- Nach Schätzungen der WHO sind weltweit 10 % der vertriebenen Medikamente Fälschungen.
- Das elektrochemische Muster eines Arzneimittels kann als weiteres wirksames Mittel gegen Produktpriaterie dienen.
- Ein vom Hersteller erstellter elektrochemischer Fingerabdruck kann von jedem Beteiligten in der Lieferkette – und sogar vom Endverbraucher selbst – schnell und preiswert kontrolliert werden.
Um Produktfälschungen zu erkennen, werden bislang verschiedene Parameter herangezogen. Mit primären Parametern wird das Produkt direkt gekennzeichnet, Verpackungen, Organisationsformen oder Gesetze sind dagegen sekundäre Parameter. Für die primären Parameter steht bisher nur die chemische Analyse zur Verfügung; für die sekundären Parameter gibt es die vielfältigsten Maßnahmen und Ideen [1][2][3][4][5]. Dazu zählen kryptographische Markierungen, Farbcodes, chemische Marker, RFID, Datamatrix Code, optische Prägungen, Hologramme und die Gesetzgeber wie die EU oder einzelne Länder.
Bis zu 40 % der Medikamente sind Fälschungen
Nach Schätzungen der WHO sind weltweit 10 % der vertriebenen Medikamente Fälschungen. In manchen Ländern erreicht die Fälschungsrate sogar 40 %. Die österreichische Ärztezeitung benennt das Problem für den Verbrauch deutlich: „Für den einzelnen Bezieher von Waren aus dem Internet…ist es außerordentlich schwierig, selbst festzustellen, ob ein Arzneimittel „echt“ ist oder „gefälscht“ …lassen sich Inhaltsstoffe ausschließlich durch chemische Analysen genau identifizieren“[3].
Hier kann das elektrochemische Muster helfen und ein weiteres wirksames Mittel gegen Produktpriaterie sein: Ein vom Hersteller erstellter elektrochemischer Fingerabdruck kann von jedem Beteiligten in der Lieferkette – und sogar vom Endverbraucher selbst – schnell und preiswert kontrolliert werden. Dem „Bezieher von Waren“ wird es so selbst möglich, Abweichungen festzustellen und sachkundig zu entscheiden.
Elektrochemische Kennung ohne teure Laborgeräte
Die bisher eingesetzten Mittel gegen eine Produktpiraterie bei Tabletten betreffen im wesentlichen sekundäre Parameter. Primäre Produktparameter werden, wie bereits genannt, durch eine chemische Analyse ermittelt. Sie führt bis zu den Wirkstoffen und ihren bisweilen sehr geringen Konzentrationen. Die dafür nötigen Meßgeräte sind teure und große Laborgeräte wie Massenspektrometer, Chromatografen, ELISA oder Photometer. Diese Gerätetechnik ist für den Verbraucher bzw. Patienten nicht erreichbar.
Eine Kennung mittels einer Elektronischen Zunge nutzt das Phänomen, dass ionische Lösungen eine Nernst-Spannung erzeugen. [6][7][8][9]. Dazu muss die Tablette in eine Suspensionsform gebracht werden, so dass sie als Elektrolyt mit Ionen wirkt. Dann lässt sich für diese Suspension ein Vektor aus den elektrochemischen Spannungen zur Kennung bilden. Wird dieser Vektor in einem elektronischen Speicher abgelegt, kann jeder eine solche Tablette mit einer Elektronischen Zunge an jedem Ort der Welt ausmessen und auf das Zutreffen der hinterlegten Kennung überprüfen [10][12].Damit wird auch der fachliche Laie in die Lage versetzt, die Originalität auf dem Niveau der Ionen festzustellen. Dazu muss aber die Originalware vom Hersteller mit einer solchen Kennung mittels einer Elektronischen Zunge versehen werden.
Elektronische Zunge liefert Fingerabdruck einer Lösung
Eine Elektronische Zunge, die die Erzeugung von schwachselektiven Nernst-Spannungen für ihr Funktionsprinzip nutzt, ist die Jenaer Elektronische Zunge Multiionen- Sensoriccard [6]. Ohne einen zusätzlichen Hilfsstrom werden galvanische bzw. elektrochemische Spannungen entsprechend der Nernst-Gleichung UNernst ~In (f(Ionen)) in einem Elektrolyten erzeugt. Jede Messelektrode liefert eine eigene Funktion von allen im elektrolytisch wirkenden Messobjekt zur Verfügung stehenden Ionen, so dass ein Muster entsteht, wenn mehrere Elektroden aus unterschiedlichen elektrisch leitenden Materialien eingesetzt werden [8].Der Messkopf wird auf das Messobjekt aufgesetzt oder bei Flüssigkeiten in diese eingetaucht. In Sekundenschnelle werden die entstehenden Spannungen von einer Elektronik erfasst und über Rechner verarbeitet.
Die Spannungen bilden einen Beschreibungsvektor in Form von Vektorkomponenten, der zur Kennung genutzt wird. Er ist, einfach ausgedrückt, ein Fingerabdruck des Zustandes des Messobjektes auf dem Niveau der Gesamtwirkung aller vorhandenen Ionen, d.h. er ist nicht bzw. kaum geeignet, einzelne chemische Inhaltstoffe zu ermitteln. Das bleibt den chemischen Analyselaboratorien vorbehalten. Dafür eröffnet die Methode jedem die Möglichkeit, mit einem kleinen Taschengerät an die Information heranzukommen, die als Geschmack bei der physiologischen Beurteilung im menschlichen Gehirn erkannt aber ganz allgemein auf alle Objekte, die Ionen enthalten, erweiterbar ist [9][10][11][12][13].
Die Methode eignet sich insbesondere dazu, die Originalität von Tabletten festzustellen. Darüber hinaus ist sie auch für andere Erkennungsaufgaben u.a. des täglichen Bedarfs und der Qualität von Lebensmitteln einsetzbar, so dass höhere Produktstückzahlen auch geringere Preise erlauben.
Arzneimittel werden vom Hersteller „beschrieben“
Zur Demonstration des Vorgehens bei der Tablettenkennung und -erkennung werden für drei blutdrucksenkende Arzneien ihre Vektorkomponenten ermittelt (Bild 2). Die Beschreibung erfolgt über acht Messkanäle und ist ausreichend fein bei 12 Bit Auflösung. Diese muss nun nach statistischen Gesichtspunkten vom Hersteller aufgestellt und mit einem zulässigen Schwankungsbereich versehen werden. Diese Anlernphase basiert auf der mathematischen Objekt- bzw. Mustererkennungstheorie und der elektrochemischen Kennung der Arznei. Bei einer Prüfung auf Originalware wird der dann erhaltene Vektor mit diesem verglichen. Fällt er in den zulässigen Bereich, so kann man davon ausgehen, dass Originalware vorliegt. Das Produkt wird also auf dem Niveau der Gesamtheit seiner vorhandenen Ionen wiedererkannt (Erkennungsphase).
Viagra: Original oder Fälschung?
In der Statistik der gefälschten Tabletten stehen Potenzmittel ganz weit oben. Viagra als eines der bekanntesten Präparate ist davon ebenfalls betroffen. In Bild 3 ist eine solche Tablette mit acht Vektorkomponenten beschrieben. Wird nun vom Hersteller für den zulässigen Schwankungsbereich die statistische Verteilungskurve ermittelt und für die Wirkstoffe und Zusatzstoffe ebenfalls bei Variation ihrer Konzentrationen die Verteilungskurven, dann lässt sich dies als Reservoir von Klassen speichern (Anlernphase). Bei der Kontrolle auf Originalität vergleicht nun eine Mustererkennungssoftware eine zu prüfende Tablette mit den gespeicherten elektrochemischen Spannungen der Elektronischen Zunge (Vektoren bzw. Klassen) und stellt die Übereinstimmung innerhalb eines zulässigen Spannungsbereiches fest oder nicht.
Mit dieser Prozedur, bei der Verbraucher lediglich eine Suspension mit der Elektronischen Zunge berühren müssen, aber alle anderen Schritte dem Hersteller und der heute möglichen elektronischen Datenspeicherung und Kommunikationstechnik überlassen bleibt, ist eine Barriere durchbrochen. Der Verbraucher wird in die Lage versetzt, selbst die Produktqualität festzustellen zu können: Er ist Herr über seine Kaufentscheidung.
Die Kennung durch die Elektronische Zunge eignet sich für Arzneien, die Ionen zur Verfügung haben – d.h. flüssige und feste Formen. Flüssigkeiten und zum Teil auch Salben können ohne Probenvorbereitung mit der Elektronischen Zunge berührt werden. Im Augenblick der Berührung werden die benötigten Nernst-Spannungen erzeugt und können mit dem zulässigen Schwankungsbereich verglichen werden. Bei Messwiederholungen ist die mathematische Theorie der Stichproben heranzuziehen. Für den Verbraucher ist dies meist zu aufwendig. Er kann erwarten, dass schon nach einer einzigen Kontrollmessung mitgeteilt wird, dass es sich um Originalware handelt. Dies wird durch Klassifizierungsverfahren möglich, so dass der Testende keine Kenntnisse über die im Hintergrund ablaufenden Meßwerteerfassung und die Berechnungen benötigt.