis 18 Monate. Schneller geht es nicht, das zeigt die praktische Erfahrung. Es gibt aber gewisse Möglichkeiten, diese Zeit abzukürzen. Beispielsweise wenn wir ein gleiches Produkt haben, wo bereits die Dokumentation passend für unsere Maschinen existiert. Der Kunde kann uns dann die Dokumentation abkaufen, an seine Entwicklung koppeln und unser Produkt unter seinem Etikett verkaufen. Damit können wir seine Produktion quasi von einem Tag auf den nächsten realisieren. Dadurch nutzen wir Skaleneffekte für effiziente Produktion, was gleichzeitig zur Kundenbindung beiträgt. Denn die Hürde, den Hersteller zu wechseln, wird aufgrund solcher Anpassungen natürlich höher.

P+F: Wie gehen Sie mit sehr spezifischen Wünschen der Kunden um?

Wir versuchen, das Risiko auf beide Parteien zu verteilen. Bei Ware für Japan braucht man zum Beispiel Sondermaschinen für bestimmte Kontrollmechanismen. Diese Maschine setzen wir zurzeit nur für einen Kunden ein, der sich jedoch an der Investition dafür beteiligt hat. Er bekommt anschließend einen Sonderpreis für das Produkt und hat nicht das gebundene Kapital bei sich stehen. Und wir können wiederum versuchen, Kunden zu akquirieren, die ähnliche Bedürfnisse haben.

P+F: Was denken Sie, wo künftig die größten Märkte für Sie sind?

Ich denke, dass wir hauptsächlich immer noch in die entwickelten Länder liefern werden, die einen hohen regulatorischen Anspruch haben. Wobei wir durchaus auch Tendenzen in die sogenannten Pharma-emerging-Markets, also Südamerika und in den Mittleren und Fernen Osten sehen. Dabei gibt es in Ländern wie China, Indien und Brasilien auch sehr starke lokale Pharmaindustrien. Was wir auch beobachten ist, dass für Produkte, die länger im Markt sind, oft die Länder sagen, dass sie keinen Import mehr wollen, sondern dass das Produkt lokal produziert wird, um ihre eigene Industrie zu fördern. So etwas beobachten wir beispielsweise im Moment in Indonesien.

Wir werden außerdem sehen, dass wir in den nächsten zehn Jahren einen deutlichen Anstieg an biotechnologisch erzeugten Produkten haben – ob das nun Biogenerika oder Biooriginalprodukte sein werden. Deswegen gehen wir an unserem Laborstandort in der Slowakei auch mit Labor- und Entwicklungsleistungen in das Arbeitsgebiet Proteine hinein. Wir versuchen, nicht nur Kunden bei einer toxikologischen oder klinischen Studie, sondern auch bei der Analytik „einzufangen“, Produktentwicklung zu betreiben und sie am langen Ende in die Fertigung zu bekommen.

P+F: Können Sie Ihren Zugang zu biotechnologischen Produkten etwas konkretisieren? Das erscheint immer noch relativ abstrakt.

Wir haben jetzt ein Proteinlabor eingerichtet, damit wir mit Proteinanalytik beginnen können. Wir werden als nächsten Schritt eine Small-scale GMP-Manufacturing-Unit einrichten, um Produktionen sehr früh im Lebenszyklus für uns zu gewinnen. Wenn ein Produkt erst durchentwickelt ist, besteht bereits eine Fertigungskette und wir als Lohnhersteller hätten keine Möglichkeit mehr, an die Produktion heranzukommen. Für Produkte am Anfang des Lebenszyklus ist der Preisdruck nämlich auch noch nicht so hoch. Daher erstellen wir an unserem slowakischen Standort im Moment eine solide Basis, die uns den Zugang zur Industrie ermöglicht.

Ein anderer Ansatz von uns ist der, dass wir der Biotechnologieindustrie die Rundumlösungen anbieten, die sie für ihre Prozesse braucht. Das sind beispielsweise so simple Sachen wie Wasser, Puffer oder Kochsalzlösungen in großen Mengen wie 200, 500 oder 1.000 Liter. Denn die Kunden, die dies heute benötigen, brauchen morgen vielleicht Fill-and-Finish, eine Möglichkeit für klinische Versuche und vielleicht jemanden mit regulatorischem Know-how. Auf dem Wege kommen wir in die Industrie hinein und nutzen gleichzeitig freie Kapazitäten effektiv.

P+F: Warum haben viele ausländische Produzenten in Europa noch keinen Fuß gefasst?

Das Problem in Europa ist, dass wir einen sehr heterogenen, zersplitterten Markt haben. Wir haben zwar eine einheitliche Behörde, aber die funktioniert noch nicht – wir haben keine einheitliche Zulassung. Hinzu kommt, dass die Chinesen beispielsweise erst noch unseren Anspruch an Qualität verinnerlichen müssen – denken wir nur an den Heparinskandal im letzten Jahr, wo wissentlich falscher oder schlechter Rohstoff geliefert wurde. Aber die ausländischen Produzenten werden all das früher oder später lernen.

P+F: Sie pflegen in Ihrem Unternehmen die Beteiligung der Mitarbeiter beispielsweise durch ein innerbetriebliches Vorschlagswesen. Was versprechen Sie sich davon?

Wir fragen uns immer wieder, wie wir unsere Mitarbeiter dazu motivieren können, dass sie ihr Know-how und ihre Verbesserungsvorschläge der innerbetrieblichen Prozesse einbringen. Denn auch wir haben im ständigen Wettbewerb nichts zu verschenken.
Bei uns werden eingereichte Vorschläge prämiert und – falls sie tatsächlich zu einer Kostenersparnis führen – die vorschlagenden Mitarbeiter prozentual an der Ersparnis beteiligt. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter, der sich privat mit Autos beschäftigt, hat für die farbliche Kennzeichnung unserer Ampullen ein neues Farbmischregal entwickelt, ähnlich wie es in der Automobilindustrie zum Einsatz kommt. Seitdem werden bei uns die Farben deutlich schneller und sauberer angemischt. Neben Vorschlägen aus dem Produktionsumfeld kommen inzwischen zunehmend Ideen für den administrativen Bereich, wie dem Dokumentationswesen.

Das ist aber eben das, was uns Mittelständler von Großkonzernen unterscheidet, die ausschließlich an die Zahlen denken. Natürlich interessieren mich auch die Zahlen, aber ich denke zuerst in Generationen: Wo wollen wir in zehn oder zwanzig Jahren sein? Dafür müssen wir uns immer wieder neu erfinden.

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