Pharma+Food: Herr Harbauer, als Sie Anfang des Jahres 2013 die Position des Leiters des Produktbereichs Pharma bei Bosch Packaging Technology übernahmen, kündigten Sie an, dass Sie die Entwicklung hin zum One-stop-shop als eines Ihrer Hauptziele sehen – was hat sich hier seitdem getan?
Uwe Harbauer: Wir konnten uns in dieser Hinsicht ganz klar erfolgreich weiterentwickeln. Fakt ist, dass wir uns auf dieser Achema erstmalig in dem Maße, wie Sie es hier sehen können, mit einer umfassenden Linienkompetenz präsentieren – sowohl im Liquid- als auch im Solid-Bereich. Diesen Weg wollen wir natürlich auch künftig weiter beschreiten. In der Praxis heißt das, dass der Kunde bei uns nicht nur eine Maschine, oder auch drei, kaufen kann, wie Waschmaschine, Sterilisiertunnel und Abfüllmaschine, sondern wir beginnen bereits beispielsweise bei der Wasseraufbereitung.
P+F: Und wie sieht die Zukunft aus, gibt es Felder, die Sie noch besetzen möchten, beispielsweise durch Zukäufe?
Harbauer: Natürlich haben wir noch Lücken, das ist auch bekannt. Ich drücke das an dieser Stelle mal so aus: Diese Lücken kann man entweder durch die kontinuierliche Erweiterung des eigenen Portfolios schließen – ein gutes Beispiel wäre hier sicher der Bereich Inspektionstechnik – oder eben auch durch Zukäufe. Welche Unternehmen hierfür interessant wären, werde ich an dieser Stelle aber nicht verraten. Sie können auf jedem Fall davon ausgehen, dass wir auf der nächsten Achema einige der aktuell noch weißen Flecken ausgefüllt haben werden. Einer der Trends, die wir beobachten, ist, dass es bestimmte Regionen der Erde gibt, beispielsweise Südamerika und Afrika, in denen sich der Bedarf an wirklichen Turnkey-Lösungen verstärkt. Der Kunde möchte in dem Fall keine Füllmaschine kaufen, sondern sagt im Grunde: „Ich habe ein Produkt und dafür brauche ich eine Fabrik.“ Und dafür möchte er dann einen oder auch zwei Partner, die diese Fabrik für ihn aufbauen. Wer solche Aufträge erhalten möchte, muss zum einen viel selbst leisten können, zum anderen aber auch Dritt-Anbieter einbeziehen. Denn natürlich haben wir nicht alles im Portfolio, beispielsweise wenn es um das Thema Reinraum geht. Dafür haben wir eigene Engineering-Experten, die solche Dinge koordinieren.
P+F: Gibt es denn vielleicht auch Überlegungen, sogenannte Betreiber-Modelle anzubieten?
Harbauer: Ein Teil unserer Kunden rekrutiert sich aus dem Bereich der OEMs, für die das vielleicht interessant wäre. Aber da wir auch einen starken Kundenstamm bei den sogenannten Lohnherstellern besitzen, kommt dies für uns nicht in Frage – wir würden ja sonst in Konkurrenz mit unseren eigenen Kunden treten.
P+F: Kurz vor der Achema erreichte uns die Nachricht über eine Veränderung bei Bosch, die jetzt weniger mit dem Portfolio zu tun hatte: Bosch Packaging Technology wird künftig als eigenständige GmbH geführt. Welche Strategie verbirgt sich dahinter, bzw.: Was kann ich als Kunde davon erwarten?
Harbauer: Wenn Sie sich die Struktur einer deutschen, europäischen oder auch weltweit agierenden Firma ansehen wie Bosch eine ist, dann gibt es nicht viele Konzerne mit einer Struktur, wie sie derzeit bei uns der Fall ist, sprich: In einer GmbH sind völlig unterschiedliche Technologien vereint. Daher war es nicht mehr und nicht weniger als ein konsequenter Schritt, die letzten beiden Bosch-Bereiche, Power Tools und uns als Verpackungstechnik in eine jeweils eigene legale Einheit zu überführen. Zumal es hier nur um Deutschland geht, im Ausland sind wir das bereits die vergangenen 20 Jahre. Davon versprechen wir uns letztendlich ein Stückchen mehr Flexibilität, wie wir unser Geschäft gestalten. Wichtig ist vielleicht die klare Aussage: Wir bleiben Teil der Bosch-Familie – nur eben als Bosch Packaging Technology und somit Tochterfirma der Robert Bosch GmbH.
P+F: Ein großes Thema ist ja auch das, nennen wir es einmal so, Zusammenwachsen der Branchen Pharma und Food. Während sich die beiden Bereiche früher, was die Verarbeitungs- und Abfüll-, aber auch Verpackungsmaschinen angeht, durch unüberbrückbare Unterschiede definierten, ist seit einigen Jahren hier ein Trend des Angleichens festzustellen – nicht zuletzt durch immer strengere Regelungen durch Organisationen wie die FDA. Heißt das für ein Unternehmen wie Bosch Packaging Technology, das ja bisher getrennte Abteilungen für den Food und eine für den Pharma-Bereich führt, dass hier künftig im Grunde „eine Maschine“ entwickelt wird, und diese dann mit leichten Modifikationen in beide Branchen verkauft werden kann?
Harbauer: Die Produktbereiche, die Sie ansprechen, sind weiterhin getrennt, haben also eigenständige Entwicklungsabteilungen und einen eigenen Vertrieb. Das halte ich auch für richtig. Aber es gibt natürlich ganz wesentliche Synergien, vor allem im Bereich Sekundärverpackung. Nur ein Beispiel: Unsere Schlauchbeutelmaschinen kommen aus dem Food-Bereich, werden aber auch von unserem Pharma-Vertrieb verkauft. Und umgekehrt kommt die Kartoniermaschine, die die Food-Kollegen vertreiben, von uns. Für solche Anwendungen haben wir eine zentrale Entwicklung eingerichtet, die diese Vorgänge koordiniert. Weitere Überschneidungen haben wir im Bereich Liquid Food, da die FDA hier bei den Anforderungen eine nicht unerhebliche Rolle spielt, beispielsweise bei der aseptischen Verpackung von Joghurt und ähnlichen Produkten. Und wo wir natürlichen seit jeher stark zusammenarbeiten ist der Bereich After-Sales Services.
P+F: Gerade hierzu gibt es ja auf der Achema spannende, futuristisch anmutende Entwicklungen: Der Servicetechniker, der mit einer Art Google-Glass oder auch einem Tablet vor der Maschine steht und dann per Beispielvideo oder auch direkt in die Maschine projizierte Augmented Reality direkt angezeigt bekommt, welche Schraube er jetzt in welche Richtung drehen muss um ein Teil ein- oder auch auszubauen – gibt es hier bei Bosch ähnliche Konzepte?
Harbauer: Ein ganz klares Ja. Für das Servicepersonal nachvollziehbare Anleitungen auf dem Tablet – das wird in Zukunft sicher der Standard sein. Kern unseres Konzeptes ist eine Art Cloudlösung, über die sich der Kunde verbinden kann. Sicherheit ist hier natürlich das alles überragende Thema, denn sonst lassen uns unsere Kunden natürlich nicht auf ihre Anlagen, über die wir dann Maintenance, Condition Monitoring und ähnliches laufen lassen. Was sich uns sonst noch für Möglichkeiten im Zuge der Industrie 4.0 auftun werden, das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer einschätzen. Wir sind hier aber sehr gespannt und hören natürlich sehr genau zu, was unsere Kunden zu dem Thema zu sagen haben. Hier stehen wir bereits ganz gezielt mit einigen Unternehmen in Kontakt, am Ende werden dann neue Produkte und Serviceleistungen stehen. Das kann die Branche komplett revolutionieren. Wie schnell und wie weit, das kann ich an dieser Stelle noch nicht beantworten. Die Pharma-Industrie ist natürlich von Natur aus eher konservativ. Aber so viel steht fest: Es wird kommen.
P+F: Da wäre es natürlich spannend zu wissen, wie die Bosch-Definition von Industrie 4.0 lautet und wie Sie daraus ableitend neue Geschäftsmodelle entwickeln.
Harbauer: Im Grunde müssten Sie da ja Frau Merkel fragen, die definiert das ja gerade… Aber ich würde sagen: „Connected Industry“ ist ein sinnvoller Begriff, oder auch das „Internet of Things and Services.“ Also letzten Endes, dass die Dinge über Sensorik miteinander sprechen – das steckt dahinter. Bosch wendet das an, Smart-Home wäre hier ein Beispiel, sowohl bei unseren Hausgeräten als auch bei der Thermotechnik. Der andere Punkt ist, dass Bosch auch Anwender in den Fabriken ist, Daten sammelt und dadurch auch Produkte im Bereich Predictive Maintenance anbieten kann – da sehe ich ganz klar einen Trend. Was das alles für das Pharma Packaging bedeutet, ob wir in Zukunft auf jedem Container einen RFID-Chip sitzen haben, kann ich nicht beantworten – am Ende ist natürlich auch alles eine Frage des Preises. Zumindest bei sehr teuren Medikamenten ist das alles vorstellbar. Sie müssen sich vorstellen, dass es in der Onkologie Wirkstoffe gibt, bei denen eine einzelne Spritze einem Gegenwert von 1.000 Euro entspricht – da fallen die Kosten für den Chip nicht mehr ins Gewicht. Ganz anders sieht es dann aber natürlich bei Produkten wie einer Aspirin-Tablette aus. Wir stehen hier, wie bereits erwähnt, mit unseren Kunden im Gespräch, aber für ein konkretes Zeitfenster ist es noch zu früh.
P+F: Was sich meines Erachtens wie ein roter Faden in diesem Jahr durch alles Messehallen zieht, ob nun Pharma oder klassische Verfahrenstechnik, das ist der Begriff der Traceability. Dass also das Edukt, in dem Moment in dem es die Fabrik erreicht, bis zu dem Moment in dem es das Werk als um- und sekundärverpacktes Produkt wieder verlässt, Schritt für Schritt rückzuverfolgen ist. Hierzu präsentieren Sie auf der Achema Ihr Connected Packaging Industry System…
Harbauer: Die Idee dahinter ist folgende: Reines Track and Trace, also Module die eine Schachtel bedrucken und Sie dann rückverfolgen können, das leisten wir bereits seit geraumer Zeit. Jetzt gehen wir an dieser Stelle noch einen Schritt weiter und haben eine Lösung im Angebot, mit der wir jede einzelne Spritze oder auch Tablette verfolgen können. Aber auch hier gilt natürlich wieder mein Satz von vorhin: Ob sich dies für den Kunden rechnet, hängt von seinem Produkt ab. Ohne Not investiert natürlich niemand, auch kein Pharmazeut – warum sollte er auch. Die Pharmabranche ist beim Thema Track and Trace aber trotzdem recht aktiv, da der Gesetzgeber durch die in der EU kommende, in manchen Teilen der Welt bereits bestehende Pflicht zu Serialisierung einen gewissen Druck macht. Hier wirkt der Staat ein Stück weit als Innovationstreiber.
ZUR PERSON
Uwe Harbauer
Der Maschinenbau-Ingenieur ist seit 15 Jahren für den Bosch-Konzern tätig; zunächst als Vertriebsleiter Pharma bei Bosch Packaging Technology in Crailsheim. Von 2006 an leitete er den Produktbereich Service in Beringen (CH). Im Jahr 2013 kehrte Harbauer zurück an den Standort Crailsheim, wo er die Leitung des Produktbereichs Pharma bei Bosch Packaging Technology übernahm.