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(Bild: jirsak – AdobeStock)

Also gestalten die Unternehmen ihre Organisation um. Zudem schulen sie ihre Mitarbeiter top-down in den Arbeitsweisen, die aus ihrer Warte zum Erreichen der Ziele nötig sind: beispielsweise im „Design Thinking“. Doch nach einiger Zeit stellen sie nicht selten frustriert fest: In unserer Organisation hat sich zwar viel bewegt, doch unser Ziel – zum Beispiel, agiler zu werden – haben wir nicht erreicht; und schon gar nicht das übergeordnete Ziel, den Erfolg des Unternehmens langfristig zu sichern.

Unternehmen hinken der Entwicklung hinterher

Dafür gibt es viele Gründe. So verändern sich zum Beispiel in der heutigen Arbeitswelt die Rahmenbedingungen des Handelns sowie die (technischen) Möglichkeiten, Probleme zu lösen, und somit auch die Kundenbedürfnisse rasch. So schnell, dass die Unternehmen – zumindest gefühlt – der Entwicklung eigentlich stets hinterherhinken. Zugleich resultiert aus der raschen Veränderung ein so großer Change- und Lernbedarf, dass er top-down immer weniger erfasst und befriedigt werden kann.

Hierauf haben die Unternehmen durchaus reagiert. So lautete zum Beispiel bei allen Managementsystemen, die in den letzten Jahrzehnten en vogue waren – unabhängig davon, ob diese KVP, TQM, Kaizen, Six Sigma oder Lean Management hießen – stets ein Ziel: Die Arbeit soll sich stärker an den Bedürfnissen der Kunden orientieren. Und um dieses Ziel zu erreichen, wurde auch stets propagiert, mehr Entscheidungsbefugnisse auf die Mitarbeiter- und Teamebene zu verlagern. Und eng damit verknüpft war die Forderung: Die Führung muss sich ändern; die Führungskräfte müssen sich als Befähiger und Ermächtiger ihrer Mitarbeiter verstehen. Entsprechend viele Initiativen, um einen solchen Kulturwandel hierbei zu führen, wurden in den meisten (größeren) Unternehmen ergriffen. Deshalb wirkt es auf die Betroffenen absurd, wenn man, wie aktuell manch New-Work-Evangelist, zum Beispiel ein Zerrbild von Führung in den Unternehmen an die Wand malt, das rein auf dem Befehl-Gehorsam-Prinzip basiert, und betont: „Der Mindset muss sich radikal verändern.“

Es herrscht breite Verunsicherung

Solche Zerrbilder sind plakativ. Sie entsprechen aber nicht mehr der betrieblichen Realität – zumindest in den Kernbereichen der Unternehmen. Dessen ungeachtet besteht aktuell in vielen Unternehmen top-down eine tiefe Verunsicherung, wenn es um die Frage geht: Wie soll unsere (Zusammen-)Arbeit künftig strukturiert sein? Diese zeigt sich zum Beispiel darin, dass seit einigen Jahren der Begriff „Holo-kratie“ durch die Managementdiskussion geistert. Er bezeichnet eine nicht-hierarchische Organisationsform, bei der die Organisation aus einer Vielzahl von selbstständigen Einheiten, sogenannten „Holons“ besteht. Die Mitglieder der „Holons“ haben keine Führungskräfte bzw. Vorgesetzte, die ihnen sagen, was es zu tun gilt. Sie treffen vielmehr im Rahmen der vereinbarten übergeordneten Ziele die Entscheidungen weitgehend selbst. Soweit so gut.

Realisiert wurde diese Organisationsform bisher nur in Non-Profit-Organisationen und kleinen Start-ups. Und von den zwölf Organisationen, die der ehemalige Unternehmensberater Frederic Laloux 2014 in seinem Buch „Reinventing Organizations“ als Beleg für die Realisierbarkeit des Konzepts nannte, kehrten zehn wieder zum traditionellen Top-down-Management zurück.

Auch Selbstorganisation erfordert Führung

Die zentrale Ursache hierfür ist: In größeren Organisationen steht die Arbeit der einzelnen Einheiten – egal, ob sie Bereiche, Teams oder Holons heißen – stets in Zusammenhang mit übergeordneten Zielen und einer sich hieraus ergebenden Gesamtstrategie. Und die damit verknüpften Entscheidungen müssen getroffen und vermittelt werden. Deshalb benötigen größere Organisationen stets eine gewisse Form der Hierarchie und Führung. Sonst fehlen den Mitarbeitern der erforderliche Halt und die nötige Orientierung, die auch für ein weitgehend selbstbestimmtes Arbeiten unabdingbar ist. Dass die Holokratie-Idee trotzdem auf eine so nachhaltige Resonanz stößt, zeigt, welch große Verunsicherung bei vielen Organisationsentwicklern besteht.

Entsprechendes gilt für die agilen Arbeitsweisen und -methoden. Sie werden oft als die Lösung aller Probleme der Unternehmen im digitalen Zeitalter präsentiert – unter anderem weil auch sie auf eine weitgehende Übertragung der Entscheidungsbefugnisse auf die Mitarbeiter bzw. Teams setzen, so dass diese eigenverantwortlich handeln können. Dies setzt jedoch einen gewissen Reifegrad der Mitarbeiter und Teams voraus. Er muss von den Führungskräften bzw. Unternehmen gezielt gefördert werden.

Agile Methoden sind kein Allheilmittel

In der Praxis scheitert die sogenannte agile Skalierung – also das Übertragen der agilen Arbeitsweisen auf ganze Unternehmen – nicht nur daran, dass in manchen Unternehmensbereichen einige der agilen Prinzipien – wie zum Beispiel das inkrementelle Arbeiten – nur sehr bedingt realisierbar sind. Entscheidender ist: Ein agiles, also weitgehend selbstbestimmtes Arbeiten setzt bei den Mitarbeitern neben einer hohen fachlichen Expertise auch eine ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstführung und -organisation voraus. Zudem müssen sie eine hohe intrinsische Eigenmotivation haben. Dieses Fähigkeiten- und Eigenschaftenbündel ist bei vielen Mittarbeitern (noch) nicht oder nur bezogen auf gewisse (Teil-)Aufgaben gegeben. Deshalb ist ein sogenanntes agiles Führen im Betriebsalltag ohne Vorbehalte eigentlich nur möglich bei Mitarbeitern, die bereits eine hohe Routine beim Bewältigen ihrer Aufgaben haben und bei denen das Engagement stimmt, und bei Mitarbeitern, die zum Beispiel in Teamstrukturen eingebunden sind, die gewisse bei ihnen noch vorhandene fachliche und motivationale Defizite unterstützend ausgleichen.

Alle anderen benötigen eine den Entwicklungsprozess der Mitarbeiter begleitende Führung, die sich in einem mal mehr, mal weniger dirigierenden und unterstützenden Verhalten zeigt.

Mindset ist der Schlüssel zum Erfolg

Bleibt die Frage: Warum fällt vielen Mitarbeitern ein weitgehend selbstbestimmtes und -organisiertes Arbeiten so schwer, obwohl die Unternehmen schon viele Anstrengungen unternahmen, ihre diesbezügliche Kompetenz zu steigern? Ein zentraler Punkt der Antwort ist: Viele Unternehmen vermittelten in der Vergangenheit im Rahmen ihrer Initiativen, die Unternehmenskultur zu verändern, ihren Mitarbeitern zwar viel Methodenwissen; zu kurz kam aber nicht selten das Vermitteln, warum ein weitgehend selbstbestimmtes Arbeiten überhaupt nötig ist, das auf eine Änderung des Mindset, also der Einstellungen der Mitarbeiter abzielt.

Nur wenige Unternehmen konfrontierten ihre Mitarbeiter beispielsweise gezielt damit, was sich in den Märkten vollzieht – zum Beispiel in den Schwellenländern, bei den Technologieführern, in verwandten Branchen oder bei den Unternehmen, die die Marktentwicklung verschlafen haben. Damit könnte man ihnen vermitteln, warum für den Erfolg von Unternehmen heute eigenständig und -verantwortlich arbeitende Mitarbeiter nötig sind. Nur wenige vermittelten ihnen zudem mit der nötigen Plastizität, welche Paradigmenwechsel sich in der Wirtschaft und Gesellschaft vollziehen, weshalb die Change-Projekte heute einen anderen Charakter als die Projekte in der Vergangenheit haben – selbst wenn gewisse Kernbotschaften wie „Führung muss sich ändern“ sowie „Unsere Mitarbeiter müssen eigenverantwortlicher arbeiten“ weitgehend identisch klingen.

Führungskräften das Rückgrat stärken

Entsprechendes gilt für die Führungskräfte. Sie sind in vielen Unternehmen hochgradig verunsichert – auch weil sie zunehmend nicht wissen, inwieweit Führung bzw. Führungskräfte in ihren Unternehmen künftig überhaupt noch benötigt werden. Das liegt auch an den Unternehmen. Ihre Top-Entscheider schwadronierten in den zurückliegenden Jahren nicht selten über die Holokratie als die Organisationsform der Zukunft statt an ihre Führungskräfte die klare Botschaft zu senden: „Führung wird im digitalen Zeitalter und in der modernen Arbeitswelt immer wichtiger, denn wer oder was soll den Mitarbeitern in einem Unternehmenskontext, in dem alles auf dem Prüfstand steht, sonst den gewünschten Halt und die nötige Orientierung geben?“. Und statt in Zeiten, in denen fast alles im Umbruch ist, die Weiterbildung der Führungskräfte zu forcieren, wurden in vielen Unternehmen die Führungskräfte-Entwicklungsprogramme auf Eis gelegt. Entsprechend wichtig wäre es aktuell in vielen Unternehmen, den Führungskräften mit Nachdruck wieder zu vermitteln, wie wichtig sie und ihre Arbeit für den Unternehmenserfolg sind, denn: Ohne starke – das heißt überzeugende, die Mitarbeiter mitnehmende – Führungskräfte wird den Unternehmen die digitale Transformation nur schwer gelingen.

Führung erfordert eine hohe Verhaltensflexibilität

Entsprechende Initiativen sind auch nötig, weil Führungskräfte gerade in einem von starker Veränderung geprägten Umfeld eine hohe Selbstreflexionsfähigkeit und Kompetenz zur Selbstführung brauchen. Denn in ihm müssen sie ihr Führungsverhalten immer wieder flexibel und agil der Entwicklung des jeweiligen Mitarbeiters bzw. Teams sowie der jeweiligen Situation anpassen. Entsprechend hoch muss neben der Sensibilität für die Ist-Situation die Verhaltensflexibilität und Selbstreflexionsfähigkeit der Führungskräfte sein. Und hierfür gilt es sie zu qualifizieren – und zwar ähnlich wie sie dies selbst im Rahmen ihrer Funktion bezogen auf ihre Mitarbeiter tun sollten. Das heißt: Die Führungskräfteentwicklungsmaßnahmen sollten, wie bei den Mitarbeitern, dem Entwicklungsstand der Führungskräfte sowie ihrer aktuellen bzw. künftigen Funktion entsprechen. Sie sollten zudem diese zwar fordern, aber nicht überfordern, denn nur dann reifen sie mit der Zeit zu den selbstbewussten Führungspersönlichkeiten heran, die Unternehmen heute auf allen Ebenen brauchen.

 

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