P+F: Welche Trends bewegen Ihre Branche zurzeit?
Michael Benjamin: Diosna bietet Maschinen sowohl für den Pharma- als auch für den Lebensmittelbereich, insbesondere für Bäckereien. In diesen beiden Bereichen gehen die Trends teilweise auseinander. Im Pharmabereich geht der Trend in Richtung modular aufgebaute Maschinen. Auch Isolatortechnologie und Containment für den Umgang mit hochpotenten Wirkstoffen sind sehr gefragt. Was wir ebenfalls beobachten, ist, dass viele Pharmafirmen verstärkt auf Outsourcing setzen, also die Produktion nach extern an Lohnhersteller übergeben. So kann der Originator seinen Fokus auf Forschung, Entwicklung und Marketing setzen.
Im Foodbereich geht es eher um Themen wie Clean Label, also etwa die Reduktion von Backmitteln und das Weglassen von Zusatzstoffen, insbesondere E-Nummern. Eine lange Haltbarkeit ist heute sehr gefragt. Hier kommen zum Beispiel unsere Sauerteig- und Starterkulturen zum Einsatz. Diese Milchsäurebakterien sorgen durch einen gesenkten pH-Wert für eine längere Haltbarkeit bei Broten und Backwaren.
Eher negative Trends sind die aktuelle Ressourcen- und Materialknappheit auf dem Weltmarkt, auch die muss man erwähnen. Diese ist für alle Maschinenhersteller ein wichtiges Thema. Wir sprechen hier beispielsweise über die Verfügbarkeit von Netzwerkkarten oder Bedienpanels. Hinzu kommt die Energiekrise, doch auch da bieten wir Lösungen. Wir untersuchen zum Beispiel im Bäckereibereich, bei welcher Beladung wir die optimale Knetung mit optimalem Energieeinsatz erreichen. Dazu werden Energiekurven generiert und dem Kunden bereitgestellt. Der Betreiber kann mit dieser Prozessoptimierung also auch Energie sparen.
Zur Person Michael Benjamin
Michael Benjamin war als Pharmaingenieur über zehn Jahre in verschiedenen Entwicklungsabteilungen pharmazeutischer Hersteller tätig. Seit mehr als sechs Jahren arbeitet er nun beim Anlagen- und Maschinenbauer Diosna und ist heute als Head of Technology zuständig für das neue Diolab.
P+F: Betrifft das Outsourcing auch die Forschung und Entwicklung?
Benjamin: Es gibt Lohnhersteller, die von der Entwicklung eines Produktes bis zur Produktion im Großmaßstab alles anbieten. Das ist ein Schritt, der für einen Originator optimal ist, da das Know-how in einem Betrieb liegt. Dann sind die Entwickler auch beim Scale-up involviert und können das Wissen auch auf die größeren Anlagen transferieren.
P+F: Ist es auch für Ihr Unternehmen ein Ziel, alles aus einer Hand bieten zu können?
Benjamin: Der Gedanke ist ja nicht neu – die Tendenz gab es sowohl im Pharma- als auch im Foodbereich schon lange. In unserem Technikum, dem Diolab, führen wir die Kunden durch beide Bereiche, die räumlich miteinander verbunden sind. Durch dieses Zusammenwachsen beider Bereiche geben wir auch einen Blick über den Tellerrand: Kunden aus dem Foodbereich sehen zum Beispiel „Ah, mit dieser Maschine aus dem Pharmabereich können wir auch unsere Produktion angehen.“
P+F: Wie viele Überschneidungen gibt es tatsächlich in der Ausrüstung dieser beiden Branchen?
Benjamin: In speziellen Foodanwendungen werden pharmazeutische Maschinen eingesetzt, beispielsweise High-Shear-Granulierer. Mit diesen Maschinen lassen sich auch Gewürze, Cerealien für Riegel, Eisteepulver oder auch Sandkuchenmasse herstellen. Viele unserer Kunden arbeiten für solche Anwendungen mit unseren pharmazeutischen Maschinen, weil sie gute Ergebnisse und kurze Mischzeiten von maximal zwei Minuten erhalten.
Ein anderes Beispiel ist das Aufsprühen von Enzymen auf einen Trägerstoff. Solche Backmittel-Zusatzstoffe lassen sich gut auf einer pharmazeutischen
Wirbelschichtanlage produzieren. Mit den typischen Bäckereimaschinen wäre das nicht möglich. Durch unsere Kompetenz in beiden Bereichen sind solche bereichsübergreifenden Projekte leichter zu realisieren.
P+F: Inwiefern hat das Scale-up, also der Sprung von der Entwicklung in den Produktionsmaßstab, an Bedeutung gewonnen?
Benjamin: Der entscheidende Faktor hier sind die Kosten. Jeder Prozess beginnt in der Regel im Kleinmaßstab, etwa mit Feasibility-Batches oder Klinik-Mustern. Bei guten Ergebnissen muss man dann schnell ein Scale-up umsetzen und den Prozess in den Produktionsmaßstab übertragen. Wenn das Scale-up nicht funktioniert, kann es sehr teuer werden: Eine verlorene Charge kann dann schon einen Verlust von vier- bis fünfhunderttausend Euro bedeuten. Hinzu kommt, dass immer potentere Wirkstoffe auch immer teurer werden. Entsprechend gewinnt der Faktor Kosten an Bedeutung. Gleichzeitig muss es schnell gehen, um eine schnelle Markteinführung zu ermöglichen. Das Scale-up muss also im ersten Anlauf gelingen.
P+F: Was macht diese Skalierung zu einer besonderen und oft unterschätzten Herausforderung?
Benjamin: Granulier- und Mischprozesse lassen sich nur mit dem richtigen Know-how hochrechnen. Eine wichtige Größe ist hierbei die sogenannte Froude-Zahl, welche das Wechselspiel zwischen der Zentrifugalkraft – Partikel werden gegen die Mischbehälterwandung gedrückt – und der Zentripetalkraft darstellt und somit gute Rückschlüsse auf die Verdichtung des Materials liefert. Hier ist zu beachten, dass kleine Mischer relativ gesehen viel stärkere Motoren haben als Produktionsmaschinen und somit auch viel höhere Rotationsgeschwindigkeiten des Mischwerkzeugs erreicht werden können. Dies muss im Entwicklungsstadium stets beachtet werden. Durch solche Effekte ist schon im Kleinmaßstab ein Bereich vordefiniert, in dem sich einzelne Parameter bewegen müssen. Tun sie das nicht, lässt sich der Prozess unter Umständen nicht mehr skalieren. Hier ist eine gewisse Erfahrung hilfreich, mit der wir unsere Kunden unterstützen. Aufgrund langjähriger Untersuchungen haben wir speziell für unsere Maschinen Kalkulationstabellen erstellt, welche das Scale-up dahingehend stark vereinfachen. Solche Tabellen sind aber für jeden Hersteller unterschiedlich, da insbesondere die Geometrie des Mischwerkzeugs und des Behälters eine Rolle spielen. Unsere Maschinen sind aus diesem Grund immer so gebaut, dass sie vom Kleinmaßstab bis zum Produktionsmaßsstab die gleiche Geometrie aufweisen.
P+F: Sie bieten neben geeigneten Maschinen also auch das Scale-up als Dienstleistung an?
Benjamin: Wir haben erfahrene Technologen, die unseren Kunden die bestmögliche Unterstützung anbieten. Im Diolab können wir Versuche mit den tatsächlich eingesetzten Rohstoffen des Kunden durchführen. Und das vom Kleinmaßstab bis hin zu Pilotchargen. Es gibt auch Kunden, wo langfristige Entwicklungen mit Versuchen zunächst in unserem Haus stattfinden, spätere Folgechargen dann im Großmaßstab beim Kunden. Außerdem bieten wir Vor-Ort-Besuche unserer Technologen als Service an. Wenn ein Betreiber Probleme beim Scale-up oder in der Fertigung hat, können wir innerhalb weniger Tage weltweit Unterstützung bieten.
P+F: Ist der Wechsel zwischen Maschinen unterschiedlicher Anbieter dabei ein großes Problem?
Benjamin: Gar nicht, den Fall haben wir durchaus oft. Es gibt viele pharmazeutische Hersteller, wo Produkte gemäß eines bestehenden Dossiers mit Maschinen eines anderen Anbieters hergestellt werden und die gerne auf Diosna-Technologie umschwenken möchten. Hier haben wir, wie auch beim Scale-up, eine Art vergleichendes Know-how, so dass wir dem Betreiber mit den passenden Parametern auf einer anderen Maschine helfen können und ein Produkt mit den gleichen Eigenschaften wie auf der ursprünglichen Maschine entsteht.
P+F: Welche zukünftigen Entwicklungen erwarten Sie oder wünschen Sie sich?
Benjamin: Ein Trend, den ich für die Zukunft sehe, ist zunehmende Unterstützung durch Software, auch beim Scale-up, wobei Daten aus dem Kleinmaßstab direkt auf den Großmaßstab übertragen werden. Ich denke, das wird das Scale-up für den Maschinenbediener in Zukunft weiter vereinfachen.
Außerdem werden der Bedarf und die Anforderungen an High-Containment und Isolatortechnik noch weiter steigen. Da arbeiten wir schon jetzt mit erfahrenen Anbietern zusammen, um entsprechende Lösungen maßgeschneidert anbieten zu können. Im Bereich Food sind es sicherlich Themen wie Clean-Label, Nachhaltigkeit und Gesundheit.
Daten und Fakten zum Diosna Diolab
Das im Oktober 2022 eröffnete Diolab bietet eine Vielzahl hochwertiger Anlagen und Laborgeräte zur individuellen Erprobung der Kundenprodukte. Kunden aus Food, Kosmetik und Pharma haben die Möglichkeit, ihre Produkte auf professionellen Maschinen zu testen und gemeinsam mit Experten vom Rohstoff bis zum Endprodukt zu analysieren. Pharma- und Food-Expertise unter einem Dach:
- Bäckerei-Lab etwa 300 m2
- Pharma-Lab etwa 300 m2
- Analytiklabor etwa 75 m2
- Produktions- und Lagerbereich für Diostart-Kulturen