Mit einer neuen Strategie und Methoden der synthetischen Biotechnologie rücken Wissenschaftler der TU München dem Problem nun zu Leibe – und haben nebenbei einen Baukasten für die Synthese ganz neuer Arzneistoffe entwickelt.
Der Wirkstoff Taxol wird als Medikament gegen Brust-, Eierstock- und Lungenkrebs eingesetzt – doch er entstammt einer geschützten Eibenart (Taxus brevifolia) und ist entsprechend selten. Omega-3-Fettsäuren, wie sie Säuglingsnahrung zugesetzt werden, entstammen dagegen Fischen und Krebstieren – die Gewinnung stellt eine zusätzliche Belastung für die ohnehin schon stark beanspruchten marinen Ökosysteme dar. Diese dennoch nachhaltig zu gewinnen, hat sich eine Arbeitsgruppe um Thomas Brück, Professor für Industrielle Biokatalyse an der Technischen Universität München zum Ziel gesetzt. Das Team kombiniert dazu Methoden der Biochemie, Bioinformatik und Biotechnologie.
Brück und seinem Team ist es nun gelungen, die bislang nicht biotechnologisch genutzte Hefe Trichosporon oleaginosus genetisch so zu verändern, dass sie die essentiellen Omega-3-Fettsäuren Alpha-Linolensäure (ALA), Eicosapentaensäure (EPA) sowie entzündungshemmend wirkende konjugierte Linolensäuren (CLAs) herstellt. Als Energiequelle kann die Hefe dabei Nährmedien auf Basis von fast allen in der Agrarwirtschaft anfallenden Abfällen wie Stroh, Holzspäne, Weizenkleie und sogar bisher ungenutzte marine Reststoffe wie Krabbenschalen verwerten. Geraten Trichosporon oleaginosus-Zellen in der Natur unter Stress, lagern sie Fette als Energiereserve ein.
Von der Simulation zum maßgeschneiderten Enzym
Einen Schritt weiter geht eine Methodik auf Basis molekularmechanischer Computersimulationen: Dadurch konnten die Forscher die einzelnen Schritte aufklären, mit denen eine bestimmte Klasse von E
nzymen Wirkstoffe herstellt. Zu diesen gehören auch Vorstufen des Krebsmedikaments Taxol. Allein durch Simulationen am Computer gelang es Brück und seinem Team erstmals, sämtliche Zwischenschritte der an diesem Enzym ablaufenden komplexen Kaskade von Reaktionen korrekt vorherzusagen. Auf diese Weise konnten sie aufklären, wie das Enzym genau arbeitet und wie dessen Struktur und Funktion zusammenhängen. Mit klassischen biochemischen Methoden war dies zuvor nicht möglich gewesen.
„Dieses Vorgehen ist sehr vielversprechend, denn auf Basis der Simulationen können wir Enzyme gezielt verändern und die daraufhin entstehenden Produkte vorhersagen“, sagt Brück. „Wenn wir dann noch verschiedene solcher Enzyme miteinander verschalten, ist es sogar möglich, komplett neue Moleküle zu schaffen, die in der Natur gar nicht vorkommen.“
Durch Verschalten einer Diterpensynthase mit einer Hydroxylase-Reduktase in einem Escherichia coli-basierten Produktionsystem entwickelten die Wissenschaftler eine effiziente Synthese des trihydroxylierten Diterpens Cyclooctatin, einem potenten Entzüngungshemmer. Am Computer identifizierten sie eine für Diterpenmakrozyklen spezifische Reduktase im erst kürzlich beschriebenen Genom des Bakteriums Streptomyces afghaniensis. Die biotechnologische Nutzung dieses Proteins ermöglichte es den Wissenschaftlern, die Ausbeute des Wirkstoffes im Vergleich zum nativen Produzenten um einen Faktor 43 zu erhöhen.
In Zukunft könnten Biotechnologen einmal ähnlich wie Ingenieure vorgehen, die am Computer die Produktionsschritte für ein neues Auto entwerfen. Mit dem Wissen der Synthetischen Biotechnologie könnten sie dann den Syntheseweg zu einem neuen Wirkstoff aus einer Kette von Reaktionen modifizierter Enzyme zusammenstellen. Das lange und sehr aufwendige „Austüfteln“ neuer Synthesewege im Labor, wie es heute notwendig ist, würde damit erheblich verkürzt. Aufgrund des enormen Potenzials dieser Methoden hat die Technische Universität München Anfang Mai den Lehr- und Forschungsschwerpunkt Synthetische Biotechnologie ins Leben gerufen.