Die optimistischsten Impfstoff-Entwickler, die Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer, wollen noch im Oktober 2020 einen Zulassungsantrag stellen. Viele Experten sehen solche Schnellschüsse jedoch kritisch und rechnen frühestens Mitte 2021 mit einem brauchbaren Impfstoff. Bis dahin sollen verschiedene Medikamente zumindest Symptome lindern und es Patienten erleichtern, eine Covid-19-Erkrankung zu überstehen. In klinischen Studien hat sich bislang allerdings noch keiner der Kandidaten wie Chloroquin, Dexamethason, oder Remdesivir etablieren können.
Ein weiterer Ansatz verlässt sich auf genau die Patienten, die nach einer Corona-Infektion wieder gesund geworden sind. In deren Blut, genauer gesagt im Blutplasma, befinden sich zahlreiche Antikörper gegen das Virus. Plasma bleibt übrig, wenn aus dem Blut die roten und weißen Blutzellen sowie die Blutplättchen entfernt wurden. Reinigt man die enthaltenen Antikörper auf und injiziert sie Covid-19-Patienten, so die Idee, muss deren Immunsystem nicht erst selbst passende Antikörper zu produzieren.
Passive Immunität
Anders als bei einer tatsächlichen Impfung handelt es sich nur um sogenannte passive Immunität: Das Immunsystem des Patienten hat nicht gelernt, die nötigen Antikörper selbst zu produzieren und hat die nötigen Informationen weder erworben noch gespeichert. Der Schutz ist darum nur vorübergehend und hält maximal ein paar Monate an. Die Wirksamkeit der Therapie ist allerdings noch nicht in klinischen Studien bewiesen, auch zu möglichen Nebenwirkungen liegen noch keine ausreichenden Daten vor. Die ersten vielversprechenden Ergebnisse stammen aus einer chinesischen Studie mit lediglich zehn Teilnehmern. In Deutschland wird die Plasma-Therapie seit Ende Juni unter anderem am Uniklinikum Heidelberg untersucht.
Die US-Gesundheitsbehörde FDA ist trotz unvollständiger Ergebnisse einen Schritt weitergegangen und hat Ende August die Blutplasma-Therapie mit einer „Emergency Use Authorization“ teilweise genehmigt. Die Ausnahmegenehmigung ermöglicht den Einsatz der Therapie ausschließlich im Rahmen klinischer Studien und bei Patienten in kritischem Zustand. Die Behörde selbst ist trotz der erteilten Notfall-Genehmigung noch zurückhaltend beim Einschätzen der Erfolgschancen: Die Annahme sei vertretbar, dass die Plasmatherapie „bei einigen hospitalisierten Patienten den Schweregrad oder die Dauer der Erkrankung an Covid-19 wirksam verringern kann“, insbesondere angesichts fehlender Alternativen. Es handele sich jedoch nicht um eine neue etablierte Behandlung, und klinische Studien dazu seien weiterhin nötig.
Ein Vorteil dieser Therapiemethode wäre, dass der nötige Wirkstoff nicht erst in zeitraubenden Verfahren entwickelt und produziert werden müsste, sondern direkt zur Verfügung stünde – nämlich aus Blutplasma-Spenden von genesenen Covid-Patienten. Ganz so einfach ist die Situation allerdings auch wieder nicht: Die Plasmaspender müssen mindestens vier Wochen lang keine Symptome einer Covid-Infektion aufweisen. Die anschließende Reinigung des gespendeten Plasmas ist ebenfalls aufwendig. Aus diesen Gründen ist die Menge des für Behandlungen verfügbaren Plasmas voraussichtlich begrenzt, so dass die Plasmatherapie auch bei positiven Studienergebnissen wahrscheinlich den schwer erkrankten Patienten vorbehalten bleibt.[ak]