Vor einiger Zeit machte in der Pharmabranche die Meldung die Runde, dass der Elektronikkonzern Hewlett Packard ein transdermales Applikationssystem für Arzneistoffe auf Basis seiner Inkjet-Technologie entwickelt hat. Auch andere Firmen, die sich bisher nicht mit der Entwicklung von Arzneimitteln hervorgetan haben, beschäftigen sich heute mit sogenannten „Drug Delivery Systems“.

Welche Gründe haben letzendlich dazu geführt, dass dieser Sektor des Pharmamarkts zu den am stärksten wachsenden Bereichen zählt? Es ist unbestritten, dass die heutige Arzneitherapie in zahlreichen Punkten weiter verbessert werden kann, um zum Beispiel ihre Effektivität und Spezifität zu verbessern und um Nebenwirkungen zu minimieren. Der demografische Wandel in unserer Gesellschaft und die damit einhergehende höhere Lebenserwartung verändern sowohl die Bedürfnisse der Patienten als auch das Spektrum der Erkrankungen, während die Erkenntnisse der Naturwissenschaften neue Therapieansätze aufzeigen. Die Entwicklung neuer Darreichungsformen ist auch eine Antwort auf die Verfügbarkeit neuer Arzneistoffe und deren chemisch-physikalischer Eigenschaften, und sie ist nicht zuletzt eine elegante Möglichkeit für pharmazeutische Unternehmen, die Nutzungsdauer am Markt eingeführter Präparate bzw. Wirkstoffe zu verlängern.

Der heutige Arzneimarkt

Der heutige Arzneimarkt wird von den peroralen Darreichungsformen dominiert, die in USA beispielsweise zwei Drittel der verschreibungspflichtigen Medikamente ausmachen. Hier finden wir traditionelle Zubereitungen wie Tabletten, Filmtabletten oder Kapseln, die einfach einzunehmen sind und den meisten Patienten vertraut sein dürften. Bei einer Analyse des OTC-Marktes findet man daher einen noch höheren Anteil dieser Formen. Ihre Herstellung kann vergleichsweise kostengünstig erfolgen, weshalb zum Beispiel Tabletten besonders im wachsenden Segment der Generika eingesetzt werden.

Ein weiteres Viertel der verordneten Medikamente wird von parenteralen Zubereitungen wie Ampullen, Vials und vorbefüllten Einmalspritzen gebildet. Die Anwendung solcher „invasiver“ Darreichungsformen wird im Wesentlichen durch die Eigenschaften der zu verabreichenden Arzneistoffe bestimmt – und sie wird auch häufig von den Patienten als unangenehm empfunden. Abgesehen von den topischen Zubereitungen zur lokalen Applikation auf Haut oder Schleimhaut sind die restlichen Applikationswege mengenmäßig von untergeordneter Bedeutung. Wie im Folgenden dargestellt wird, könnte sich diese Verteilung in naher Zukunft jedoch ändern, insbesondere durch die Weiterentwicklung der pulmonalen Applikation und der parenteralen Depotformen.

Vom Wirkstoff zur Darreichungsform

Sogenannte „Drug Delivery Systems“ sind lediglich der Vektor, um therapeutisch genutzte Substanzen an den Wirkort zu bringen. Daher macht es Sinn, unsere Arzneistoffe näher zu betrachten, zusammen mit den Quellen, aus denen wir sie beziehen, wie auch die chemisch-physikalischen Eigenschaften, die neue Substanzen besitzen. Die Wirkstoffe unserer heutigen Arzneimittel lassen sich anhand ihrer Herkunft in drei Gruppen einteilen: Wirkstoffe, die aus natürlichen Quellen stammen oder von Naturstoffen abgeleitet wurden, solche aus chemischer Synthese und schließlich Wirkstoffe, die mit Hilfe biotechnologischer Verfahren gewonnen werden.

Bei der Gewinnung von Wirkstoffen, die aus natürlichen Quellen stammen, liegt der Schwerpunkt vor allem auf der Erforschung mariner Organismen sowie mikrobiologischer Quellen; die isolierten Wirkstoffe sind häufig Peptide oder andere makromolekulare Stoffe. Dies hat natürlich einen direkten Einfluss auf die Auswahl geeigneter Darreichungsformen. Im Bereich der synthetischen Herstellung neuer Verbindungen entstehen viele moderne Arzneistoffe, die oft schwer wasserlöslich sind oder die bereits in sehr geringer Dosis wirksam und somit in sehr niedrigen Konzentrationen in der Arzneiform enthalten sind, was die Formulierung als konventionelle Tablette oder Kapsel erschwert.
Heute beziehen sich etwa 25% der aktuellen Zulassungsverfahren auf Arzneistoffe, bei deren Gewinnung biotechnologische Verfahren angewandt werden. Selbst in Deutschland waren 2006 bereits über 120 Arzneimittel im Handel, die durch gentechnische Verfahren hergestellt werden. Bei der Mehrzahl dieser Produkte handelt es sich um Proteine, Peptide oder Nukleotide, also um Substanzen, die in der Regel nicht als einfache perorale Darreichungsformen appliziert werden können. Als Beispiele seien Insuline, EPO, Enzyme, Interferone oder Antikörper genannt.
Bereits Paracelsus publizierte seine Erkenntnis, dass die Dosis das Ausmaß der Toxizität aller Substanzen bestimmt, weshalb die Apotheker in der Folge beispielsweise abgeteilte Pulver und Pillen erfanden, um eine reproduzierbare Dosierung zu ermöglichen. Heute ist es möglich, den Konzentrations-Zeit-Verlauf von Wirkstoffen und ihren Metaboliten im Körpergewebe oder im Blut zu messen und mit deren Wirkung und Nebenwirkungen zu korrelieren. Es gibt für jeden Arzneistoff ein „therapeutisches Fenster“, einen optimalen Konzentrationsbereich, dessen Überschreiten das Ausmaß der Nebenwirkungen ansteigen lässt, bei dessen Unterschreiten die Therapie nicht effektiv ist. Das Ziel für alle Darreichungsformen („Drug Delivery Systems“) besteht somit darin, in der Umgebung der Rezeptorzellen die optimale Wirkstoffkonzentration zu erreichen und über die gewünschte Zeit zu erhalten und zugleich im restlichen Körpergewebe die Konzentration so niedrig wie möglich zu halten. Diese Aufgabe versucht man durch gezielte Wirkstofffreisetzung („controlled drug delivery“) zu lösen.

Zukünftige Darreichungsformen

Nach dem zuvor gesagten erstaunt es nicht, dass etwa die Hälfte der zurzeit entwickelten Darreichungsformen kontrollierte oder verzögerte Freisetzung zum Ziel haben. Dies bezieht sich sowohl auf perorale als auch auf parenterale und topische Formen, sogar okulare und pulmonale Retardformen werden entwickelt. Bei festen Darreichungsformen wird die verzögerte Freisetzung des Wirkstoffs seit Langem dazu benutzt, die Einnahmehäufigkeit zu reduzieren und damit die Compliance zu erhöhen. Heute werden auch im Bereich der Parenteralia Zubereitungen entwickelt, mit denen eine Langzeitwirkung erzielt werden kann.

Die mit etwa einem Viertel zweithäufigsten Applikationssysteme werden im englischen Sprachraum unter dem Begriff „Transmucosal Delivery“ zusammengefasst. Hierunter fallen Darreichungsformen, die – auf Schleimhäute im weitesten Sinne aufgebracht – dem Wirkstoff den Übergang in den Körper ermöglichen sollen.
Die möglichst zielgerichtete, auf das Rezeptorgewebe begrenzte Applikation wird als drittgrößte Gruppe unter dem Begriff „Targeted Delivery“ beschrieben. Hier finden sich die verschiedensten Konzepte, wie beispielsweise Nanopartikel in ihren zahlreichen Ausprägungen, Partikel mit modifizierten Oberflächen oder mit gewebe- oder zellspezifischen Liganden. Diese Zubereitungen werden in den meisten Fällen parenteral appliziert, sie gehören unter Fertigungsgesichtspunkten also in den Bereich der Sterilherstellung.
Schließlich sind als bedeutende Gruppe innerhalb der neuen Darreichungsformen noch die transdermalen Zubereitungen zu nennen. Sie beschränken sich längst nicht mehr nur auf „Pflaster“ mit kleinen lipophilen Molekülen, die passiv durch die Haut diffundieren. Vielmehr wird versucht, mit mehr oder weniger drastischen Methoden die Schutzbarriere der Haut zu durchdringen (Ultraschall, Nadelkissen, thermische Punktion, Iontophorese, Pulverinjektion).

Omics und individuelle Therapie

Der CEO von Eli Lilly wurde Ende 2006 mit dem Satz zitiert: „The future’s bright, the future’s genomics“. Dieser euphorische Ausspruch stuft die Bedeutung der “Omics“ vielleicht etwas zu hoch ein, dennoch sind von diesem Gebiet tiefgreifende Einflüsse auf die Pharmakotherapie zu erwarten. Insbesondere die Erkenntnisse der Phamakogenomik bzw. der Pharmakogenetik, die den Einfluss der genetischen Ausstattung des Individuums auf die Wirkungsweise von Arzneimitteln untersuchen, könnten die Therapie grundlegend verändern.

Das Schlagwort SNP, die Abkürzung für „single nucleotide polymorphism“, steht für das Prinzip: Zwar ist das Erbgut der Menschen zu 99,9% identisch, jeder Einzelne unterscheidet sich jedoch von anderen durch geringfügige Änderungen in einzelnen Basenpaaren. Diese Abweichungen oder Änderungen haben in der Mehrzahl der Fälle keine erkennbaren Auswirkungen. Ein kleiner Teil dieser Änderungen kann jedoch die Funktion von Genen und somit die von ihnen codierten Proteine beeinflussen. Daher werden SNPs herangezogen, um individuelle Unterschiede beim Ansprechen auf Arzneimittel oder um die unterschiedliche Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen zu erklären. Denn solche genetischen Unterschiede können Resorption, Verteilung, Metabolismus, Elimination und Konzentration der Wirkstoffe am Wirkort verändern, ebenso Art und Anzahl von Rezeptoren. Durch das Bestimmen des so genannten pharmakogenetischen Profils erhofft man sich daher die Voraussage der Reaktion eines Patienten auf ein bestimmtes Medikament.
Inzwischen sind zahlreiche Beispiele beschrieben, die erklären, warum eine medikamentöse Standardtherapie niemals bei allen Patienten eines Kollektivs erfolgreich ist. Die Lösung besteht in einer individuellen Therapie, die spezifischer und mit weniger Nebenwirkungen verbunden ist als die heutige Behandlung mit Arzneimitteln. Als mögliche Konsequenzen für die Arzneimittelherstellung ergeben sich vor allem geringere Chargengrößen, verbunden mit einer höheren Produktvielfalt.

Nanotechnologie in der galenischen Entwicklung

Es ist derzeit kaum möglich, über neue Entwicklungen zu sprechen, ohne den Begriff „Nano“ ins Feld zu führen. Während längst nicht in allen Fällen „Nano“ drin ist, wenn „Nano“ draufsteht, gibt es in den pharmazeutischen Wissenschaften zahlreiche interessante Anwendungen dieser Technologie. Heute werden eine Vielzahl von nanopartikulären Produkten erprobt. Aus der Sicht der pharmazeutischen Herstellung sind diese Produkte in den meisten Fällen mit aseptischen oder sterilen Fertigungsprozessen verknüpft.

Einfluss neuer Darreichungsformen auf die Pharmaverpackung

Aktuelle Aspekte der Pharmaverpackung können derzeit mit den Schlagworten fälschungssicher, seniorenfreundlich, kindergesichert oder umweltfreundlich beschrieben werden. Der Hauptzweck einer Verpackung ist jedoch zunächst der Schutz des Arzneimittels vor schädlichen Einflüssen und der Erhalt seiner pharmazeutischen Qualität. Hier werden in Zukunft innovative Materialien mit guten Barriereeigenschaften gefragt sein, da viele der genannten neuen Darreichungsformen besonders empfindliche Substanzen wie Peptide oder Proteine enthalten. Da sich der Anteil der parenteralen Formen nicht verringern wird und zudem pulmonale oder transdermale Formen vergleichbare Anforderungen an die mikrobiologische Qualität stellen, werden Aseptik und Sterilverpackung einen hohen Stellenwert erhalten. Die Komplexität wird mit dem Wechsel von einfachen Behältnissen wie Ampullen oder Vials zu Autoinjektoren, nadellosen Injektionssystemen zum Vermeiden des Verletzungsrisikos durch Kanülen oder zu Drug-Device-Kombinationen ansteigen. Vermutlich werden Folienverpackungen, wie steril gefertigte Siegelrandbeutel, eine wichtigere Rolle spielen.

Auch die Bemühungen um eine erhöhte Patienten-Compliance werden die Verpackung wesentlich beeinflussen (Stichwort „compliance design“), beispielsweise die Verbesserung herkömmlicher Blisterpackungen durch Wallets oder Kalenderpackungen. Analog führt die Suche nach Alternativen für Tabletten, für deren Einnahme Flüssigkeit erforderlich ist, zu extrem schnell zerfallenden Formen wie den porösen „Fast Dissolving Tablets“ oder den sehr dünnen, hygroskopischen und schwierig zu handhabenden „Oral Strips“. Insbesondere die Primärverpackung solcher Formen unterscheidet sich drastisch von der herkömmlichen Tablettenverpackung. Die zunehmende Bedeutung pulmonaler Darreichungsformen, vor allem der Pulverinhalatoren, erfordern neue Dosier- und Fülltechnologien, um kleinste Mengen kohäsiver Pulver zu dosieren und zu verpacken. Eine wichtige Rolle spielt bei alledem die Sicherung der Qualität, beispielsweise durch eine 100%-Kontrolle der Füllmengen.
Eine erfolgreiche Einführung der individualisierten Therapie auf Basis der Fortschritte in der Pharmakogenetik würde zu einer Erhöhung der Packungsvielfalt bei gleichzeitig reduzierten Chargengrößen führen. Hier wären auch die Maschinenhersteller gefragt, noch flexiblere Verpackungslinien zu entwickeln, die eine weitere Reduzierung von Rüstzeiten erlauben.

Blick in die Zukunft

Die Entwicklung innovativer pharmazeutischer Darreichungsformen ist ein Wachstumsmarkt, der sowohl durch die Verfügbarkeit neuartiger Arzneistoffe und Technologien als auch durch die ungenügende Effektivität und Spezifität bestehender Applikationsformen angetrieben wird. In einer Situation, in der trotz steigender Forschungsaufwendungen immer weniger wirklich neue Arzneistoffe (NCEs) zur Zulassung gelangen, bieten sich im Bereich der „Drug Delivery Systems“ neue Chancen für die pharmazeutischen Unternehmen. Die Pharmaverpackung muss sich dieser Entwicklung anpassen, beispielsweise durch innovative Barrierematerialien zum Schutz der empfindlichen Produkte und durch intelligente Verpackungen zur Sicherung der Patienten-Compliance.

Allerdings ist zugleich mit einer weiteren Zunahme der Generikaanteile in allen westlichen Ländern zu rechnen, denn die Märkte sind stark reguliert, und die Erstattungssysteme werden vom Zwang zum Sparen dominiert. So wird sich möglicherweise ein zweigeteilter Markt ergeben, in dem herkömmliche und innovative Darreichungsformen und Verpackungen nebeneinander existieren.

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Harro Höfliger Verpackungsmaschinen GmbH

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