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„Weil in Modulen verfahrenstechnische Funktionen gekapselt werden, sinkt die Komplexität im Engineering, bei der Inbetriebnahme und in der Instandhaltung“

  • Feldinstrumente sollen die digitale Transformation der Prozessindustrie unterstützen. Wie dies geschehen kann, dafür wurden in Bad Neuenahr sowohl praktische Beispiele als auch Visionen gezeigt.
  • Damit sich neue Lösungen zur Digitalisierung durchsetzen, müssen diese für den Anwender einfach sein – Komplexität muss gekapselt werden.
  • Ein Mehraufwand zur Digitalisierung wird vom Betriebspersonal nur dann akzeptiert werden, wenn daraus unmittelbarer Nutzen entsteht.
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Smarte Feldinstrumente schicken sich an, die Macht der Prozessleitsysteme zu beschneiden. Bild: Michael Herrmann – stock.adobe.com

„Ich glaube, das eine oder andere System der Automatisierung wird von der Digitalisierung weggewischt werden“, rammte Namur-Vorstand Dr. Wilhelm Otten gleich zu Beginn vor dem mit 650 Teilnehmern voll besetzten Saal einen Pflock ein. „Feldgeräte werden dagegen überleben“, so Otten. Denn diese haben als Augen und Ohren der Prozesse eine Zukunft. Allerdings zeichnen sich auch hier Veränderungen ab: Längst wünschen sich die Automatisierungsanwender, dass Feldgeräte nicht mehr allein Messungen wie Druck und Temperatur liefern, die lediglich indirekt Rückschlüsse auf die Produkteigenschaften und den Prozesszustand zulassen, sondern direkte Aussagen zu Massenströmen, Konzentrationen und Produktqualität.

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Dr. Wilhelm Otten, Evonik, ist Vorstandsmitglied der Namur. „Ich glaube, das eine oder andere System der Automatisierung wird von der Digitalisierung weggewischt werden. Feldgeräte werden aber überleben.“

Und natürlich sollen die Feldinstrumente auch die digitale Transformation der Branche unterstützen. Wie dies geschehen kann, dafür wurden in Bad Neuenahr sowohl praktische Beispiele als auch Visionen gezeigt. Schon seit drei Jahren arbeitet die Namur beispielsweise intensiv an der Frage, wie Geräte- und Prozessinformationen über einen zweiten Informationskanal aus der Anlage in moderne Auswertungssysteme übertragen werden können, ohne die klassischen Regelkreise zu belasten. Dazu wird fieberhaft an der Namur Open Architecture gearbeitet. „Wir erwarten, dass NOA im nächsten Jahr reif für konkrete Produkte sein wird“, meldete Jan De Caigny, BASF in seinem Statusbericht zur NOA.

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Dr. Felix Hanisch, Bayer, ist Vorstandsvorsitzender der Namur. „Wir verstehen uns als Treiber und Gestalter der digitalen Transformation. Mit unseren Kernthemen Modularisierung und Namur Open Architecture und dem einheitlichen Datenmodell haben wir die wichtigsten Themen angesprochen, um die Digitalisierung voranzubringen.“

 

„Wir verstehen uns als Treiber und Gestalter der digitalen Transformation. Mit unseren Kernthemen Modularisierung und Namur Open Architecture und dem einheitlichen Datenmodell haben wir die wichtigsten Themen angesprochen, um die Digitalisierung gemeinsam mit den Herstellern voranzubringen“, erklärt Dr. Felix Hanisch, Bayer, der den Vorstandsvorsitz der Namur von Dr. Wilhelm Otten übernommen hat.

Prozessanalysentechnik hat Potenzial

Aus Sicht der Anwendervereinigung hat insbesondere die Prozessanalysentechnik noch sehr viel Potenzial. „Wenn wir in der Lage sind, Konzentrationen und Stoffeigenschaften im Prozess zu messen, dann haben wir in Verbindung mit APC die Möglichkeit, unsere Prozesse am absoluten Optimum zu fahren“, so Otten.

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Matthias Altendorf, CEO von Endress+Hauser. „Wir wollen, dass die smarten Feldgeräte ein sicherer Bestandteil der OT- und IT-Welt werden, denn es geht darum, Wissen überall dort verfügbar zu machen, wo dieses benötigt wird.“

 

 

Eine Kerbe, in die auch Hauptsitzungssponsor Endress+Hauser mit dem selbst gewählten Motto „empower the field“ schlug: „Wir haben uns vorgenommen, die Labormesstechnik näher an die Prozesse zu bringen“, erläutert CEO Matthias Altendorf: „Wir wollen, dass die smarten Feldgeräte ein sicherer Bestandteil der OT- und IT-Welt werden, denn es geht darum, Wissen überall dort verfügbar zu machen, wo dieses benötigt wird.“ Das erfordert allerdings eine neue Kommunikationsstruktur, denn die für smarte Feldgeräte benötigten Bandbreiten sind in den vorhandenen klassischen Leitsystemen nicht vorhanden. „Prozessleitsysteme sind der Flaschenhals, deshalb wollen wir das Feld stärken“, erklärt Dr. Andreas Mayr, Endress+Hauser. An entsprechenden Kommunikationstechniken, welche die benötigte Bandbreite bieten, arbeiten die Hersteller bereits. So soll im Projekt Advanced Physical Layer (APL) eine 2-Draht-Ethernetverbindung entstehen, mit der Feldgeräte künftig auch im Ex-Bereich angebunden werden können. Daneben entstehen neue Lösungen zur Nachrüstung von Wireless-Hart-Drahtloskommunikation, die auch die Funktion der rückwirkungsfreien Kommunikation (Namur-Diode) unterstützen sollen. „Allerdings wird sich APL nur dann durchsetzen, wenn die Integration in die Anlagen einfach ist – denn das war der Grund, weshalb sich der digitale Feldbus bislang nicht durchgesetzt hat“, so Mayr.

Lösungen müssen einfach sein

„Es sind die einfachen Lösungen die sich durchsetzen“, zeigt sich auch Ulrich Schünemann, BASF, überzeugt und definiert gemeinsam mit Frank Grümbel, Lanxess, die Faktoren, die für eine erfolgreiche Digitalisierung der Prozessanalysentechnik wichtig sind:

  • Komplexität ist gekapselt.
  • Hoher Grad an Standardisierung.
  • Infrastruktur im Feld vorhanden.
  • Mindset der Anwender.
  • Anwender hat von der Digitalisierung einen unmittelbaren Nutzen.
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Nikolaus Krüger, Endress+Hauser: „Auch bei den vor- und nachgelagerten Prozessen lässt sich viel Geld sparen. So ermöglichen es digitale Abläufe in der Beschaffung, die Prozesskosten massiv zu reduzieren.

Vor allem der letzte Punkt wurde in vielen Beiträgen der Anwender betont: Nur wenn die Anwender einen unmittelbaren Vorteil für ihr eigenes Aufgabengebiet haben, werden sie auch bereit sein, zusätzlichen Aufwand, beispielsweise zur elektronischen Dokumentation von Veränderungen, zu leisten. Deutlich wurde das auch im Workshop von Arne Moderstohn, Evonik, und Andreas Schüller, Infraserv: So setzt die Beschleunigung von Optimierungen und Erweiterungen, aber auch die vorbeugende Wartung und Instandhaltung eine konsistente Anlagendokumentation über den gesamten Lebenszyklus voraus. Ein Mehraufwand, der vom Betriebspersonal nur dann geleistet wird, wenn daraus unmittelbarer Nutzen entsteht. Mit Anwendungsbeispielen – sogenannten „use cases“ – will die Anwendervereinigung den Betreibern Lust auf Digitalisierung machen und den Nutzen zusätzlicher Sensoren in den Anlagen rechtfertigen. „Wir wollen mehr Daten schneller und einfacher nutzen. Das Feldgerät muss von Anfang an in die Überwachung eingebunden werden, und über den gesamten Asset Lifecycle müssen alle Informationen zur Verfügung stehen“, erklärt Thomas Schwerwietes, Evonik.

Dass sich die Digitalisierung allerdings nicht nur in der Betriebsphase auszahlt, verdeutlichte Endress+Hauser-Manager Nikolaus Krüger: „Auch bei den vor- und nachgelagerten Prozessen lässt sich viel Geld sparen. So ermöglichen es digitale Abläufe in der Beschaffung, die Prozesskosten massiv zu reduzieren. Wir müssen mit Kunden häufig über Rabatte im Promillebereich diskutieren, dabei werden Prozesskosten in Millionenhöhe vergeigt.“

Module kapseln die Komplexität von Geräten und Anlagenteilen

Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch die Namur-Hauptsitzung zog, war der Wunsch nach weniger Komplexität. Das Verringern von Komplexität sehen die Anwender als Schlüssel, um die digitale Transformation zum Erfolg zu führen. Dies soll beispielsweise durch die Modularisierung von Anlagen und Automatisierungssystemen erreicht werden. „Weil in Modulen verfahrenstechnische Funktionen gekapselt werden, sinkt die Komplexität im Engineering, bei der Inbetriebnahme und in der Instandhaltung“, ist Dr. Michael Maiwald von der Bundesanstalt für Materialforschung überzeugt. Konsequent zu Ende gedacht, könnte die Modularisierung und Kapselung dazu führen, dass Prozessautomatisierung irgendwann nur noch aus intelligenten Feldgeräten besteht, so Maiwald.

Eine Vision mit ähnlicher Automatisierungsstruktur verfolgt beispielsweise auch eine Gruppe von Anwendern um den Energieriesen Exxon Mobil mit der Open Process Automation. Dass die Open Group mit „OPA“ ernst macht, wurde im Workshop-Beitrag von Don Bartusiak deutlich: Mit für die Verhältnisse der Prozessindustrie schwindelerregender Geschwindigkeit stampfen die Amerikaner eine neue Automatisierungsstruktur aus dem Boden, in der das klassische Prozessleitsystem ausgedient hat und künftig Hard- und Software beliebiger Hersteller kombiniert werden sollen. Konkret arbeitet die Gruppe bereits an Prototypen für Feldtests.

Ebenfalls bereits sehr konkret ist die von der Namur bereits vor sechs Jahren angestoßene Modulautomation – Stichwort „Module Type Package“, MTP: Auch hier kommt die Intelligenz aus dem Feld. „Mit modularen Prozesseinheiten ändert sich der Engineering-Prozess – das ist einen neue Art zu denken und zu planen“, erkärt Dr. Frank Stenger, Evonik. Statt Anlagen jedes Mal wieder komplett auszulegen, so die Vision, sollen künftig lediglich verfahrenstechnische Einheiten konfiguriert werden. Langfristig ist auf diese Weise sogar eine neue Definition des Anlagenbetreibers denkbar: „Warum sollen Betreiber noch selbst in Anlagen investieren und diese nicht einfach leasen und für deren Nutzung bezahlen“, so Stenger.

„Konnektivität“ wird Thema der kommenden Namur-Hauptsitzung

Auch wenn die bisherigen Ergebnisse ermutigend sind und zeigen, dass „Plug & Produce“ Realität werden wird, für die Digitalisierung der Prozessindustrie ist noch viel zu tun. Ein wesentliches Arbeitsfeld bleibt die Kommunikation. Neben dem erwähnten 2-Draht Ethernet für den Ex-Bereich (APL) und der Drahtloskommunikation arbeitet die Namur gemeinsam mit anderen Industrieorganisationen daran, dass der Industrie im künftigen Mobilfunkstandard 5G eigene Frequenzen reserviert werden. Ermutigt von Erfahrungen mit einem eigenen 4G-Netz, das beispielsweise die BASF bereits am Standort Ludwigshafen für autonome Transportsysteme betreibt, wird der leistungsfähigen 5G-Technik großes Potenzial zugetraut. „Allerdings gibt es nicht die eine Connectivity-Lösung für alle Anwendungsfälle“, verdeutlicht Michael Schwibach, BASF. Vielmehr muss für jeden Anwendungsfall unter den verfügbaren Systemen wie 5G, Lora, Bluetooth oder Wifi die Lösung mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis ausgewählt werden. Dazu will die Namur ein Connectivity-Portfolio für verschiedene Anwendungsfälle definieren. „Wenn Daten das Erdöl des 21. Jahrunderts sind, dann ist Connectivity die Tankstelle“, verdeutlicht Schwibach. Um das Thema vertieft zu behandeln, wird die kommende Namur-Hauptsitzung deshalb unter dem Motto „Enhanced connectivity for smart production“ stehen. Sponsor wird dann Phoenix Contact sein.

Zur Namur: Wechsel im Vorstand

Auf der Vorstandssitzung am Mittwoch wurde in Bad Neuenahr ein neuer Vorstand gewählt. Ausgeschieden sind die Vorstände Dr. Thomas Tauchnitz (ehemals Sanofi) und Herbert Maier (Clariant). An deren Stelle treten Michael Pelz (Clariant) und Dr. Thorsten Dreier (Covestro).

 

Video-Rückblick Namur-HS 2018 – Stimmen und Impressionen

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