Im Zuge der gemeinschaftsrechtlichen Neuordnung der Lebensmittelsicherheit und -hygiene nach Vorgaben der Basisverordnung (EG) Nr. 178/2002, insbesondere der Verordnung für Lebensmittelhygiene EG Nr. 852/2004, wurde die Gesamtverantwortung für die Hygiene von Lebensmitteln auf die Lebensmittelunternehmer übertragen. Betroffen sind alle an der gesamten Lebensmittelkette Beteiligten, einschließlich der Hersteller, Inverkehrbringer und gewerbliche Nutzer von Lebensmittelverpackungen. Von Letzteren, Lebensmittelabfüllern und der damit sehr eng verbundenen Anlagenindustrie wird ein hygienischer, d.h. auch keimarmer Zustand zum Zeitpunkt des Abpackens gefordert. Dieser musss durch eine hygienisch einwandfreie Herstellung gemäß einer guten Herstell- und Hygienepraxis (Good Manufacturing Practice GMP sowie Good Hygienic Practice GHP) sowie durch ein betriebsspezifisches Hygienemanagement, zum Beispiel nach DIN EN 15599?:?2008 sichergestellt werden.

Aufgrund dieser neuen Hygienepolitik werden in Zukunft von allen Beteiligten in der Lebensmittelkette klärende Auskünfte zum hygienischen- bzw. mikrobiologischen Status ihrer Produkte erwartet. Dabei werden auch Fragen von Beteiligten der gesamten Lebensmittelkette, sogenannten Organisationen gemäß DIN EN ISO 22000, nach mikrobiologischen Richt- oder Orientierungswerten gestellt werden. Die Praxis berichtet bereits vielfach von derartigen Tendenzen. Die Verpackungsindustrie kann sich diesen auf Dauer nicht entziehen.

Notwendig erscheinen in dieser Situation möglichst breit anerkannte mikrobiologische Richtwerte für Packstoffe, Packmittel und Packhilfsmittel (Verschlüsse). Bisher wurden nur vereinzelt Richtwerte für Lebensmittelverpackungen veröffentlicht. In den maßgeblichen Hygienestandards für Lebensmittelverpackungen werden generell keine Richtwerte genannt.

Diese Richtwerte geben eine Orientierung zur überbetrieblichen Beurteilung der hygienischen Beschaffenheit von Verpackungsbehältern aus Glas und Kunststoffen im Lebensmittelverkehr. Sie gelten als gutachterliche Äußerung einer industriellen Arbeitsgruppe der Verpackungs- und Lebensmittelindustrie zum derzeitigen Stand der Hygienesituation von Lebensmittelverpackungen aus Glas und Kunststoffen. Sie haben Empfehlungscharakter und sind rechtlich nicht bindend. In dieser Eigenschaft können die Richtwerte Herstellern, Anwendern und Inverkehrbringern mehr Sicherheit bei der Hygieneeinstufung von Verpackungen geben. Diese Richtwerte sind der Ausdruck der Gesamtzahl von Bakterien (aerobe mesophile Keimzahl) auf den gesamten oder inneren Oberflächen von Verpackungsbehältern und deren Verschlüssen.

Bei den Datengrundlagen handelt es sich um Ergebnisse aus langjährigen Untersuchungen des Fh-IVV Freising (1997 bis 2000) zum mikrobiologischen Status von Lebensmittelverpackungen sowie Ergebnissen aus betriebsinternen Untersuchungen der teilnehmenden Firmen zum mikrobiologischen Status von Lebensmittelverpackungen

Diese mikrobiologischen Richtwerte beziehen sich auf Gebindeeinheiten von 20?ml bis 2?500?ml. Bei Packmitteln aus Glas beziehen sich die mikrobiologischen Richtwerte auf Enghalsflaschen. Die Probennahme erfolgt hier direkt vor dem Verpackungsprozess der auszuliefernden Glasbehältnisse.

Verpackungsbehälter mit Oberflächenkeimbelastungen unter oder gleich den Richtwerten gelten als hygienisch einwandfrei. Eine Überschreitung des Richtwertes deutet auf Hygiene-Schwachstellen im Fertigungsprozess hin, und es müssen geeignete Maßnahmen zur Ursachenanalyse ergriffen werden. Darüber hinaus ist eine interaktive Kommunikation entlang der gesamten Lebensmittel- und Verpackungskette gemäß DIN EN ISO 22?000 für einen Dauererfolg von entscheidender Bedeutung.

Mikrobiologische
Untersuchungsmethoden

Für die Bestimmung der Innen- und Außen-Gesamt-Oberflächenkeimzahlen von Glas- und Kunststoffbehältern (Gesamtkeimbelastung/Bioburden) sowie deren Verschlüsse werden modifizierte Methoden nach ILV-Merkblatt 19 und ILV-Merkblatt 15 empfohlen. Die Anzahl der Probenstücke liegt bei mindestens 20 Behältern bzw. Verschlüssen.

Spülen, Schütteln und Membran-Filtration, modifiziert nach ILV-Merkblatt 19, Behälter mit Phosphat-gepufferter Pepton-Kochsalz-Bouillon, (Merck 1.10582, Oxoid BR 14a) oder Ringer-Lösung (Merck Nr. 1.15525, Oxoid BR 52) pH 7,0, spülen, Netzmittel zum Beispiel Tween 80 zufügen (Merck Nr. 8.22187), mit Ultraschall für mindestens 2?min behandeln.

Alternativverfahren 1: Behälter zusätzlich mit autoklaviertem Seesand (rund 0,5?g pro 100?ml) versetzen und auf einem speziellen Schüttelapparat (zum Beispiel Bottle Turner) maximal 10?min schütteln.

Alternativverfahren 2 zur Bestimmung der Außen- bzw. Außen- und Innen-Keimbelastung von Verpackungsbehältern, deren Vorformen (preforms) sowie deren Verschlüsse aus Kunststoffen (Labormethode des Fraunhofer-IVV, modifiziert nach ILV-Merkblatt 19).

Vorsterilisierte, heißsiegelbare Kunststoff-Beutel (blender bags, blender sachets) mit Füllvolulumen von 100?ml bis 3,5?l mit steriler Phosphat-gepufferter Pepton-Kochsalz-Bouillon oder Ringer-Lösung, mit Netzmittel, beispielsweise Tween 80, pH?7,0, befüllen (Füllmenge abhängig von Probenvolumen). Die Untersuchungsproben (Behälter und preforms mit/ohne Verschlüsse, Verschlüsse separat) in die Beutel einbringen und mindestens 2?min schütteln bzw. walken (manuell oder mit einem Walk (Stomacher)-Laborgerät).

Die jeweils erzielten Spüllösungen durch Membranfilter (Porendurchmesser 0,45?µm) filtrieren, diese auf vorbereitete Keimzähl-Agars legen und 48?h bis 5?d bei 30?°?C bebrüten. Auszählen aller sichtbaren koloniebildenden Einheiten (KbE).

Beschichten transparenter Behälter (Glas, Kunststoff) mit Nähragar, modifiziert nach ILV-Merkblatt 15. Behälter mit noch flüssigem Keimzählagar, maximal 50?°?C, durch Eingießen beschichten, etwa 3?mm dicke Schicht, gleichmäßiges Beschichten durch Rotation des Behälters. Steril verschließen und bebrüten: 48?h bis zu 7?d bei 30?°?C. Auszählen aller sichtbaren koloniebildenden Einheiten (KbE).

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