- Auf der Multi-Purpose-Anlage lassen sich verschiedene biotechnologische Prozesse realitätsnah darstellen.
- Durch ein neues Verfahren fällt ein zusätzlicher Wertstoff an, der sich weiterverwenden lässt.
- Die Ausbeute bei der biotechnologischen Milchsäure-Produktion ist extrem hoch.
- Synergien zwischen der Milchsäure- und der PLA-Anlage lassen sich effizient nutzen.
- PLA bietet als biobasierter Kunststoff verschiedene Vorteile gegenüber erdölbasierten Kunststoffen.
Aus diesem Werkzeugkasten sind in den vergangenen Jahren verschiedene Produktionsprozesse hervorgegangen – allen voran die Ethanol-Produktion für Biokraftstoffe. Auch die biotechnologischen Produktionsvolumina für Stoffe wie Zitronensäure, Lysin und Polymilchsäure nehmen dank wachsender Anlagenkapazitäten stetig zu. Thyssenkrupp Uhde trägt mit seinem Unternehmensbereich Polymertechnologie zu diesem Trend bei, denn der Anlagenbauer hat in Guben eine PLA-Pilotanlage errichtet, in welcher er Milchsäure zu Polymilchsäure (PLA) verarbeitet – in einer Größenordnung
von 500 t pro Jahr. Künftig ist der Anlagenbetreiber darüber hinaus in der Lage, biotechnologisch produzierte Milchsäure auf einer Multi-Purpose-Anlage in Leuna zu produzieren, die seit Beginn dieses Jahres in Betrieb ist.
Biokunststoffe mit mehr Funktionalität als herkömmliche
PLA kommt heute bereits für verschiedene Verpackungsmittel wie Joghurtbecher, Obst- und Gemüseschalen, aber auch für die Bau-, Automobil- sowie als Fasern für die Textilindustrie zum Einsatz. Der Biokunststoff bietet die Vorteile, dass er aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird, biologisch abbaubar ist und sich zudem komplett recyclen und wieder in den Stoffkreislauf einspeisen lässt. „Meiner Ansicht nach ist PLA das Biopolymer mit dem größten Potenzial für die Industrie“, berichtet Dr. Rainer Hagen, Produktmanager PLA bei Uhde Inventa-Fischer. „Das einzige Problem ist nur, dass der Preis bislang noch höher liegt, als der für vergleichbare Polymere wie PET oder Polystyrol.“ Jedoch ist der CO2-Fußabdruck bei der Produktion von PLA deutlich geringer als der bei der Herstellung von Polyester und ähnlichen Polymeren. Daher kann es für die kunststoffverarbeitende Industrie von großem Interesse werden, sofern es in ausreichender Menge zur Verfügung steht und der Preis konkurrenzfähig ist.
Bislang hat Uhde Inventa-Fischer die Milchsäure zur PLA-Produktion von kommerziellen Anbietern bezogen. Das soll sich durch die Multi-Purpose-Anlage in Leuna nun ändern. Denn die Produktion auf der neuen Anlage ist besonders effizient: Allein zwei Monate reichen aus, um den Jahresbedarf an Milchsäure in Guben von rund 650 t zu decken. „Der Grund für die hohe Produktionskapazität ist, dass wir in Leuna eine bestehende Weinsäureanlage übernommen haben und sie technologisch auf die Multi-Purpose-Anlage umgerüstet haben“, erklärt Dr. Joachim Schulze, Bereichsleiter Biotechnologie Thyssenkrupp Uhde. Und Hagen fügt hinzu: „Wir können die Milchsäure aus Leuna direkt so übernehmen. Sie hat bereits die Reinheit und Qualität, die für die PLA-Produktion notwendig ist.“
Syntheseverfahren schafft zusätzlichen Nutzen
Sucrose oder Glucose bilden die Rohstoffe für die Milchsäureerzeugung in Leuna. Dort kommt jedoch nicht das heute noch gängige Gips-Verfahren zum Einsatz. Denn dabei besteht ein Zwangsanfall von Gips, dessen Entsorgung problematisch ist. Für die Anlage in Leuna hat Thyssenkrupp Uhde ein neues Verfahren entwickelt, bei dem Ammoniumsulfat als Nebenprodukt anfällt. Dies lässt sich als Düngemittel weiter verwerten. Für die Fermentation stehen große Fermentoren mit einem Volumen von 85.000 l zur Verfügung. „Die größten Herausforderungen bei dieser Produktion bestehen zum einen bei der Fermentation, bei der die Bakterien deutlich über 90 % des Zuckers in das gewünschte Produkt und dieses wiederum in hoher optischer Reinheit umsetzen müssen. Zum anderen müssen die Wertstoffe im Anschluss gereinigt und isoliert werden, damit es zu keinerlei unerwünschten Effekten beispielsweise bei der Polymerisation kommt“, erläutert Schulze. Im Anschluss nutzt Thyssenkrupp Uhde die Synergien der beiden Standorte Leuna und Guben und beginnt den PLA-Prozess mit der Milchsäure als Ausgangsstoff – bei anderen Produzenten ist Lactid der Ausgangsstoff. In der PLA-Anlage wird die Milchsäure zuerst durch Depolymerisation zu Lactid umgewandelt, das anschließend nach intensiver Reinigung als eigentlicher Rohstoff für die Polymerisation dient.
Die beiden industriellen Demonstrationsanlagen für Milchsäure und PLA sind ausgerüstet wie reguläre Produktionsanlagen. „Aus diesem Grund können wir den Scale-up auf 100.000 t pro Jahr und noch größer ausführen“, erklärt Hagen. „Wir wollen die Anlagen unter möglichst industrienahen Bedingungen fahren und betreiben sie daher wie jede andere Chemieanlage – nämlich mit Facharbeitern und nicht mit Wissenschaftlern. Das klappt sehr gut und ist uns besonders wichtig, damit die Anlagen an jedem Ort der Welt problemlos laufen können“, fügt Schulze hinzu.
Wiederverwertung unabhängig vom Einsatzgebiet
Neben der Produktion hat der Anlagenbaukonzern auch das Recycling des Biokunststoffes in seine Wertschöpfungskette integriert. Denn mithilfe von Wasser (Hydrolyse) lässt sich Polymilchsäure in Milchsäure zurückspalten, reinigen und wieder in PLA umwandeln. Die entsprechenden Anlagen sind am Standort Leuna installiert und zudem bei dem Anlagebauer erhältlich. Auch Verunreinigungen, die an dem zurückgeführten PLA anhaften, erzeugen keine Probleme für den Polymerisationsprozess, da die Reinigung der Milchsäure so intensiv ist, dass alle Begleitstoffe entfernt werden. „Die Nachfrage nach PLA-Produktionsanlagen kommt derzeit aus Fernost, Südasien und Russland, dort vor allem aus der Verpackungsindustrie“, berichtet PLA-Fachmann Hagen.
Anlagen-Komplexe auf Basis einer Technologieplattform realisieren
Derzeit wird auf der Multi-Purpose-Anlage eine bestimmte Menge Bernsteinsäure produziert, da ein Kunde für den Bau einer eigenen Anlage diese direkt nachgefragt hat. Dieses Verfahren ist deutlich komplexer, da dort gentechnisch veränderte Mikroorganismen zum Einsatz kommen, die im Gegensatz zu den Wildtyp-Milchsäurestämmen nur bei niedrigeren Temperaturen arbeiten. „Hier spielen Fragen wie die Sterilisation der Behälter eine größere Rolle, als bei der Milchsäureproduktion“, erklärt Schulze. Das Aufarbeitungsverfahren, also Aufreinigung und Trennung der beiden Säuren, ist jedoch das gleiche. Denn dazu hat der Anlagenbauer eine Technologieplattform entwickelt, die sich auf beide Verfahren anwenden lässt.
Auch andere Betreiber zeigten bereits Interesse an der Biotechnologie des Anlagebauers. In Louisiana in den USA wird derzeit eine Anlage in Betrieb genommen, auf der pro Jahr 13.600 t Bernsteinsäure auf biotechnologischer Basis produziert werden sollen. Weitere Anfragen aus der Chemieindustrie sind zudem bereits bei Thyssenkrupp Uhde eingegangen.