Overall Equipment Effectiveness in der Tablettenproduktion
  • Die Produktion der Zukunft muss flexibler, schneller und preisgünstiger als bisher sein. Auf dem Weg dahin werden solide Kennzahlen benötigt, um den Fortschritt zu messen.
  • Die Overall Equipment Effectiveness (OEE) hilft dabei, Verbesserungsmaßnahmen zu bewerten.
  • Das größte Potenzial zur Steigerung der Effektivität bergen die Arbeitsschritte beim Produktwechsel.
  • Durch Optimieren der Reinigung steigt die Anlagenverfügbarkeit unmittelbar. Gleichzeitig erhöht sich die Ausbringung der einzelnen Maschinen. Außerdem kann die Produktionsgeschwindigkeit gesteigert werden.

Auf dem Weg dahin werden solide Kennzahlen benötigt, um den Fortschritt zu messen. Durch entsprechende Maßnahmen lassen sich auch bei einzelnen Produktionsschritten, zum Beispiel bei der Tablettenherstellung, über die Jahre Millionenbeträge einsparen. Ausgangspunkt ist die Bestandsaufnahme der Prozesse. Für ein pharmazeutisches Unternehmen, das in der Produktion drei Tablettenpressen einsetzt, wurden die Arbeitsfelder Werkzeug-Management, Wartungsmanagement, Training und Produktionsgüte untersucht.

Verbesserungspotenzial beim Werkzeugmanagement
Die Bestandsaufnahme für das Werkzeugmanagement kam zu folgenden Ergebnissen: Die Pressenstempel werden momentan in einem Umlaufregal gelagert. Jedes Fach beinhaltet einen Stempelsatz (Ober- und Unterstempel). Diese liegen in einzelnen Kunststofffächern im Regalfach. Die dazugehörigen Matrizen haben ein eigenes Regalfach. Alle Stempel sind nummeriert und in einer Datenbank mit Lagerplatz gespeichert.

Die Verwaltung ist vorbildlich, allerdings ist die Lagermethode mehr als bedenklich. Jeder Stempel muss einzeln angefasst und aus dem Lager herausgeholt werden. Die Stempel werden entnommen und auf einem Wagen abgelegt. Als unterlagen dient eine Stoffbahn von einer Endlos-Rolle. Beim Schieben des Wagens zum Pressraum oder zum Rotor kann es vorkommen, dass die Stempel sich bewegen und mit der Pressfläche aneinanderschlagen. Dies führt unweigerlich, nach der Kontrolle der Stempel, zu fehlpressungen und schlechten Tabletten. Dies hat zur Folge, dass eventuell die gesamte Charge nicht verwendet werden kann / darf.

Die Stempel werden momentan per Hand in einem Ultraschallbad gereinigt. In dieser Wanne können die Stempel aneinanderschlagen, besonders beim Hineinlassen und Herausholen aus dem Bad. Zudem müssen die Stempel nacheinander gereinigt werden. Nach dem Ultraschallbad werden die Stempel mit VE-Wasser abgespült, nochmals mit Alkohol eingesprüht und dann mit Druckluft getrocknet. Der Vorgang dauert pro Satz, inklusive Matrizen und/oder Segmenten, bis zu 240 min. Die Stempel werden mometan manuell vermessen. Es besteht eine Vorrichtung, die jeweils einen Stempel aufnehmen kann. Der Stempel wird in die Aufnahme hereingeschoben und gedreht auf einer ebenen Fläche abgestellt. Dann wird mit einer Messuhr der tiefste Punkt im Stempel gesucht und abgeschrieben. Dieser Wert wird per Hand in die Datenbank übertragen. Anschließend wird mit der Messuhr der höchste Punkt gemessen und dieser auch in die Datenbank eingetragen. Die Software berechnet dann anschließend automatisch die Prägetiefe. Dieser Vorgang dauert pro Stempel ca. 8 min und nimmt etwa 705 Stunden Zeit pro Jahr in Anspruch. Die Stempel werden momentan per Hand poliert. Durch das Polieren per Hand kann es passieren, dass die Stempel abgerundet werden. Die Gravuren altern vorzeitig und die Stempel haben dadurch eine kürzere Standzeit. Der Poliervorgang für einen kompletten Satz liegt bei zirka vier Stunden. Dabei wird allerdings nur die Pressfläche des Stempels poliert.

Enormer Zeitaufwand bei der Wartung
Die Wartung und Kalibrierung der Maschine wird von zwei eigenen Technikern durchgeführt. Die mechanische Überprüfung der Presse wird durch einen Mechaniker sichergestellt und die elektrische Überprüfung sowie Kalibrierung wird durch einen Elektriker erledigt. Die Maschine wird dafür rund fünf Tage außer Betrieb genommen. Der aktuelle Zeitaufwand liegt also bei ca. 120 h pro Presse pro Jahr.

Der Grund für diesen hohen Zeitaufwand liegt darin, dass die Mitarbeiter oft von der Maschine abgezogen werden, um akute Probleme in der Produktion zu lösen. Zudem arbeiten die beiden Personen in nur einer Schicht. Dadurch steigen die Stillstandszeiten signifikant. Da Instandhaltung und Kalibrierung sehr umfangreich protokolliert werden müssen, ist eine schnelle und dennoch effektive Wartung und Instandhaltung nicht möglich. Die ca. 25 Teile einer Maschine werden von einer Einzelperson manuell gewaschen. Der Vorgang dauert im Schnitt für ein Teil ca. 10 min, insgesamt also rund vier Stunden. Zusätzlich werden die Teile, die nicht eintauchbar sind, manuell gereinigt (ca. 0,5 h). Teile und Komponenten werden momentan ohne System auf einen mehrstöckigen Apothekerwagen gestapelt.

Stark unterschiedlicher Trainingsbedarf
Der Grad der Mitarbeiterqualifikation ist in dem Produktionsbetrieb stark unterschiedlich ausgeprägt. Für die Bediener wurde ein Wissensstand mit 28 von 100 möglichen Punkten festgestellt. Da die Qualität des Produktes direkt in Verbindung mit dem Wissensstand der Bediener steht, wurde dringend empfohlen die Bediener zu schulen. Der Wissensstand der Elektriker liegt im unteren Mittelfeld (40 von 100 Punkten), sie haben bisher noch keine Maschinen-Schulung erhalten. Der Wissensstand der Mechaniker ist sehr gut, da diese während des Technikerbesuchs vom Maschinenhesteller anwesend waren und an den durchzuführenden Inspektionen teilgenommen hatten. Hier besteht kein Handlungsbedarf.

Deutliches Potenzial zur Produktivitätssteigerung
In dem Betrieb werden runde Tabletten mit einem Durchmesser von acht Millimetern produziert. Die aktuelle Ausbringung liegt bei 600.000 Tabletten pro Stunde. Produziert wird mit einem EU19 (19mm) Werkzeug mit 79 Stationen (Matrizen). Die Maschinendrehzahl liegt bei 83 Umdrehungen. Die Produktionszeit pro Charge liegt momentan bei ca. 20 Stunden ohne Stop.

Um die Ausbringung zu steigern, wurden folgende Empfehlungen ausgesprochen: Durch Einsatz eines FS12 (12mm) Werkzeug- und Segment-Rotor lässt sich die Ausbringung bei gleicher Geschwindigkeit um 200.000 Tabletten auf 700.000 Tabletten pro Stunde steigern. Die Produktionszeit pro Charge beläuft sich damit auf ca. 14 Stunden ohne Stop. Die Einsparung pro Charge beläuft sich somit auf ca. 6 Stunden. Bei einer Produktionsauslastung von insgesamt 300 Chargen im Jahr beläuft sich die aktuelle Produktionszeit auf etwa 6000 Stunden. Mit der vorgeschlagenen Verbesserung konnte diese Zeit um ca. 1700 Stunden auf 4300 Stunden gesenkt werden. Bei einem Maschinenstundensatz von 100€ würde sich die Investition für einen Rotor mit Segmenten und Stempeln plus die Qualifizierung des neuen Rotors innerhalb eines Jahres rechnen. Hier wäre es auch möglich einen Mehrfachstempel einzusetzen. Allerdings verliert man dadurch die hundertprozentige Kontrolle der Presskraft auf die einzelne Tablette. Daher wurde dieser Weg nicht gewählt, welcher aber, falls die Qualität nicht so entscheidend ist, möglich gewesen wäre.

Daneben wäre eine dauerhafte Kontrolle des Gewichtes während der Produktion ratsam. Dies kann kostengünstig durch einen Weightmaster erfolgen. Dadurch entfallen ungeplante Stopps, die durch große Gewichtsschwankungen und erneutes Einrichten anfallen können.

Analyse offenbart Stärken und Schwächen
Zu den Stärken des Anwenders zählt das Rüsten der Maschinen. Es sind viele unterschiedliche Wechselrotoren vorhanden und es werden vorzugsweise die gleichen Maschinentypen eingesetzt, was die Anschaffung neuer und zusätzlicher Rotoren begünstigt. Beim Produktwechsel wird der komplette Rotor ausgebaut und außerhalb der Maschine umgerüstet und gereinigt. Während des Maschinenlaufs wird ein anderer Rotor vorgerüstet und dieser wird direkt eingebaut. Dadurch werden Rüstzeiten beim Werkzeugwechsel minimiert.

Die Pressräume liegen alle zentral und dicht beieinander, was für kurze Wege sorgt. Ein großer Waschraum zwischen Pressräumen und Werkstatt ist über automatische Türen gut zu erreichen. Das Stempellager befindet sich unmittelbar in der Nähe der Werkstatt. Zum Umrüsten und Reinigen der Maschine und Teile steht genügend Manpower zur Verfügung. Die Stempellagerung ist vorbildlich: Stempel und Rotoren werden mit einer Datenbank verwaltet, die auch von den Messmaschinen mit Daten beliefert wird. Dadurch stehen für jeden Stempelsatz mehrere Messprotokolle zur Verfügung.

Die größte Schwäche des Anwenders besteht darin, dass keine Hilfsmittel zum Reinigen der Teile vorhanden sind. Der Einsatz von Spülmaschinen für Stempel und Teile könnte viel Zeit sparen. Während der Lagerung und dem Transport der Stempel werden diese zu oft angefasst. Hier wären Stempelkörbe, in denen die Stempel senkrecht, mit der Pressfläche nach unten stehen, ratsam.

Die Reinigung der einzelnen Teile nimmt zu viel Zeit in Anspruch. Das Polieren der Stempel wird manuell erledigt. Daraus ergeben sich gleich zwei Nachteile:

  • ungleichmäßiges Polieren
  • hoher Zeitaufwand pro Stempelsatz

Der Wissensstand der Bediener und Techniker liegt deutlich unter 50%. Von Nachteil ist außerdem, dass Wartung, Instandhaltung und Kalibrierung selbst ausgeführt werden. Dadurch ist die Maschine für ca. fünf Tage komplett außer Betrieb. Das größte Potenzial zur Steigerung der Effektivität bergen allerdings die Arbeitsschritte beim Produktwechsel. Durch optimieren der Reinigung steigt die Anlagenverfügbarkeit unmittelbar. Gleichzeitig erhöht sich die Ausbringung der einzelnen Maschinen. Außerdem kann die Produktionsgeschwindigkeit gesteigert werden.

Um den maximal errechneten OEE-Wert zu erreichen ist eine einmalige Investition von 399.040 Euro notwendig. Dazu kommt ein jährlicher Betrag von 14.250 Euro für die Wartung durch den Pressenhersteller. Die dadurch möglichen Einsparungen betragen jährlich 488.750 Euro und über eine Laufzeit von acht Jahren 3.910.000 Euro.

Fazit: Durch die beschriebenen Maßnahmen lassen sich die OEE-Kennwerte verdoppeln, die Maßnahmen amortisieren sich in weniger als einem Jahr. Eine OEE-Betrachtung schafft also Transparenz und ermöglicht eine fundierte Entscheidungsfindung.

 

DREI FRAGEN an Fabian Prehn, Fette Compacting
„Signifikant bessere OEE“

P+F: Wo sehen Sie in der Praxis bei der Tablettenproduktion heute das größte Verbesserungspotenzial?
Prehn: Das größte Verbesserungspotenzial liegt in der Steigerung der Ausbringung und in der Verfügbarkeit der Maschinen. Vorhandene Maschinen werden vielfach nicht ausgelastet, ihre Potenziale nicht optimal genutzt. Ursachen sind zu hohe geplante und ungeplante Stillstandszeiten. Die Rüst-/ Reinigungs- und Produktwechsel-Zeiten stellen nach unseren Erfahrungen, aus den durchgeführten Bestandsaufnahmen bei Anwendern, die größten Zeitverluste dar. Hier können auch relativ schnell Verbesserungseffekte eingefahren werden. Wir erleben immer wieder, dass eine Optimierung der Werkzeugreinigung eine Reduzierung der Reinigungszeit einfährt, mit einer signifikanten Verbesserung des OEEs. Gleiches gilt für eine Bewertung und Neudefinition der Rüst- und Produktwechsel-Abläufe.

P+F: Welche Maßnahmen bringen den größten und schnellsten Kosten-Nutzen-Effekt?
Prehn: Ein großer Kosten-Nutzen-Effekt wird durch eine Erhöhung der Ausbringung erzielt. Durch die Steigerung der Ausbringung werden die Produktionskosten des Produktes gesenkt und die Produktionskapazität erhöht. Die Ausbringung ist abhängig von den Rüst-/ Reinigungs- und Produktwechsel-Zeiten (siehe zuvor) und dem Tablettenoutput pro Zeiteinheit. Umrüstungen auf neuere Werkzeuge und Segmente erhöhen den Output, bei gleichbleibenden Drehzahlen, um bis zu 40%. An diesen Stellschrauben lässt sich nach unserer Erfahrung gut und auch am schnellsten drehen. Das Ergebnis ist allerdings von der Ausgangssituation abhängig. Unsere Erfahrung: Das Potential ist (fast) überall noch gegeben.

P+F: Welche Investition sollten insbesondere kostengetriebene Lohnhersteller auf jeden Fall prüfen, um die OEE zu steigern?
Prehn: Ein unter Lohn fertigendes Unternehmen steht unter einem besonderen Kostendruck. Hier konzentriert sich der Produktionsverantwortliche auf die Steigerung der Ausbringung und die Reduzierung der Produktionskosten. Durch eine schnellere Produktion werden zusätzliche Kapazitäten auf den Maschinen gewonnen. Dazu siehe auch meine vorherigen Antworten. Wegen einer hohen Anzahl verschiedener Produkte ist die Flexibilität in der Produktion eines Lohnherstellers wichtig. Produktwechsel sind hier häufiger als bei Blockbustern anzutreffen. Die Maschinen müssen dem Rechnung tragen, tun sie heute auch durch eine drastische Reduzierung der Wechsel- und Umrüstzeiten.
Die Materialausbeute steht auch im Fokus: Mit den eingesetzten Rohstoffen ist eine größtmögliche Ausbeute zu erzielen. Auch dafür gibt es inzwischen eine Reihe von Optimierungsmöglichkeiten, von der Befüllstation, über die Abstreifer und Materialwiederzuführung, bis zur Reduzierung der Tablettenfehlpressungen. Last but not least der Tipp: mich anrufen und fragen.

 

ZUM BEGRIFF
Overal Equipment Effectiveness

Der Begriff Overall Equipment Effectiveness (OEE), übersetzt Gesamtanlageneffektivität (GAE), bezeichnet eine vom Japan Institute of Plant Maintenance erstellte Kennzahl. Sie ist als Kennzahl eines der Ergebnisse im Zuge der jahrzehntelangen Entwicklung des TPM-Konzeptes (TPM = Total Productive Maintenance). Die Gesamtanlageneffektivität ist ein Maß für die Wertschöpfung einer Anlage. Der OEE Wert ist als das Produkt folgender drei Faktoren Verfügbarkeit, Leistung und Qualität definiert. Der Wertebereich der einzelnen Faktoren, wie auch der gesamten Kennzahl, liegt zwischen 0% und 100%. Die Definition der Kennzahl kann in keiner Norm nachgelesen werden. Sie wird individuell auf das anwendende Unternehmen zugeschnitten.

 

 

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Fette Compacting GmbH

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