
Keine Standardanlage: Dass alle hochkomplexen Prozessschritte auch auf begrenztem Raum unterbrechungsfrei ablaufen und reibungslos ineinandergreifen, ist das Ergebnis langjähriger Erfahrung und kontinuierlicher Verbesserung. (Bild: Vega)
Entscheider-Facts
- Messtechnik zur präzisen Prozessüberwachung ist auch und gerade unter engen Platzverhältnissen eine Herausforderung.
- Für Pharma-Prozesse ausgelegte und angepasste Sensoren liefern zuverlässig Daten entlang der gesamten Prozesskette.
- Die hygienisch gefertigte Ausstattung ist geeignet für schnelle GMP-Hochskalierung, bei der Arbeit mit teuren Chemikalien oder zur Absicherung kritischer Prozessschritte.
Was vor 28 Jahren auf 250 Quadratmetern begann, ist heute ein hochspezialisierter Standort für Wirkstoffentwicklung und -produktion: Chemcon im Freiburger Biotech-Park betreut im Schnitt gleichzeitig rund 40 komplexe Kundenprojekte weltweit. Das Unternehmen fertigt pharmazeutische Wirkstoffe, hochreine Polymere und Feinchemikalien entlang der gesamten Entwicklungskette – von ersten Syntheseideen über Produkte für klinische Studien bis hin zur kommerziellen Fertigung von Wirkstoffen in kleinen bis mittleren Mengen, etwa für seltene Krankheiten. Auf heute 7.000 m2 Betriebsfläche entstehen die Substanzen unter GMP-Bedingungen. Dabei ist eines geblieben: die Leidenschaft für Präzision, Geschwindigkeit und technische Exzellenz. „Wir heben Prozesse schnell auf GMP-Niveau, fertigen Sonderanlagen flexibel und bieten ein breites Portfolio an Wirkstoffen und Feinchemikalien“, beschreibt Karl Kaiser, Manager Verfahrenstechnik bei Chemcon, den besonderen Anspruch: „Genau dies schätzen unsere Kunden.“
Ein umfangreiches Beispiel dafür befindet sich in einer Produktionslinie im ersten Stock, die auf rund 90 m2 ausgelegt ist und speziell für anspruchsvolle Synthese- und Aufreinigungsprozesse konzipiert wurde. Im wöchentlichen Rhythmus werden hier aus vier Ausgangschemikalien über kontrollierte Reaktionsschritte, mehrstufige Extraktionen und präzise Destillationen rund 45 kg eines hochreinen Hilfsstoffes hergestellt. Der fertige Batch erfüllt GMP-Standards und wird nach der Isolierung und Kristallisation zur Weiterverarbeitung an den Kunden in Deutschland ausgeliefert. Dass der Wirkstoffhersteller dabei nicht einfach auf bestehende Anlagenlösungen zurückgreift, sondern die Prozesse zum großen Teil eigenhändig entwickelt, optimiert, skaliert und auf die spezifischen Anforderungen zuschneidet, macht den Charakter dieses Projekts aus: Tiefes technisches Know-how trifft auf kompromisslose Qualität.
Prozesszustände farbig visualisiert
Der Herstellprozess gliedert sich in vier eng verzahnte Schritte. Am Anfang steht die kontrollierte Reaktion der vier Ausgangschemikalien in einem eigens konstruierten Reaktor. „Die Syntheseroute stand fest, aber die Optimierung sowie technische Umsetzung – vom Scale-up über die Wahl der Behälter bis zu jedem Ventil – haben wir selbst entwickelt“, betont Kaiser. Besonders anspruchsvoll war dabei die Aufreinigung der Reaktionsmischung: flüchtige Nebenprodukte werden durch schonende Destillation entfernt, wobei gleichzeitig der Ex-Schutz konsequent umgesetzt werden musste.
Nach der ersten Aufbereitung folgt die erste Filtration: Hier überwachen zwei Vegabar 38 Druckmessumformer zwei alternierende Beutelfilter. Deren robuste keramische Messzellen trotzen selbst aggressiven Prozessbedingungen – ein Muss in dem Umfeld, das zwischen Pharmazie und Chemie angesiedelt ist. Besonders praktisch für das Bedienpersonal ist die 360-Grad-Leuchtanzeige der Sensoren: Sie zeigt auf einen Blick den aktuellen Druckzustand – Weiß steht für Werte unter 50 mbar, Rot signalisiert Überdruck und Grün zeigt einen drucklosen Zustand. „Unsere Techniker erhalten am Bedienpanel im Feld die Information, welcher Filter geöffnet werden darf. Die zusätzliche Leuchtanzeige direkt an der Messstelle dient als letzte visuelle Absicherung – so wird eine Verwechslung ausgeschlossen und die Sicherheit beim Eingriff deutlich erhöht“, erklärt Kaiser.
Präzision für ein fragiles System
Eine besondere Herausforderung stellt die anschließende kontinuierliche Extraktion dar, bei der das Produkt in eine organische Phase überführt wird. Zwei Stahlbehälter – einer davon enthält das gesättigte organische Medium – bilden hier das Herzstück. Beide stehen im explosionsgefährdeten Bereich der Zone 2, was besondere Anforderungen an die Technik stellt. Zwei Vegaswing-61-Grenzstandsensoren aus Hastelloy überwachen dort zuverlässig Minimal- und Maximal-Füllstände und schützen so die Pumpe vor Trockenlauf.
Zentral für einen stabilen Betrieb innerhalb dieser sensiblen Extraktion ist zudem die 50 %-Füllstandregelung im Glasbehälter, die durch Vegapuls 6X-Radarsensoren realisiert wird. Ihre Radarsignale erfassen den exakten Lösemittelstand auch durch gekrümmtes Glas – ein entscheidender Vorteil in dieser Anwendung. Die Regelung steuert direkt die Rückgewinnung der organischen Phase über den Behälterdruck bei konstanter Temperatur. So wird sichergestellt, dass das im Rohrbündel-Wärmeübertrager rückgewonnene Lösungsmittel weder den Wärmeübertrager flutet noch im entgegengesetzten Fall der Lösungsmittelpuffer für die nachgeschalteten Pumpen trockenläuft.
Gerade in einem empfindlichen System mit langen Anfahrzeiten ist ein reibungsloser Ablauf essenziell, weshalb bewusst auf eine klassische Zweipunktregelung verzichtet wurde. Dies verhindert Siedeverzüge im Behälter und sorgt für eine stabile Temperatur der organischen Phase im Kolonnenzulauf – wodurch auf eine zusätzliche Temperaturregelung verzichtet werden kann.
Auch die Steuerung der Verweilzeit der Phasen in zwei gerührten Glaskolonnen spielt eine essenzielle Rolle: „Es steigen dabei bildhaft gesprochen kleine Tropfen ganz langsam auf. Genau das braucht es, um eine perfekte Phasentrennung zu erreichen“, erläutert Kaiser anschaulich. „Wenn die Verweilzeit zu kurz ist, haben die Tropfen nicht genug Zeit, sich vollständig zu sättigen. Ist sie zu lang, verlieren wir wertvolle Zeit.“ So greift jedes Detail in diesem fragilen Prozess ineinander, mit Präzision auf allen Ebenen.
Hochpräzise Füllstandmessung trotz Behältereinbauten
Im weiteren Prozessverlauf wird das Produkt nach einem Lösemitteltausch adsorptiv gereinigt, in einem Verfahren also, das auf fein abgestimmte Druck- und Temperaturbedingungen angewiesen ist. Neben einem 250-Liter-Behälter aus Stahlemaille, in den fünf Chemikalien dosiert werden, überwacht eine Differenzdruckmessung mit Vegabar 38 den Zustand der ausgelagerten, kontinuierlichen Adsorption, während gleichzeitig ein Vegapuls 6X-Radar-Füllstandsensor zuverlässig die Produktmenge im Behälter ermittelt. Trotz schwieriger Einbauten wie Rührwerk, CIP-Düsen und Stromstörer sind die Messergebnisse präzise. Kaiser lobt: „Durch die insgesamt vier Prozessschritte im Behälter ist dieser wirklich beladen mit Einbauten.
Ohne die 80-GHz-Technologie und den engen Öffnungswinkel des Sensors würden wir an dieser schwierigen Stelle nicht so sicher und zuverlässig messen.“
Für die hygienische Anbindung der Sensoren setzt das Pharmaunternehmen konsequent auf Tri-Clamp-Verbindungen: Drei Bauteile, keine Gewinde, optimal für die GMP-Produktion. Alles, von den Sensoroberflächen bis zu den Dichtmaterialien aus PFA und PTFE, ist FDA-konform und hoch korrosionsbeständig aus Materialien wie Edelstahl und Hastelloy.
Ex-Sicherheit einfach gemacht
Auch das Handling der Lösemittelrückstände zeigt die Raffinesse des Anlagenkonzepts, das aus der Feder des Verfahrens- und Anlagentechnik-Trios Karl Kaiser, Fabian Moritz und Holger Fischer stammt. Im angrenzenden Gefahrstofflager, ebenfalls Zone 2, sind kompakte Radarsensoren der Vega basic-Linie installiert. Die Sensoren, vollständig in PVDF vergossen, ermöglichen den sicheren Betrieb ohne aufwendige Barrieren oder eigensichere Spannungsversorgung. Dies ist ein erheblicher Vorteil bei Kosten, Platzbedarf und Betriebssicherheit. „Die einfache Verkabelung spart uns Tage beim Aufbau und hält die Anlage wunderbar übersichtlich“, so Kaiser.
Zum Abschluss des Prozesses wird das Endprodukt noch im gleichen Behälter unter genauer Temperaturführung kristallisiert und anschließend in eine Stahlemail-Filternutsche zur Wäsche, Isolation und Trocknung überführt. Dabei sorgt ein Zyklonabscheider für eine effiziente Abtrennung der Feststoffe, ohne dass der Tank geöffnet werden muss - auch dies ein erheblicher Beitrag zur Produktsicherheit. Hier misst ein weiterer Vegapuls 6X-Radar-Füllstandsensor die eingetragene Gemischmenge präzise. Dank der speziell ausgewählten Kunststoff-Hornantenne mit einem Abstrahlwinkel von 3° bewältigt der Sensor die engen Platzverhältnisse und misst zuverlässig trotz beweglicher Hebe- und Senkvorrichtung in der Filternutsche. „Unser Ziel ist es, den Filterkuchen feucht zu halten und die Lösemittelmenge darüber möglichst gering zu halten. So läuft die Produktwäsche effizient, und wir erreichen die gewünschte Reinheit sowie Austragsbedingungen nach der Trocknung“, erklärt Kaiser. Dass viele dieser hochkomplexen Schritte kontinuierlich ablaufen und reibungslos ineinandergreifen, ist das Ergebnis harter Arbeit und echten Tüftlergeists. „Wir verlassen uns nicht auf Standardlösungen. Jede Anlage, jedes Ventil, jeder Sensor ist Teil unseres eigenen Designs“, betont er.
