Patentklippe und Warning-Letters treiben Transformation der Pharmaindustrie

Die Konsequenzen können für das Pharmaunternehmen gravierend sein – die FDA behält sich vor, die Genehmigung für Ergänzungen und neue Anwendungen des Arzneimittelherstellers so lange zu verweigern, bis die Behörde im konkreten Fall die Übereinstimmung mit den cGMP-Bestimmungen festgestellt hat. Sogar die Einfuhr aller Produkte des Herstellers in die USA steht in Frage, wenn die festgestellten Verstöße nicht korrigiert werden.

Der renommierte Hersteller aus dem pfälzischen Ingelheim befindet sich am Pranger der US-Behörde in bester Gesellschaft: Allein 2011 ist die Zahl der FDA-Warning Letters um 166 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. „Seit 2009 ist ein sehr markanter Anstieg an Warning Letters zu verzeichnen“, stellte Marcel Staudt, Vorsitzender der deutschsprachigen Sektion der Pharma-Ingenieursgesellschaft ISPE, fest. „Die Unternehmen müssen erheblich in die Erneuerung investieren, um cGMP compliant zu bleiben“, verdeutlicht Staudt. Auf dem Jubiläumstreffen der ISPE DACH in Hamburg nannte Staudt drei Haupt-Bedrohungen, die Pharmaproduzenten dazu zwingen, ihre Produktionsprozesse zu überdenken:

  • auslaufende Patente,
  • die Probleme, Arzneimittelpatente in Wachstumsmärkten wie Indien durchzusetzen und
  • die steigende Zahl an FDA Warning Letters.

Mögliche Antworten auf dieses Umfeld wurden in Hamburg von rund 130 Experten aus Pharmaindustrie und von Zulieferern und Planern diskutiert. Aus Sicht der Ingenieursgesellschaft gehören dazu Verbesserungen in den Produktionsprozessen, das Optimieren interner Abläufe und auch schnellerer und flexiblere Investitionen. „Die Anlagen müssen besser ausgelastet werden und wir müssen sicherstellen, dass die Anlagen stets dem Stand der Technik entsprechen“, benannte Marcel Staudt die Arbeitsfelder. Aussagen, die Ulf Schrader von der Unternehmensberatung McKinsey eindrucksvoll mit Zahlen belegte: „Die Produktivität von Top-Unternehmen ist um 50 Prozent höher als der Durchschnitt der Pharmaindustrie.“ Die Zahl stammt aus einer Datenbank des Beratungsunternehmens, in dem über 400 Fertigungsbetriebe und mehr als 8.000 Produktionslinien verglichen werden. Deutlich wurde dieser Fakt am Beispiel der Tablettenproduktion. Hier berichteten die Vortragenden von einer enormen Bandbreite in Sachen Produktivität. „Die Pharmaindustrie muss weg von Verbesserungsprojekten und hin zum Einsatz von Produktionssystemen, wie sie beispielsweise in der Automobilindustrie üblich sind“, ist sich Schrader sicher.

Dass die Technik und Produktion immer stärker in den Fokus der Pharmazeuten rücken wird, ist angesichts des wachsenden Wettbewerbs durch Generika und Herstellern aus Indien und China unvermeidlich. Deren Preisniveau schlägt über Importe nach und nach auch auf den europäischen Markt durch. Ein Trend geht deshalb in Richtung der Lohnhersteller, denen es im Vergleich zu Originalpräparat-Herstellern gelingt, ihre Produktionskosten aufgrund einer höheren Auslastung niedrig zu halten.

Auch die Anwendung kontinuierlicher Verfahren wurde in Hamburg als Weg zur Kostensenkung diskutiert. Neben der Echtzeitanalyse erfordern Kontiprozesse allerdings ein umfassendes Prozessverständnis, um die Einflussgrößen auf die Qualität sicher zu beherrschen. Dass dieses Prozessverständnis aber auch in klassischen Batchverfahren stark an Bedeutung gewinnt, wird nicht zuletzt durch die Warning-Letters der FDA deutlich. Bislang war Technik und Herstellprozess aus Kostengesichtspunkten vor allem für Originalpräparat-Hersteller oft ein unwesentlicher Faktor. In Zukunft – das wurde bei der Veranstaltung in Hamburg klar – wird dies deutlich anders sein.

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Den Wortlaut des FDA-Warningletters an Boehringer Ingelheim finden Sie hier.

Die Meldung zur Reaktion von Boehringer Ingelheim finden Sie hier.

 

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