In der Zytostatikaherstellung hat das Containmentsystem zwei Schlüsselfunktionen: Zum einen muss verhindert werden, dass der Mitarbeiter der Exposition von Zytostatika, von denen viele als gesundheitsschädigend und möglicherweise cancerogen eingestuft werden, ausgesetzt wird. Ebenso muss der Raum vor jeglicher Kontamination und darüber hinaus das Produkt vor mikrobieller Kontamination geschützt werden.

Kostenoptimierter Produktionsbereich für kleine Chargen

Die Firma NextPharma, ein multinationaler Konzern für Lohnfertigung mit Standorten in USA, England, Frankreich, Belgien und Deutschland, hat bis heute im allgemeinen Produktionsbereich Entwicklungs- und Klinikchargen produziert. Diese Vorgehensweise wurde von den Behörden beanstandet. Es wurde die Forderung gestellt, hierfür einen eigenen Bereich zu schaffen. Begründung: Cross-Kontamination durch noch nicht vollständig bekannte Wirkstoffe. Weiter bestand eine interne Forderung der Kostenoptimierung. Die Entwicklungs- und Klinikchargen belasten die Produktion, da ein viel größerer Zeitaufwand notwendig ist als bei einer herkömmlichen Produktionscharge, die Effizienz in diesem Bereich sehr gering ist und der Reinigungsaufwand sehr hoch. Dies macht Entwicklungs- und Klinikchargen sehr teuer, und die reellen Kosten konnten dem Kunden nicht weiterbelastet werden. Aufgrund dieser beiden Forderungen wurde beschlossen, ein neues Entwicklungszentrum zu schaffen.

Im Jahre 2004 wurde deshalb entschieden, in ein neues, steriles Entwicklungszentrum zu investieren (SPDC sterile pharmaceutical development centre).
Im Vorfeld wurden verschiedene Standorte für dieses Entwicklungszentrum untersucht. Ausgewählt wurde der Standort Thissen in Belgien aufgrund des bestmöglichen Produkttransfers (Thissen center of excellence for sterile production). Andere Standorte wären im Bereich der Investition und im Betrieb preiswerter gewesen, jedoch überwogen der Produkttransfer und das lokale Know-how gegenüber allen anderen Punkten. Verschiedene Konzepte wurden in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden entwickelt. Die teuerste Variante wurde dann nach Behördenvorgaben beschlossen. Beschluss und Forderungen waren wie folgt:

  • einen komplett separierten Produktionsbereich für Zytostatika inklusive Verpackung;
  • einen komplett separierten Bereich für Nicht-Zytostatika mit eigener Verpackung;
  • ein komplett separierter Bereich für die Entwicklung von Nicht-GMP-Materialien.

Ermöglichen sollte das Projekt Herstellung und Entwicklung von sterilen Injektionspräparaten für Zytostatika und allgemeine Produkte, besonders für biotechnologische Wirkstoffe sowie die Produktionsmöglichkeit von hochtoxischen Substanzen (OEL 4), die Herstellung von Nicht-GMP-Material (allgemeine Entwicklung, Stabilität, allgemeine Prozess-entwicklung) sowie die Herstellung von Klinikchargen der Phase I und II, notfalls der Phase III. Vorzugsweise sollte jedoch Phase III im allgemeinen Produktionsbereich hergestellt werden. Darüber hinaus sollte ein Reservebereich für die Herstellung biotechnologischer Produkte aus nicht komplett inaktivierten Wirkstoffen vorgesehen werden.

Hergestellt werden Suspensionen, allgemeine Liquida, Lyophylisate (in Gebinden oder Bulk) sowie Pulver. Die Gebindeformen reichen von Vials mit 2 bis 100ml, Ampullen von 1 bis 25ml, Karpulen, Spritzen bis hin zu allgemeinen Sonderformen.

RABS-Technologie erfüllte alleVoraussetzungen

Alle Prozessarbeitsschritte mit offenem Produkt vom Probenzug bis zur Außenreinigung der Gebinde sollten in geschlossener RABS-Technologie möglich sein, und dies bei bestmöglichem Mitarbeiterschutz, bestmöglichem Cross-Kontaminations-Schutz und bestmöglicher Sterilität. Eine Separierung der Versorgungsmedien zwischen den einzelnen Herstellungsbereichen (Zyto/Nicht-Zyto/Entwicklung) und ein Produkttransfer 1:10 zwischen Entwicklung und Produktion wurde vorgesehen. Gefordert war darüber hinaus ein hoher Automatisierungsgrad unter Beibehaltung einer hohen Flexibilität, ein komplettes Monitoring aller Prozessschritte mit Vorbereitung für electronic batch record und hohe Produktsicherheit.

Die große Herausforderung des Projektes war, die hohe Anforderung an den Mitarbeiterschutz (Einstufung der Produkte in der höchsten Toxizitätsklasse) und die gleichzeitig hohe Anforderung an die Sterilität zu erfüllen. Dies ist jedoch ein Widerspruch in sich selbst, denn der bestmögliche Mitarbeiterschutz heißt geschlossene Systeme mit Unterdruck zum Mitarbeiter, aber die hohe Sterilitätsanforderung besagt genau das Gegenteil, nämlich hoher Überdruck zum Mitarbeiter.
Gleichzeitig war die Vielfalt an Produktionsarten der verschiedenen zu schützenden Geräten und Maschinen sowie eine maximale Obergrenze der Investitionskosten zu berücksichtigen. Die Lösungen hierfür waren wie folgt:

  • 18 RABS (restricted access barrier system = zugangsbeschränktes Barrieren-System) für die verschiedenen Produktionsvorgänge in Isolatorklasse 3. Begründung: ausreichend dichte Ausführung, Aufrechterhalten der Sterilität und des Mitarbeiterschutzes unter Berücksichtigung akzeptabler Investitionskosten.
  • Closed-RABS-Technologie, d.h. vollbelüftete Einheiten, die über das zentrale Lüftungssystem mit Luftwechselzahlen zwischen 400 und 1000-fach/h versorgt werden.

Hierfür gab es folgende Gründe:

  • Explosionsschutz: Die hohen Luftwechselzahlen führen dazu, dass bei einem Unfall mit Lösemitteln die maximale Explosionsgrenze nicht erreicht werden kann;
  • Produktschutz: Der hohe Luftwechsel reduziert die Kontaminationsgefährdung von außen auf ein absolutes Minimum durch die konstante Zufuhr von Hepa-gefilterter Luft;
  • Mitarbeiterschutz: Der hohe Luftwechsel führt dazu, dass beim Austritt von toxischem Wirkstoff innerhalb des RABS dieser aus dem Arbeitsbereich schnellstmöglich entfernt wird;
  • RABS-Unterdruck zum Mitarbeiterraum für nicht aseptische Arbeitsschritte zu fahren;
  • RABS im Gleich- bzw. Überdruck zum Mitarbeiterraum für aseptische Vorgänge.

Preisgünstige Variante: passive RABS

Aufgrund der Vielzahl von Anforderungen und zu integrierenden Prozesstechnologien musste das Containmentsystem exakt auf die verwendeten Maschinen und die Prozesstechnologie abgestimmt werden. Daher stellte das Containmentsystem eine große Herausforderung bei der Realisierung des Projektes dar. Ursprünglich wurde daran gedacht, alle 18 RABS mit eigenständigen Versorgungssystemen auszustatten. Die Kosten für die 18 aktiven RABS – mit einer Länge von insgesamt 45m – lagen allerdings deutlich oberhalb des Budgets. Zur Kosteneinsparung entschied man sich für die preisgünstigere Variante der passiven RABS, die über das zentrale Lüftungssystem versorgt werden. Alle RABS werden durch das zentrale Raumbelüftungssystem über konstante bzw. variable Volumenstromregler ver- und entsorgt. Die RABS sind in das Wand- und Deckensystem integriert. Bedingt durch die Zusammenarbeit mit dem RABS-Hersteller konnten kostengünstige Detaillösungen erzielt werden.

Bedingt durch die flexiblen Anforderungen an die Systeme mussten anlagenspezifische Kompromisse gefunden und umgesetzt werden. Die technische Anforderung, die Hepa-Filter in einem Bag-in-/Bag-out-System unmittelbar am RABS zu installieren, ließ sich aus platztechnischen Gründen nicht realisieren. Deshalb mussten die Abluftfilter im Technikbereich oberhalb des RABS installiert werden. Hierzu war es notwendig, ein Kanalsystem vom Arbeitstisch bis zu den Abluftfiltern zu montieren. Eine optimale Reinigung per Hand ließ sich aus bau- bzw. platztechnischen Gründen nicht realisieren. Auf ein aufwendiges CIP-Abluftkanalsystem wurde aus Kosten- und Qualifizierungsgründen verzichtet. Die Abluftkanäle werden in der Regel nicht gereinigt, sondern nur im Wartungsfall mit Handsprühlanzen besprüht.

Die RABS-Technologie bietet die Sicherheit eines Isolators bei gleichzeitg höherer Verfügbarkeit

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