Die Gesamtkosten für die Entwicklung eines neuen Medikamentes oder Wirkstoffes bis zu dessen Zulassung können bis zu einer Milliarde US- Dollar betragen. Bevor er in die erste von insgesamt drei klinischen Studienphasen geht, hat ein Wirkstoff in der Regel bereits etwa ein Jahrzehnt strenger präklinischer Studien durchlaufen. Dennoch hat er nach einer Veröffentlichung der FDA aus dem Jahr 2004 lediglich eine Chance von 8%, schließlich auch die Zulassung zu erlangen. Eine Ursache hierfür ist die geringe Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen, denn die überwiegende Mehrheit der Substanzen (etwa 90%), die sich im Tiermodell als „sicher“ erwiesen haben, scheitert in den anschließenden klinischen Studien.
So schnell und sicher wie möglich zur Marktreife
Angesichts dieses Kostenhintergrunds auf einem äußerst wettbewerbsintensiven Markt wird deutlich, dass neben der geforderten hohen Qualität der Studienergebnisse die möglichst zügige und reibungslose Durchführung der Studien im Hinblick auf die möglichst sichere und schnelle Markteinführung eines neuen Arzneimittels eine ausschlaggebende Rolle spielt.
Mit der eigentlichen Durchführung der klinischen Studie werden vom Entwickler eines neuen Arzneimittels – d.h. dem „Sponsor“ oder Auftraggeber der Studie – oftmals spezialisierte Dienstleister, sogenannte Contract Research Organizations (kurz CROs), beauftragt. Während in der Phase 1 in der Regel weniger als 100 Personen über den Zeitraum von einigen Wochen an der Studie beteiligt sind, können in der Phase 3 weltweit durchaus bis zu 10000 Probanden über mehrere Jahre hinweg einbezogen sein. Wie die eigentlichen Auftraggeber stehen dabei auch die CROs als Dienstleister unter einem immensen Qualitäts- und Kostendruck.
Im Rahmen der Durchführung klinischer Studien bildet das sogenannte Clinical Trial Supply (kurz CTS) Management einen wesentlichen Aufgabenblock. Neben der Verwaltung und Abwicklung der Prüfmusterherstellung umfasst dieser das Etikettieren und Verpacken sowie das rechtzeitige und richtige Bereitstellen der Prüfpräparate, der sogenannten Investigational Medicinal Products (kurz IMPs), in den international verteilten Prüfzentren bzw. bei den Prüfärzten.
Heutige „Best Practices“ sind anfällig für Fehler
Prozesse zur Unterstützung klinischer Studien, die sich mittlerweile als „Best Practices“ etabliert haben, sind heute allerdings noch vielfach geprägt durch eine Trennung von Materialien und den dazugehörigen Informationen. Hinzu kommt ein hohes Maß menschlicher Einflussnahme und damit ein hohes Fehlerpotenzial, welches wiederum durch (naturgemäß ebenfalls) fehleranfällige menschliche Kontrollen möglichst eliminiert werden soll.
Dieser Logik entsprechend werden Prozesse in der Regel durch den Bediener eines Systems und nicht durch das System selbst kontrolliert. Dies kann beispielsweise dazu führen, dass qualitätsrelevante Daten mitunter erst verspätet oder im Extremfall gar nicht im System nachgepflegt werden – eine zusätzliche mögliche Fehlerquelle, die dazu führen kann, dass die gesetzlich geforderte Kontrolle über IMPs, Prozesse und Informationen unter Umständen nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet ist.
Da solche Fehler prozessbedingt nicht automatisch erkannt werden, wird auch der Prozess selbst nicht angehalten, um den Fehler zu korrigieren. Stattdessen kommt es im weiteren Verlauf zu Folgefehlern, die die Aussagekraft und Qualität der Studienergebnisse mitunter nachhaltig negativ beeinflussen können. Solche Fehler werden dann oftmals nur noch aufgedeckt, wenn IMPs in den Prüfzentren bzw. bei den Prüfärzten nicht verfügbar sind oder an den falschen Ort geliefert wurden oder falls die Unrichtigkeit oder das Fehlen von Informationen von jemandem tatsächlich erkannt wird.
„Next Practice“ beseitigt Fehler-potenziale und steigert die Effizienz
Vor diesem Hintergrund soll an einem Teilprozess des Clinical Trial Supply Managements exemplarisch dargestellt werden, wie durch neue Methoden, d.h. durch eine „Next Practice“, Kontrollprobleme und Ineffizienzen der aktuell angewandten „Best Practice“ ausgeschaltet werden können. Ziel ist es, durch die konsequente Beseitigung potenzieller Fehlerquellen Zeit und Kosten zu sparen und zudem nachhaltig zur Erhöhung der Qualität beizutragen. Der Grundgedanke liegt dabei in der Zwangskopplung von Material- und Informationsflüssen bei gleichzeitiger Übernahme der Kontrollfunktionen durch Systeme, die es dem Menschen nur noch in Ausnahmefällen erlauben, korrigierend einzugreifen.
Die Etikettierung der IMPs steht am Beginn der Prozesskette und bietet somit einen ersten Ansatz für Kostenoptimierungen. Aufgrund der zumeist internationalen Ausrichtung klinischer Studien müssen die IMPs in der Regel mit Informationen in den jeweiligen Landessprachen gekennzeichnet sein. Dies verursacht einen erheblichen Mehraufwand, da für jedes Land eigene Etiketten-Chargen produziert werden müssen. Hier schaffen Spezialetiketten Abhilfe, die je nach Bedarf als Mehrlagen- oder als Booklet-Label aufgebaut sind, so dass alle benötigten Sprachversionen darauf Platz haben. Darüber hinaus können auch abnehmbare Dokumentationsteile, praktische Aufhängefunktionen, Sicherheitsmerkmale und RFID-Technologie integriert werden.
Die Etiketten geben Prüfärzten und Probanden sowie dem Auftraggeber der Studie selbst wichtige Informationen an die Hand, wie zum Beispiel Chargennummern, Verabreichungs- und Einnahmevorschriften, Hinweise zu Wirkung, Stärke und Lagerung des Wirkstoffs, Verfallsdaten, Packungsnummern und individuelle Codierungen. Jedes einzelne Etikett weist dabei dem verpackten Präparat, der Studie sowie dem betreffenden Probanden eine eindeutige Kennzeichnung zu. Diese kann in einem numerischen Code, einem Barcode oder einem RFID-Tag verschlüsselt sein und stellt eine lückenlose Rückverfolgbarkeit sicher.
Grundlage dieses optimierten Prozesses der Zusammenstellung und Verpackung ist die Kennzeichnung jedes einzelnen Prüfpräparates mit einem RFID-Label, das beispielsweise unsichtbar in ein Booklet-Label integriert ist. Im Rahmen der Etikettierung der Prüfpräparate werden die individuellen Informationen auf das Label aufgedruckt. Gleichzeitig wird die eindeutige Seriennummer durch ein im Drucker integriertes RFID-Modul ausgelesen und an das übergeordnete IT-System übertragen, wo sie mit den individuellen Informationen des Labels „verheiratet“ wird. Bei Bedarf können die individuellen Daten dabei auch noch gleichzeitig auf den RFID-Chip programmiert und zum Schutz vor Manipulationen gesperrt werden.
System kontrolliert Prozesse
Beim Erstellen des Kits werden dann systemseitig die Produkte, die zu einem Kit zusammengestellt werden sollen, im Sinne einer „Pickliste“ vorgegeben. Das fertige Kit wird danach an einer RFID-Station, die mit dem übergeordneten IT-System verbunden ist, automatisch ausgelesen – d.h. die RFID-Label aller im Kit befindlichen Produkte werden quasi gleichzeitig und durch die Verpackung hindurch gelesen – und automatisch mit der Pickliste verglichen. Bei vollständiger Übereinstimmung wird dann im nächsten Schritt automatisch ein weiteres RFID-Etikett generiert, das vom Mitarbeiter auf das Kit appliziert wird, nachdem er dieses verschlossen hat. Dieses RFID-Label kann bei Bedarf als Sicherheitssiegel ausgeführt sein, das ein erneutes Öffnen des Kits irreversibel anzeigt und Manipulationen an den Verpackungen sichtbar macht. Die eindeutige Seriennummer des RFID-Labels wird systemseitig mit den Seriennummern der RFID-Label an den im Kit befindlichen einzelnen Prüfpräparaten verbunden. Damit entsteht ein hierarchisches System, das bei Identifikation der Verpackung automatisch auf den dazugehörigen Inhalt schließen lässt.
Nur wenn Inhalt des Kits und Pickliste nicht vollständig übereinstimmen, kann der Mitarbeiter korrigierend eingreifen. Nach Korrektur des Fehlers wird das Kit abschließend nochmals an der RFID-Station automatisch ausgelesen. Wird nunmehr die vollständige Übereinstimmung mit der Pickliste festgestellt, so wird das bereits genannte RFID-Label zur Kennzeichnung des Kits automatisch generiert und vom Mitarbeiter appliziert.
Die heute zumeist vom „System Mensch“ geleistete und damit zwangsläufig fehlerträchtige Kontrollfunktion wird somit vollständig dem fehlerfrei arbeitenden „System Maschine“ übertragen. Im Klartext: Fehler werden zunächst durch vom System kontrollierte Prozesse zuverlässig aufgedeckt, anschließend vom Menschen korrigiert und abschließend nochmals vom System kontrolliert und automatisch dokumentiert.
Analog hierzu lassen sich auch die anschließenden Prozesse der Lagerung und des Versands bis hin zum Verabreichen an den Patienten und Rückführen überzähliger Präparate auf Basis von RFID realisieren. Stets verbunden mit der Zielsetzung, die Kontrolle von Prozessen vom Menschen auf Systeme zu übertragen, um zeit- und kostenintensive Fehlerpotenziale zu eliminieren und im Interesse der möglichst zügigen Markteinführung eines neuen Arzneimittels wertvolle Zeit zu gewinnen.
Kennzeichnung kombiniert mitÜberwachung der Kühlkette
Aber es gibt noch weitere Entwicklungen, die wertvolle Beiträge zur Verbesserung von Prozessen im Rahmen des Clinical Trial Supply Managements leisten können. So gibt es beispielsweise RFID-Lösungen mit integrierter Sensorik, die zusätzlich zur reinen Kennzeichnungsfunktion in der Lage sind, die Temperaturen zu dokumentieren, denen ein Prüfpräparat während der Lagerung sowie auf dem gesamten Distributionsweg bis hin zum Verabreichen an den Probanden ausgesetzt war.
Dies ist von besonderer Bedeutung, da angesichts der breiten, internationalen Ausrichtung vieler klinischer Studien Prüfpräparate auf ihrem Weg von der Herstellung bis zum Verabreichen über lange Distanzen und durch unterschiedliche Klimazonen transportiert werden müssen. Viele neue Arzneimittel sind jedoch temperaturempfindlich und müssen deshalb innerhalb eines definierten Temperaturfensters gelagert, transportiert und umgeschlagen werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass sie an Wirksamkeit verlieren oder sogar völlig unbrauchbar werden. Um dies zu verhindern, werden neben klimatisierten Transportmitteln unter anderem auch validierte Transportverpackungen eingesetzt, die definierte Temperaturbedingungen über bestimmte Zeiträume hinweg nachweislich aufrechterhalten können. Jedoch erfordert die Nachweispflicht, die tatsächlich herrschenden Temperaturbedingungen ebenfalls zu erfassen und zu dokumentieren. Hierzu dienen Temperaturüberwachungsgeräte, sogenannte Temperature Monitoring Devices, die in der neuesten Generation als selbstklebende Etiketten im Scheckkarten-Format ausgeführt sind.
Diese Überwachungsgeräte auf Etikettenbasis sind optimal geeignet für den Einsatz im Temperaturbereich von –20°C bis 50°C und können aufgrund einer integrierten, extrem flachen Batterie innerhalb eines Jahres nahezu beliebig oft eingesetzt werden. Die Etiketten sind kalibriert, verfügen über unterschiedliche Betriebsmodi für die Kurzzeit- bis hin zur Langzeitüberwachung und arbeiten auf Basis des internationalen RFID-Standards ISO 15693. Darüber hinaus sind sie flexibel programmierbar im Hinblick auf den zu überwachenden Temperaturbereich und die Temperaturerfassungsintervalle. In begrenztem Umfang können sogar individuelle Sendungsdaten wie zum Beispiel eine Sendungsnummer auf das Etikett programmiert werden.
Aufgrund ihrer Ausführungsform als platzsparende Karte können solche Überwachungsgeräte sogar in sehr kleinen Kits untergebracht werden, um die dort herrschenden Temperaturen zu dokumentieren. Bezogen auf das vorgenannte RFID-Beispiel kann eine solche Karte folglich einerseits den Kennzeichnungszweck des auf das Kit zu applizierenden RFID-Labels erfüllen und andererseits zugleich die wichtige Funktion der Temperaturüberwachung übernehmen. Im Zusammenspiel mit qualifizierten Software-Tools, die den Anforderungen zum Einsatz im regulierten Umfeld genügen, wie etwa 21 CFR Part 11, stehen heute bereits erste diesbezügliche Lösungen als schlüsselfertige Systeme zur Verfügung. Standardmäßig als Stand-Alone-System betrieben, können sie bei Bedarf aber auch in übergeordnete IT-Infrastrukturen eingebunden werden.