In der Pflicht: Serialisierung von Pharmaprodukten


Strategien der Hochverfügbarkeit
  • Stand-By-Systeme: Redundante Systeme übernehmen bei Ausfällen wechselseitig die Prozesse. Durch Umschalten und Übergabe der Prozesse sind Ausfallzeiten unvermeidlich, die Konsistenz von Daten und Transaktionen muss separat sichergestellt werden. Auf diese Weise ist eine Verfügbarkeit von 99,5 bis 99,9% erreichbar, was einer ungeplanten Downtime von bis zu 8,7h/a entspricht.
  • Cluster-Systeme: Wichtige Komponenten der Systeme sind redundant ausgelegt, bei Störungen sorgen spezielle Algorithmen softwaregesteuert für ein Umschalten, dadurch kommt es zu kurzen Ausfallzeiten und ggf. zum Verlust offener Transaktionen. Durch diese Technologie kann die Verfügbarkeit auf 99,95 bis 99,99% gesteigert werden, was bis 4h ungeplanter Downtime entspricht.
  • Fehlertolerante Systeme: Sämtliche Komponenten sind redundant ausgelegt, alle Prozesse laufen parallel, so dass im Störungsfall keine Zeit durch den Wechsel auf funktionierende Komponenten verloren geht. Die Verfügbarkeit lässt sich mit fehlertoleranten Systemen auf über 99,999% verbessern. Die jährliche ungeplante Downtime liegt hier unter 5min und liegt damit noch unter den mit kommerziellen Mainframes erreichbaren Werten.

Serialisierung ist zu einem wichtigen Herstellungsverfahren geworden. Mit dem Aufbringen von Seriennummern, nicht mehr nur auf komplette Chargen, sondern auf alle verkaufsfähigen Einheiten kann schließlich nicht nur der allgegenwärtigen Seuche der Produktpiraterie entgegengewirkt werden. Serialisierung stellt überhaupt die Basis für eine umfassende Qualitätssicherung dar, weil damit jede handelbare Einheit in ihrer Herkunft genau verfolgt werden kann. Dies ist natürlich auch vor dem Hintergrund einer zunehmend weiter gefassten Produkthaftung, die einen transparenten Fertigungsprozess mit eindeutig identifizierbaren Einheiten erforderlich macht, von großer Bedeutung. In „kritischen“ Fertigungsbereichen, etwa bei der Produktion von Ersatzteilen für die Automobil- oder Flugzeugindustrie, etabliert sich die Serialisierung daher als Standard-Verfahren. Klassicher Anwendungsfall ist jedoch die Pharmaindustrie, wo die Serialisierung in mehr und mehr Staaten verpflichtend wird. Bis 2015 soll in ganz Europa die Pharmaproduktion durchgängig serialisiert erfolgen: Kein Produkt darf dann noch ohne Seriennummer ausgeliefert werden.

Enorme Anforderungen müssen erfüllt werden

Die Serialisierung stellt auch an die IT hohe Anforderungen. Schließlich müssen nicht nur die einzelnen Packungen, sondern auch die folgenden Verpackungsstufen wie Karton oder Palette serialisiert werden. Die Nummern und ihre Hierarchien müssen natürlich auch verwaltet werden, und das heißt künftig, sie müssen direkt in die ERP-Systeme und dort in die Auftragsverarbeitung eingehen. Zugleich sollen die Informationen – das ist letzten Endes ja eine der wesentlichen Aufgaben der Serialisierung – mit den zuständigen Behörden oder Aufsichtsinstitutionen ausgetauscht werden. Und damit das Ganze nicht zu einfach wird, werden in Europa mit dem Datamatrix-Code und in den USA mit den RFID-Chips auch noch unterschiedliche Serialisierungssysteme zum Einsatz kommen. International agierende Unternehmen werden nicht darum herumkommen, beide Systeme parallel einzusetzen.

Diese enormen und teilweise ganz neuen Anforderungen werden von herkömmlichen IT-Lösungen für die Serialisierung nicht oder nur unzureichend abgedeckt. Es reicht ja nicht, in eine Verpackungslinie Drucker und Kameras einzubauen; die Daten müssen ja auch verarbeitet, und das heißt primär, mit anderen IT-Systemen zusammengeführt werden. Bisherige Systeme laufen jedoch meist als Stand-alone-Systeme, ihnen fehlt die Einbindung in die ERP-Systeme. Die Integration erfolgt, wenn überhaupt, nur als aufwendige Punkt-zu-Punkt-Kopplung. Damit ist auch die Anbindung an ein zentrales und globales Serialisierungs-Repository mit SAP OER (Object Event Repository) nicht möglich, was wiederum die Möglichkeiten für ein sowohl lokales als auch zentrales Generieren der Serialisierungsnummern und deren Integration in eine übergreifende hierarchische Struktur erschwert beziehungsweise unmöglich macht. Außerdem fehlt diesen Lösungen die Flexibilität für komplexe Anlagen, die beispielsweise gleichzeitig RFID und Datamatrix erstellen oder sowohl voll-automatisierte als auch semi-automatisierte Verpackungslinien fahren.

Lösung umfasst mehrstufiges Konzept

Einige Hardware- und Software-Anbieter, denen sich auch die SAP angeschlossen hat, haben nun ein neues Konzept entwickelt, dass sich als „nächste Generation der Serialisierung“ versteht. Ziel der neuen Lösung ist es, die Systeme der Fabrikationsebene („Plant Floor“) direkt in die ERP-Systeme einzubinden und so dafür zu sorgen, dass der Datenfluss in beide Richtungen reibungslos verläuft. Auf diese Weise verfügen die Kontroll- und Steuerungssysteme einerseits jederzeit über transparente Informationen über alle Produktionsschritte, andererseits kann die Produktion auf Steuerungsmaßnahmen reagieren. So kann beispielsweise die Produktion bei etwaigen Fehlern oder Inkonsistenten der Daten sofort angehalten werden, ohne dass nicht verwendbare, weil nicht richtig serialisierte Produkte hergestellt wurden.

Die neue Lösung umfasst ein mehrstufiges Konzept, das von den Verpackungslinien bis zum ERP-System reicht.

Verpackungslinien: Die Lösung ersetzt die bisher üblichen Stand-Alone-Rechner an den einzelnen Geräten – zum Beispiel Drucker und Kameras – durch einen „Line-Server“. Dessen Aufgabe ist es, für die jeweilige Linie lokal benötigte Serialisierungsnummern zu generieren und in einer Datenbank zu speichern. Dabei kommt schon auf dieser Ebene mit SAP OER die SAP-Technologie zum Einsatz. Die Datenbank verbindet die Echtzeitsysteme der Produktion mit den Systemen der SAP-Welt.
Plant-Server: Ein Server auf Fabrikationsebene nimmt die Daten der Line-Server auf, fasst die einzelnen Linien zusammen, speichert diese in einer Datenbank und gleicht die Produktion mit den Aufträgen im ERP-System ab. Der Plant-Server gibt umgekehrt den Line-Servern Vorgaben für das hierarchisch korrekte Generieren der Serialisierungsnummern oder erzeugt linienübergreifende Nummern auf OER-Basis auch selbst. Der Server übergibt außerdem Steuerungsinformationen an die Produktion. In der Praxis kann ein Plant-Server etwa zehn bis fünfzehn Line-Server steuern. Bei mehr Linien kann man auch mehrere Plant-Server parallel einsetzen.
ERP-System: Der Plant-Server tauscht Daten mit SAP MII (Manufacturing Integration and Intelligence) aus, das die Informationen unter betriebswirtschaftlichen Aspekten aufbereitet. Hier kann beispielsweise zwischen eigener und Auftragsfertigung unterschieden werden.

Die Vorteile für die produzierende Industrie liegen in einer umfassenden und durchgängigen SAP-Integration aller Systeme, in der damit verbundenen Standardisierung und in der höheren Flexibilität durch die schnellere Anpassbarkeit an Veränderungen. Außerdem lassen sich durch diese Lösung Kosten reduzieren, weil pro Linie nur noch ein Rechner benötigt wird, so dass natürlich auch die Implementierungs-, Wartungs- und Administrationskosten geringer werden. Auf diese Weise lassen sich auch in Fabrikationsstellen, in denen kein IT-Fachpersonal verfügbar ist, hoch komplexe Serialisierungen durchführen.

Bottleneck Plant-Server muss ständig verfügbar sein

Das Konzept einer nächsten Generation der Serialisierung verfügt allerdings über einen systembedingten Bottleneck: Der Plant-Server als zentrales Steuerungssystem muss ständig verfügbar sein; hier können nicht einmal kurzfristige Systemausfälle hingenommen werden. Ausfälle der Line-Server führen zu einem direkten Stillstand der Produktions- oder Verpackungslinien; die Produktion ist damit zwar unterbrochen, aber die Daten bleiben dabei immerhin konsistent. Fällt hingegen der Plant-Server aus, so fehlt die zentrale Intelligenz des Systems – die Produktion läuft zwar weiter, aber die Daten sind womöglich nicht mehr konsistent. Mit der Folge, dass ganze Produktionschargen aussortiert und vernichtet werden müssen. Da moderne Linien einen Durchsatz von bis zu 400Packungen pro Minute erreichen, ist klar, dass durch den Ausfall des Plant-Servers sehr hohe Kosten entstehen können.

Für die Implementierung des Konzepts ist daher der Einsatz eines hoch verfügbaren Servers an dieser Stelle unverzichtbar. Cluster-Systeme erfordern eine aufwendige Administration und eignen sich deshalb nicht für den Einsatz auf der Ebene der Fabrikation. Stattdessen bieten sich hier fehlertolerante Server an, deren Technologie auf der Redundanz aller betriebswichtigen Teile beruht: Prozessoren, Speicher-Chips und I/O-Einheiten sind doppelt vorhanden, also nicht nur – wie sonst in High-End-Systemen üblich – nur Netzteile und Festplatten. Sollte eine Komponente ausfallen, übernimmt die jeweilige Partner-Komponente vollständig automatisch den Betrieb. Der Plant-Server kann also bei jedweder Hardware-Störung ohne Datenverlust oder Verlust des Status der Anwendung kontinuierlich weiterarbeiten. Derartige ftServer erreichen auf diese Weise eine Verfügbarkeit von mehr als 99,999%, was einer durchschnittlichen Ausfallzeit von etwa 5min/a entspricht. Fehlertolerante Server übertreffen damit sogar die Verfügbarkeit von Großrechnern. Dabei benötigen ftServer keinen besonderen Administrationsaufwand, was insofern von Bedeutung ist, als diese Systeme ja auf Fabrikationsebene betrieben werden.

Fazit: Mit einem fehlertoleranten Server an der Schnittstelle zwischen Plant und ERP besitzt das Gesamtsystem die für einen ausfallsicheren Dauerbetrieb erforderliche Verfügbarkeit. Produzierende Unternehmen der Pharma-Industrie können mit diesem neuen Konzept auch komplexe Produktionsabläufe flexibel steuern und – vor allen Dingen – entsprechend der neuen Vorschriften transparent dokumentieren.

 

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