Handschuh und Spritze in der Medizin

Es gibt einige Grundanforderungen die Materialien für die Medizintechnik erfüllen müssen. (Bild: Paul Vinten – Fotolia)

Viele Kunststoffe sind so günstig, dass sich daraus hergestellte Objekte als Wegwerf-Produkte zur einmaligen Verwendung eignen. Während dies weltweit zu einer zunehmenden Müllproblematik geführt und Kunststoffen gesellschaftlich einen eher schlechten Ruf verpasst hat, ist es genau diese Eigenschaft, die für einen Siegeszug des Werkstoffs im medizinischen Einsatz gesorgt haben. Sogenannte Single-Use-Produkte, also Produkte zur einmaligen Verwendung, haben dort nämlich nicht nur ökonomische, sondern vor allem hygienische Vorteile und ersetzen daher seit etwa Anfang der 60er Jahre zunehmend wiederverwendete Artikel aus Glas oder Metall.

Ein weiterer Vorteil von Kunststoffen ist ihre Vielzahl an möglichen Formen und Geometrien sowie das geringere Gewicht etwa im Vergleich zu verschiedenen Metallwerkstoffen. Heute kommen Kunststoffe in fast allen Bereichen der Medizin zum Einsatz, etwa für sterile Verpackungen, Katheter und Schlauchsysteme, Implantate und Prothesen, Gehäuse zum Schutz von Geräten, aber auch in der Medikamentenfreisetzung (engl. Drug Delivery).

Welche Eigenschaften müssen Kunststoffe für medizinische Anwendungen haben?

Kunststoffe, die in der Medizin zum Einsatz kommen, müssen besondere Eigenschaften erfüllen. Die Grundanforderungen an Materialien für die Medizintechnik etwa sind Biokompatibilität, Sterilisierbarkeit, Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit. Die Anforderungen unterscheiden sich dabei im Einzelnen zwischen Materialien, die außerhalb des Körpers, und solchen, die – im Körper etwa als Implantate – zum Einsatz kommen. Biomaterialien – also Werkstoffe, die sich mit Körperzellen vertragen – dürfen keine schädigende Wirkung auf Organismus verursachen, sondern müssen vom Körper toleriert oder, im günstigsten Fall, wie körpereigenes Material akzeptiert werden.

Wichtig ist außerdem, dass von dem Material keine toxische Wirkung auf den Organismus ausgeht. Festgelegt sind diese Anforderungen in verschiedenen Vorschriften und Richtlinien, beispielsweise der EU-Richtlinie 93/42/EWG, die auch als „Medical Device Directive“ bekannt ist. Seit 2019 definiert und beschreibt die VDI-Richtlinie 2017 speziell für den Bereich der Kunststoffe, was unter Medical Grade Plastics zu verstehen ist und welche Eigenschaften und Anforderungen maßgeblich sind.

Doch nicht jeder Kunststoff eignet sich für jede Anwendung: Welche Polymere kommen in der Medizin zum Einsatz und wofür?

Polyethylen für Implantate

3D-Modell eines Menschen wo der Knochenbau inklusive eines Implantats an der Hüfte zu sehen ist
(Bild: catsnfrogs – Fotolia)

Polyethylen (PE) ist nicht nur insgesamt der weit verbreitetste Kunststoff, sondern spielt auch im medizinischen Einsatz eine große Rolle. Der Werkstoff kommt vor allem in Verpackungen für klinische und pharmazeutischer Produkte zum Einsatz, so etwa in Flaschen oder Folien, aber auch beispielsweise in Spritzen. Vor allem Polyethylene hoher Dichte, sogenanntes PEHD, zeichnet sich dabei durch eine hohe Formfestigkeit und Chemikalienbeständigkeit aus. Das Material kommt daher etwa auch für Implantate, zum Beispiel als Hüftgelenkpfannen in der Orthopädie, zum Einsatz. Außerdem lässt sich etwa bei Behältern aus PE der Einfluss von migrierenden Additiven vermeiden.

Polyvinylchlorid für medizinische Einwegprodukte

Blutkonserve, die im Krankenhaus an einem Ständer hängt
(Bild: Stephan Morrosch – Fotolia)

Das zweite besonders häufig in der Medizin eingesetzte Polymer ist Polyvinylchlorid, besser bekannt als PVC. Für den Werkstoff sprechen vor allem der geringe Preis, auch im Vergleich zu anderen Kunststoffen, sowie die einfache Verarbeitbarkeit. Das Material ist außerdem sehr gewebe- und blutverträglich. Aufgrund dieser Eigenschaften kommt PVC vor allem in Einweg-Produkten wie Blutbeutel und Handschuhe oder Katheter, aber auch für Schläuche und sterilisierbare Verkleidung von medizinischen Geräten zum Einsatz. Als Problem von Weich-PVC gilt zunehmend, dass der Kunststoff meist phthalathaltige Weichmacher wie Diethylhexylphthalat (DEHP), das nicht chemisch gebunden ist und damit in seine Umgebung migrieren kann. Dem Additiv werden fortpflanzungsschädigende Eigenschaften zugeschrieben. Weich-PVC enthält bis zu 40 Gewichtprozent an DEHP. Während der Stoff in Kinderspielzeug oder Kosmetika verboten ist, gilt das Additiv in Medizinprodukten als weitgehend unverzichtbar. Hersteller müssen jedoch jeweils darlegen können, warum sich keine Alternativen zu DEHP einsetzen lassen.

Polystyrol für medizinische Verpackungen

behandschuhte Hand, die Petrischale mit rosanem Medium und Bakterienkulturen hält
(Bild: ggw – Fotolia)

Für Verpackungen aller Art kommt im medizinischen Bereich vor allem Polystyrol (PS) zum Einsatz. Durch seine hohe Transparenz und ist der Thermoplast vor allem in Anwendungen zu finden, in denen sonst Glas zum Einsatz kommen würde, also etwa in Behältern für infektiöses oder toxisches Material oder im Laborbereich in Petrischalen und Ähnlichem. PS findet jedoch beispielsweise auch als Folie in Medikamentenblistern Verwendung.

Expandiertes Polystyrol (EPS), weit bekannt unter dem Handelsnamen Styropor, dient als Schaumstoff dagegen dem Schutz von empfindlichen Produkten. Außerdem leistet das Material durch seine wärmedämmende Wirkung seinen Dienst in der Kühlkette beim Transport von Medikamenten und aktuell in der Logistik von Covid-19-Impfstoffen.

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Polypropylen als Nahtmaterial

Blisterverpackung mit grünen Tabletten
(Bild: ThKatz – Fotolia)

Auch Polypropylen (PP) kommt hauptsächlich für die Verpackung zum Einsatz, beispielsweise wiederum in Medikamentenblistern, aber auch für Einwegspritzen oder Infusions-Bestecke. Hitzestabilisierte Polypropylen-Typen sind darüber hinaus gut zu sterilisieren. Außerdem kommt PP auch in Implantaten zum Einsatz und spielt durch seine glatte Oberfläche als Nahtmaterial eine große Rolle.

Polyetheretherketon und Nitril-Polymere

Behandschuhte Hände, die Spritze in Ampulle aufziehen
(Bild: April Cat - Fotolia)

PE, PVC, PS und PP sind die mit Abstand gängigsten Polymere in der medizinischen Anwendung und stehen zusammen für 80 bis 90 % der dort eingesetzten Kunststoffe. Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Kunststoffe in der Medizintechnik. Bereits seit etwa 20 Jahren wird beispielsweise auch Polyetheretherketon (PEEK) für Implantate in der Wirbelsäulen- und Gesichtschirurgie verwendet. Aufgrund eher unvorteilhafter Oberflächeneigenschaften ist der Werkstoff aber nicht weit verbreitet. Nitril-Polymere wiederum finden durch ihre chemische Beständigkeit und die gummiähnlichen Eigenschaften für Schutzhandschuhe Anwendung.

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