Fördertechnik

08. Okt. 2025 | 16:00 Uhr | von Andreas Biniasch, Redakteur, ifm

Zustandsabhängig statt zeitbasiert

Predictive Maintenance durch Sensoren in der Getränkeindustrie

Abfüllstopps, Wartungsaufwand, Qualitätsrisiken: Um diese Herausforderungen zu meistern, digitalisiert ein Getränkehersteller seine Anlagen bis auf Sensorebene. Damit vermeidet er ungeplante Stillstände und verlängert die Lebensdauer seiner Anlage.

Abfüllanlage mit Getränkedosen

(Bild: ifm)

Entscheider-Facts

  • Der Getränkehersteller erfasst sämtliche Sensordaten seiner Anlage.
  • Die zustandsabhängige Wartung reduziert signifikant die Kosten.
  • Die eingesetzten Sensoren erfüllen alle Cybersecurity-Richtlinien.

Coca-Cola betreibt allein in Westeuropa über 50 Abfüllstandorte. Um Wartung und Störungen schnell und präzise anzugehen, digitalisiert der Getränkehersteller alle Abfüllanlagen und entwickelt dafür einen digitalen Zwilling. Damit kann er Produktionsprozesse in Echtzeit überwachen und bei Bedarf sofort anpassen– sogar remote von jedem Ort weltweit. Für die erforderliche zuverlässige Sensorik arbeitet der Getränkehersteller eng mit dem Automatisierungsspezialisten ifm zusammen. Einer der Vorzeige-Standorte liegt in Edelstal in Österreich, einem lizenzierten Abfüllbetrieb des Getränkeherstellers, der fast alle Produkte abfüllt. Mit über 500 Mio. l abgefüllten Getränken pro Jahr zählt das Werk zu den größten der Gruppe.

„Wir fokussieren uns hier stark auf die Themen Automatisierung und Digitalisierung. Vieles, was wir umsetzen, wird anschließend auch in anderen Werken des Konzerns umgesetzt“, führt Christian Kohlhofer, Plant Manager, beim lizenzierten Abfüllbetrieb in Österreich, aus. Das Werk in Edelstal agiert auch als Kontingentwerk: Wenn an anderen Standorten Produktionsengpässe auftreten, kann das österreichische Werk einspringen und andere Standorte unterstützen.

Condition Monitoring vermeidet ungeplante Stillstände

Die Anlagenverfügbarkeit hat oberste Priorität für den internationalen Getränkehersteller. „Bei uns hier am Standort merken wir jeden einzelnen Anlagenstillstand deutlich“, erklärt der Plant Manager. Schließlich produziert der Getränkehersteller just in time und kann nicht auf Vorrat arbeiten. Deshalb setzt er auf Predictive Maintenance mit Condition Monitoring. Das heißt, der Zustand von Maschinen und Anlagen wird permanent überwacht, um Wartungen genau dann durchzuführen, wenn sie nötig sind. Echtzeitdaten von Sensoren werden genutzt, um Verschleiß, Abnutzung und anderen Instandhaltungsbedarf frühzeitig zu erkennen.

Ziel ist es, ungeplante Stillstände zu vermeiden, Wartungskosten zu senken und die Lebensdauer der Anlagen zu verlängern. Durch den Einsatz moderner Technologien wie IO-Link, Internet of Things (IoT) und maschinellem Lernen können Wartungsarbeiten so geplant werden, dass sie genau im richtigen Moment stattfinden – nicht zu früh und nicht zu spät.

„Durch die zahlreichen Sensoren, die verbaut worden sind, erhöhen wir deutlich die Anlagenverfügbarkeit“, freut sich Kohlhofer. „Wir machen die Wartung nicht mehr zeitbasiert, sondern zustandsabhängig. Das reduziert signifikant unsere Kosten.“

Blick in eine Anlage mit Rohren und Kabelverbindungen
Mehrere Druck- und Temperatursensoren überwachen den Prozess und leiten die digitalen Messwerte an die SPS und den digitalen Zwilling der Anlage weiter. (Bild: ifm)

IO-Link-Sensoren überwachen komplexe Prozesse

Wenn es um das Digitalisieren von Anlagen geht, sind Sensoren mit IO-Link-Schnittstelle die erste Wahl. Diese intelligenten Sensoren nutzen eine standardisierte, bidirektionale Kommunikationsschnittstelle, um mit Steuerungen und anderen Systemen zu kommunizieren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Sensoren ermöglichen sie nicht nur den Austausch von einfachen Schaltsignalen, sondern auch von umfangreichen Prozessdaten und Diagnoseinformationen. Da die Messwerte digital und nicht analog übertragen werden, ist das Übertragen zudem störsicher und exakt, da im Gegensatz zur analogen Übertragung keine Wandlungsverluste auftreten.

Die Sensoren lassen sich einfach installieren, konfigurieren und bieten präzise Daten in Echtzeit. Über azyklisch abrufbare Diagnosedaten, etwa Minimal- oder Maximalwerte, Verschmutzungsgrad oder Fehler wie Drahtbrüche oder Kurzschlüsse, wird die zustands-orientierte Wartung optimal unterstützt. Zudem machen IO-Link-Sensoren die Automatisierung flexibel und effizient. Durch ihre hohe Kompatibilität können sie nahtlos in bestehende Systeme integriert und aufgrund der digitalen Kommunikation einfach in die IT-Ebene eingebunden werden.

Ein Beispiel bieten, die am am Dosenverschließprozess eingesetzten IO-Link-Schwingungssensoren. „Über die Qualität im Prozess der Dosenverschließung entscheiden Tausendstelmillimeter“, erklärt Gerhard Wieszmüllner, Maintenance & Spare Parts Manager beim lizenzierten Abfüllbetrieb in Österreich. „Mit den prädiktiven IO-Link-Sensoren von ifm können wir kleinste Vibrationsabweichungen feststellen und somit eine garantiert vollständig und dauerhaft verschlossene Dose gewährleisten.“

An den Klappenventilen der Flaschenwaschanlage sind IO-Link-Ventilsensoren des Automatisierungsspezialisten im Einsatz. „Wir bemerken im Vorfeld, wenn eine Klappendichtung kaputt geht beziehungsweise ausgetauscht gehört – ohne jeglichen Materialverlust“, erläutert Gerhard Wieszmüllner. „Wir brauchen dadurch zum Beispiel keine Laugenbäder ablassen und haben keine Maschinenstillstände von großer Dauer. Das spart uns Zeit und Kosten.“

Blick in eine Reihe Sensoren
Die IO-Link-fähigen Ventilsensoren erfassen nicht nur die Klappenstellung, sondern erkennen auch Verschleiß, Blockaden oder Anhaftungen an den Ventilen. (Bild: ifm)

Über den Y-Weg zum digitalen Zwilling

Um den Zustand der Maschinen und ihrer Komponenten genau zu beurteilen, werden sämtliche Sensordaten der Anlage erfasst. Dabei kommt der sogenannte Y-Weg zum Einsatz, bei dem die Sensordaten in Echtzeit auf zwei Pfade aufgeteilt werden: Einerseits gelangen die Daten in die SPS, die das klassische Steuern und Regeln der Anlage übernimmt. Gleichzeitig fließen die digitalen Sensordaten über einen zweiten Pfad in die IT-Ebene. Der Getränkehersteller überträgt die Signale der zahlreichen Sensoren auf diese Weise automatisch in die IT-Plattform „Pocket Factory“. Dieses virtuelle Abbild spiegelt als digitaler Zwilling die reale Anlage exakt wider und wird kontinuierlich mit Echtzeitdaten aktualisiert.

Durch die Digitalisierung bis auf Sensorebene erhält der Getränkehersteller volle Transparenz über seine weltweite Produktion. Der digitale Zwilling, gestützt auf Daten der IO-Link-Sensoren des Automatisierungsspezialisten, ermöglicht die zustandsbasierte Wartung der Anlagen. Mithilfe von Machine Learning und künstlicher Intelligenz werden Verschleiß, Produktionsfehler und andere Anomalien im Prozess frühzeitig prognostiziert.

„Diese Daten erlauben uns, proaktiv und zum optimalen Zeitpunkt die richtigen Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen, um die Produktqualität zu sichern“, erklärt Wieszmüllner. So lassen sich ungeplante Stillstände vermeiden, Kosten senken und die hohen Qualitätsansprüche erfüllen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Digitalisierung ist die Nachhaltigkeit. Durch den Einsatz digitaler Technologien kann der Getränkehersteller seinen ökologischen Fußabdruck reduzieren. Beispielsweise ermöglichen ihm das präzise Überwachen und Steuern der Produktionsprozesse, Ressourcen wie Wasser und Energie effizienter zu nutzen. Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern hilft auch, Kosten zu sparen.

Cybersecurity-Anforderungen erfüllt

Cybersecurity spielt in einem Produktionswerk wie dem des Getränkeherstellers eine zentrale Rolle, da es nicht nur darum geht, sensible Unternehmensdaten, sondern auch kritische Produktionsprozesse vor unbefugtem Zugriff und Manipulation zu schützen. Durch zunehmend vernetzte Maschinen und Anlagen in der Industrie 4.0 steigt das Risiko für Cyberangriffe auf die Infrastruktur. Ein erfolgreicher Angriff könnte nicht nur zu Produktionsausfällen, sondern auch zu erheblichen finanziellen Schäden oder Imageverlust führen. Zudem sind in einem Werk oft Systeme im Einsatz, die produktionskritische Daten verarbeiten, beispielsweise zur Qualitätssicherung oder Effizienzsteigerung.

Diese Daten zu schützen, sorgt dafür, dass Betriebsgeheimnisse gewahrt bleiben und die Prozesse sicher und stabil ablaufen. In einem stark regulierten Umfeld, wie es beim Getränkehersteller der Fall ist, müssen alle Komponenten, einschließlich der eingesetzten Sensoren, strengen Cybersecurity-Anforderungen entsprechen, um für den sicheren Betrieb der Anlage und die Integrität der Produktion zu sorgen. Kohlhofer: „Die Daten werden so abgelegt, verarbeitet und ausgewertet, dass alle Cybersecurity-Richtlinien erfüllt werden.“

Digitalisieren und Automatisieren ist beim Getränkehersteller ein fortlaufender Prozess, der den Konzern in die Zukunft führt. Durch den Einsatz moderner Technologien und die enge Zusammenarbeit mit Partnern wie dem Automatisierungsspezialisten kann er seine Produktionsprozesse verbessern, die Effizienz steigern und die Qualität seiner Produkte sicherstellen. Gleichzeitig trägt die Digitalisierung dazu bei, die Nachhaltigkeit zu erhöhen und die Umweltbelastung zu reduzieren.

IO Link Module
Dezentrale IO-Link-Module bündeln die Sensorsignale und ermöglichen gleichzeitig von der IT-Seite aus einen detaillierten Einblick bis in den digitalen Sensor. (Bild: ifm)

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