Integration des Personals in den Transfer ist der Schlüssel zur reibungslosen Inbetriebnahme, wie hier in einer biotechnologischen Anlage für Julphar Gulf Pharmaceuticals in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Integration des Personals in den Transfer ist der Schlüssel zur reibungslosen Inbetriebnahme, wie hier in einer biotechnologischen Anlage für Julphar Gulf Pharmaceuticals in den Vereinigten Arabischen Emiraten (Bild: Glatt / Julphar)

  • Frühes Festlegen spezifischer Anforderungen, Ziele und Prioritäten eines Tech-Transfer-Projektes sowie klar strukturierte Abläufe und Schnittstellen sind wichtige Erfolgsfaktoren für eine effiziente Projektabwicklung.
  • Erfahrenes Projektmanagment kann Budgetziele oder Vorgaben durch Beschaffung in ‚Best cost countries‘ mit entsprechenden Audit- und Steuerungsprozessen kostengünstig realisieren.
  • Bei biotechnologischen Prozessen oder neuen Produkten sind zusätzlich noch Aspekte bezüglich Technologie-Transfer und Skalierung zu beachten.

Neuer Standort, dieselbe Technik, alles wie gehabt? In der Biotechnologie läuft es nicht ganz so einfach: Die Synthese von bestimmten pharmazeutischen Wirkstoffen wie Insulin, Impfstoffen oder Antikörpern, deren rein chemische Synthese unmöglich oder um ein vielfaches teurer wäre, mithilfe von Mikroorganismen oder Zell-linien erfordert zum einen komplexe Prozessbedingungen. Außerdem will nicht nur der produzierende Organismus im Bioreaktor optimal versorgt sein, es gibt auch formale Aspekte wie Patent- und Zulassungsstatus des produzierten Medikamentes zu berücksichtigen. Und nicht zuletzt spielen GMP-Richtlinien und Dokumentation eine wichtige Rolle, denn auch die Anlagenplanung ist Teil des pharmazeutischen Zulassungsprozesses für ein neues Medikament.

All diese Details an einen neuen und unter Umständen weit entfernten Standort, in einen anderen Kulturkreis und einen anderen Markt zu übertragen, ist eine Herausforderung – es reicht nicht, einfach einen Bioreaktor in einer anderen Halle aufzustellen. Die Biotechnologen von Glatt Ingenieurtechnik kennen solche Herausforderungen: In verschiedenen Projekten haben sie den Technologie-Transfer biotechnologischer Projekte in den arabischen Raum und nach Indien bewältigt.

Ausgangspunkt ist dabei stets die Bedarfs- und Produktdefinition des pharmazeutischen Herstellers. Sie entscheidet darüber, ob ein geeignetes biotechnologisches Herstellverfahren bereits im eigenen Haus vorliegt oder durch einen Technologieanbieter oder Lizenzgeber hinzugewonnen werden muss. Ist diese Verfügbarkeit für das angestrebte Marktgebiet geklärt, bewerten und vergleichen die Biotechnologie-Ingenieure die infrage kommenden Technologien zunächst nach verschiedenen Kriterien.

Europäische Berater für arabische Zulassung
Diese umfassen unter anderem das Vorliegen eines definierten, stabilen Mikroorganismus oder einer Zell-Linie mit hoher Ausbeute sowie eine Statusanalyse zum Maßstab des biotechnologischen Verfahrens: Existiert das Verfahren bislang nur im Labor, gibt es zunächst Scale-up in eine Pilotanlage, oder existiert bereits ein erprobtes Verfahren im kommerziellen Maßstab? Diese Statusanalyse bestimmt den Terminplan des Gesamtprojektes maßgeblich. Weitere Bewertungskriterien sind unter anderem ein sichergestellter Patent-Status, gegebenenfalls zu zahlende Lizenzgebühren, Materialbedarf sowie erwartete Umsatzrate und Ausbeute. Außerdem ist wichtig, welche Garantien auf Verfahrensparameter wie Ausbeutegrad und Produktreinheit gegeben werden können.

3D-CAD-Modell einer Fermentations-Anlage im Nahen Osten: Sorgfältige Planung ist wichtig. (Bild: Glatt)

3D-CAD-Modell einer Fermentations-Anlage im Nahen Osten: Sorgfältige Planung ist wichtig. (Bild: Glatt)

Auf die Auswahl bevorzugter Kandidaten im Rahmen eines Technologie-Vergleichs folgen Verhandlungen über die Eckpunkte eines Tech Transfer Agreement (TTA). Liegt schließlich ein unterschriebenes TTA oder ein Lizenzvertrag vor, stellt der Technologiegeber den Informations-Input für die Planung bereit. Neben einer Verfahrensbeschreibung, charakteristischen Fließbildern, Qualitäts- und Messparametern sollten wenn möglich auch Beispiel-SOPs aus Referenzanlagen vorhanden sein. Des Weiteren sind die Anforderungen lokaler Behörden bezüglich Zulassung der Technologie und der damit hergestellten Produkte zu betrachten: Referenzbehörde für alle arabischen GCC-Länder ist beispielsweise die Saudi-FDA, welche sich für biopharmazeutische Produkte an der europäischen EMA orientiert. Für einen arabischen Kunden begleitete daher ein europäischer ‚Regulatory Consultant‘ das gesamte Zulassungs-Dossier nach europäischem Muster. Eine wichtige Rolle spielte dabei die „regulatorische Passfähigkeit“ von aktiver biologischer Substanz (ABS) und finaler Darreichungsform.

Geplantes biopharmazeutisches Produktionsgebäude im Königreich Bahrain. (Bild: Glatt)

Geplantes biopharmazeutisches Produktionsgebäude im Königreich Bahrain. (Bild: Glatt / GBC Sanad)

Meist erfolgt der Technologie-Transfer an einem etablierten pharmazeutischen Betrieb, der seinerseits über gewachsene spezifische Standards und eigene Randbedingungen verfügt. Empfehlenswert ist, Betreiberanforderungen oder Design-Basis-Dokumente auf das jeweilige Projekt oder Produkt zuzuschneiden und die vorgefundenen Standards darauf zu beziehen. Allgemeine Vorgaben wie „alle unsere betrieblichen Standards müssen ebenso berücksichtigt und eingehalten werden wie die Firmenstandards des Lizenzgebers“ führen ansonsten schnell zu Dopplungen und mangelnder Passfähigkeit, was zuweilen eine klare Design-Lösung ausschließt. Die Erfahrung zeigt, dass hier gegebenenfalls die Erweiterung von bisher auf chemische Wirkstoffherstellung fokussierten Betrieben auf spezifische biotechnologische Standards angeraten ist. Dies betrifft beispielsweise die Materialwahl, Rohrklassen, Schlauch- und Verbindungstypen, Prinzipien für hygienisches Design sowie Mess- und Analysenprinzipien. In einem Projekt im Königreich Bahrain ging es z.B. um Formulierung, Abfüllung und Endfertigung von sterilen Darreichungsformen verschiedener Biosimilars-Produkte. Der deutsche Technologiegeber verwendete dort auch Betreiberanforderungen und SOP-Dokumente aus einem anderen Referenzbetrieb in Indien, in welchem die Technologie jüngst transferiert wurde, und integrierte die dabei gewonnenen Erfahrungen. Vor Planungsbeginn erfolgte so ein Abgleich zwischen dem Tech-Transfer-Paket und den in der betrieblichen Praxis angewendeten SOPs, die anschließend in der harmonisierten ‚Design Basis‘ für das Projekt im neuen Zielland Bahrain festgeschrieben wurden.

Internationales Zusammenspiel ergänzt Methodik und Sachkenntnis
Während der Konzeptphase sind frühzeitig GMP-Reviews zu Prozessplanung, Zonenkonzept und Layout durchzuführen, die auch die regionalen Anforderungen im Zielland des Projektes mitberücksichtigen. So ist etwa in der Russischen Föderation neben der Klassifizierung von Reinräumen und Lüftungsanlagenbereichen auch die Festlegung sogenannter ‚Raumkategorien‘ mit Bezug zum Brandschutz nötig. Wichtig ist dabei eine enge Abstimmung zwischen Technologiegeber, Engineering-Dienstleister und dem zukünftigen Betreiber. Dazu eignen sich regelmäßige gemeinsame Design Review Meetings. Für den Kunden Julphar Gulf Pharmaceutical Industries aus den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Technologie-Lizenzgeber aus den USA fanden mehrere solcher Treffen auf halber geographischer Strecke in den deutschen Engineering-Büros statt.

Die Spezifik biotechnologischer Pharma-Produktionsanlagen erfordert neben Pharma-Sachkenntnis, GMP und hygienischem Design auch Biotechnologie-kompetente und -projekterfahrene Prozessingenieure. Kommt zum Technologietransfer auch ein vergrößerter Produktions-Maßstab hinzu, sind unter Umständen Versuchsserien bei entsprechenden Ausrüstungsherstellern notwendig. In einem Projekt sammelten die Ingenieure zu diesem Zweck Fermentationsbrühen und testeten diese in Separations- und Aufreinigungs-Versuchen bei ausgewählten Ausrüstungsherstellern in Europa. Der fertige Projektplan berücksichtigte die Ergebnisse dieser mehrwöchigen Versuchsreihen ebenso wie den zusätzlich nötigen Transport-, Zeit- und Kostenaufwand.

Biopharmazeutische Projekte in Asien und im Mittleren Osten stehen unter Kostendruck, da vor allem indische Hersteller mit kostengünstiger Produktion auf den Markt drängen. Um etwa im arabischen Raum Produktionskosten zu senken, ist es wichtig, regionale Fachplaner und Lieferanten einzubeziehen und die Beschaffung von Ausrüstungskomponenten in ‚Best Cost Countries‘ in der Projektabwicklungsstrategie zu berücksichtigen. Die Glatt Gruppe verfügt neben Fertigungsstätten in Deutschland, der Schweiz, den USA auch über Fertigungsbetriebe in Osteuropa (Hradec Kralove, CZ) und Indien (Pune, MH), die Edelstahlausrüstungen und Behälter nach westeuropäischem Standard fertigen. Die Beschaffungsstrategie in Drittkunden-Projekten bleibt aber unabhängig vom eigenen Ausrüstungs-Portfolio, sondern entsteht unter Einbezug der für die jeweilige Prozessaufgabe am besten geeigneten Hersteller, Leistungsfähigkeit der Lieferanten, Referenzen und Erfüllung der hohen Pharma-Qualitätsanforderungen.

Schnell auf den Markt mit geschultem Personal
Besonders wichtig ist die Betreuung und Verfolgung der ausgewählten Zulieferer während der Komponenten-Fertigung der Gesamtanlage, einschließlich Audits und Expediting bei den Lieferanten vor Ort. Ein klar strukturiertes Projektmanagement- und zentrales Datensystem dienen als Cockpit für alle Projekte. Der Abnahmetest für komplexe Liefereinheiten beim Hersteller bezieht bereits das zukünftige Betreiberpersonal mit ein. Bei Technologie-Transfer und Skalierung von Verfahren ist dies unter Umständen sogar noch zeitiger erforderlich. So erhielt beispielsweise das zukünftige Schlüsselpersonal für ein Projekt in Arabien eine mehrwöchige Schulung in der Pilotanlage des Technologiegebers in Europa, zur Vorbereitung auf den Technologie-Transfer. Insgesamt empfehlen die Biotechnologen ein frühzeitiges Sourcing von Schlüsselpersonal des zukünftigen Betreiber-Teams, ein gemeinsames Training mit Technologiegeber und Engineering-Team und die Teilnahme des Schlüsselpersonals an FAT- und SAT-Tests, an der Inbetriebnahme sowie während der Installations-Qualifizierung (IQ) und Betriebs-Qualifizierung (OQ). In diesem Rahmen erweitert der Betreiber am besten das Team gestaffelt auf volle Betriebsstärke, parallel zur Projektabwicklung.

Frühzeitige Verfügbarkeit spielt für den pharmazeutischen Hersteller eine große Rolle, und oft ist eine verkürzte Time-to-Market ein explizit formuliertes Ziel im Projekt. Effektives Projektmanagement und Terminplanung sind nur die ersten Maßnahmen zu diesem Zweck. In einem Projekt beschleunigten die Biotechnologen die Fertigstellung der Installationsqualifizierung und Qualifizierung zum Betrieb der Anlage (IQ/OQ) um mehrere Wochen, indem sie ein vollumfängliches 24/7-Schicht- und Support-System einführten. In einem anderen Projekt lobte der Kunde lukrative ‚incentive‘ Zahlung bei früherem Erreichen definierter Meilensteine aus, so dass die gesamte Baustellen- und Inbetriebnahmemannschaft großes Interesse daran hatte. Da über einen Prämien-Verteilerschlüssel jedes Teammitglied persönlich an den ‚incentive‘ Zahlungen teilhaben konnte, entstand eine breite und wirksame Motivation für zusätzlichen Arbeitszeit-Einsatz und enge, zielführende Abstimmung, bei der dennoch die gesicherte Qualität und Unfallfreiheit auf der Baustelle stets das höhere Ziel darstellten.

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Glatt Ingenieurtechnik GmbH

Nordstraße 12
99427 Weimar
Germany