Person mit Gesichtsmaske und Haarnetz an Edelstahlcontainer

(Bild: Kadmy – Fotolia)

Der Annex 1 des EU-GMP-Leitfadens „Manufacture of Sterile Medicinal Products“ regelt die Herstellung steriler Arzneimittel in Europa. Am 20. Februar dieses Jahres hat die Europäische Kommission nach 2017 nun einen zweiten Entwurf für die Überarbeitung des Dokuments veröffentlicht. Und der hat es in sich, wie der sächsische GMP- und GDP-Inspektor Rico Schulze in seinem Vortrag auf der Praxistagung Containment am 22. Oktober 2020 deutlich machte.

Zu den zentralen Schlüsselwörtern des neuen Leitfadens gehört die sogenannte Kontaminationskontrollstrategie (CCP). Hersteller von sterilen Arzneimitteln werden sich künftig noch stärker alle Bereiche im Unternehmen, die Einfluss auf die Wirksamkeit ihres hergestellten Medikaments und die Patientensicherheit haben könnten, anschauen müssen und darlegen, wie sie diese schützen. Zu den Maßnahmen gehören ein Gefährdungsmanagement, die Planung und Instandhaltung von Ausrüstung sowie ausreichend qualifiziertes und geschultes Personal.

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„Knallharte Forderung“ nach RABS und Isolatoren

Man könnte also meinen, Containment-Lösungen sind nur ein Weg von vielen zum GMP-konformen Herstellungsprozess. Doch weit gefehlt. Denn Kapitel 4 des neuen Entwurfs, das sich mit der Gestaltung und Qualifizierung von Räumlichkeiten beschäftigt enthält eine „knallharte Forderung“, wie Rico Schulze es formulierte. Der Entwurf erhebt RABS und Isolatoren zum Mittel der Wahl, wenn es darum geht, mikrobielle Kontaminationen durch den direkten menschlichen Eingriff in der kritischen Zone zu minimieren. Der Text wird hier sehr deutlich: „Any alternative approaches to the use of RABS or isolators should be justified“. Jedes Unternehmen wird sich in seiner Kontaminationskontrollstrategie daher zwangsläufig und intensiv mit dem Thema Containment außeinandersetzen müssen. „Es braucht gute Gründe, um die Verwendung von Containment in der zukünftigen pharmazeutischen Produktion außen vor zu lassen“, fasst GMP-Inspektor Schulze zusammen. Containment-Lösungen werden so vom frommen Wunsch zum absoluten Muss.


Wer heute in Anlagen zur Produktion von sterilen Arzneimitteln investiert, ist also gut beraten, sich mit dem neuen GMP-Dokument und dem Thema Containment im Speziellen zu beschäftigen – „sonst investiert er zweimal, wenn er Pech hat“, weiß Schulze. Zwar handelt es sich noch um einen Entwurf und es könnte bis zur endgültigen Fassung noch zu Änderungen im Detail kommen. An den großen Linien und Forderungen wird sich jedoch nichts mehr grundsätzlich ändern, ist sich der Experte sicher.


Ein weiterer spannender Aspekt des neuen Entwurfs zeigt sich schon in dessen Überschrift. Während in der bisher gültigen Fassung von „Manufacture of Sterile Medicinal Products“ die Rede war, heißt es jetzt nur noch „Manufacture of Sterile Products“. Der Anwendungsbereich des Leitfadens hat sich also erweitert und bezieht nun auch Bereiche wie Hilfsstoffe und Primär-Packmittel mit ein. Etwas Zeit bleibt den betroffenen Unternehmen immerhin noch, um zu handeln.

Mindestens noch ein Jahr wird es schätzungsweise dauern bis der neue Anhang 1 zum EU-GMP-Leitfaden finalisiert ist. Und für die Umsetzung neuer Forderungen an die Hersteller wird es dann nach Einschätzung von Rico Schulze auch längere Übergangsfristen von bis zu drei Jahren geben.

Robotik kann Containment unterstützen

Chefredakteur  Armin Scheuermann befragte auf der diesjährigen Praxistagung die Containment-Experten wie Richard Denk ausnahmsweise via Online-Schaltung.
Chefredakteur
Armin Scheuermann befragte auf der diesjährigen Praxistagung die Containment-Experten wie Richard Denk ausnahmsweise via Online-Schaltung. (Bild: Redaktion)


Der Trend zu mehr Containment lässt sich aber nicht nur auf neue Regularien zurückführen, wie Richard Denk in einem weiteren Vortrag auf der Praxistagung Containment zeigt. Denk ist Chairman der Expertengruppe Containment der Pharma-Organisation ISPE und Head of Sales Containment beim Schweizer Reinraum- und Isolator-Spezialisten Skan. In beiden Funktionen beobachtet er in der Pharma-Produktion – aber auch zunehmend in der Chemie – einen Trend zu immer mehr hochaktiven Substanzen. Derzeit befinden sich knapp 1.000 Produkte, die als hochaktiv eingestuft werden, in präklinischen Studien, schätzt Denk.


Eine Technologie die im Umgang mit diesen Stoffen helfen kann, ist die Robotik. „Je mehr ich automatisieren kann, desto weniger ist der Mitarbeiter am Produkt“, lautet Richard Denks einfache Formel. Doch während Roboter in anderen Industrien wie der Automobilfertigung schon lange zum Standard gehören, zeigt sich die Pharmaindustrie noch eher zurückhaltend. Zwar sind natürlich auch hier Roboter im Einsatz, vor allem in Verpackungsprozessen. In ganz GMP-kritischen Bereichen sind sie aber immer noch selten zu finden. Ein Problem ist, dass Robotertechnik häufig nicht GMP-compliant ausgeführt ist. „Roboter bewegen sich dort oft in einer Art und Weise, die mehr Schaden als Nutzen für das Produkt bringt“, meint Richard Denk.


Um dies zu ändern, hat er vor kurzem in der ISPE daher die Arbeitsgruppe Future Robotics gegründet. Dort erarbeiten 25 Experten von Pharmaherstellern und Systemlieferanten nun Beispiele und Standards, wo der Einsatz von Robotern in der Pharma-Produktion und im Containment-Bereich Sinn ergibt, und wie sie etwa in der Wirkstoff-Pharma oder Biopharmazie zum Einsatz kommen können. Beispiele sind die Probenahme, automatisierte Reinigungen von Doppelklappensystemen und Reinräumen oder der Transport von befüllten Vials und Spritzen. Das Ziel einer solchen Automatisierung ist es, auf Viable-Monitoring in aseptisch kritischen Bereichen irgendwann verzichten zu können. Ein zweites Ziel besteht in mehr Nachhaltigkeit: Selbst bei kleinen Produktionslinien – etwa von Ready-to-use-Systemen wie vorsterilisierten Spritzen – können viele Tonnen Abfall pro Jahr, entstehen rechnete Richard Denk vor. Auch hier könnten mehr Automatisierung und Robotik in Zukunft Abhilfe schaffen.


Viele der neuen Erkenntnisse und Trends fließen auch in das Containment-Handbuch der ISPE ein. Die Containment-Expertengruppe von Richard Denk arbeitet hier bereits seit drei Jahren an einer aktualisierten Auflage. Ein neues Kapitel beschäftigt sich dabei beispielsweise mit der Biopharmazeutischen Herstellung, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Im ersten oder zweiten Quartal 2021 soll die neue Version erscheinen. Zusammen mit der Neufassung des EU-GMP-Leit-
fadens dürfte allen, die sich mit Containment beschäftigen, auch der Lesestoff nicht so bald ausgehen.

 

Entscheider-Facts

  • Der Trend zu mehr Containment-Lösungen in der Arzneimittel-Herstellung dürfte sich durch regulatorische Änderungen in Europa noch verstärken.
  • Der neue Entwurf des Anhang 1 des EU-GMP-Leitfadens sieht eine deutliche Aufwertung von Containment-Systemen im Vergleich zu alternativen Lösungen vor.
  • Auch technisch entwickelt sich das Feld dynamisch weiter, beispielsweise im Bereich Robotik.

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