Bezüglich der stofflichen Zusammensetzung von Lebensmittelverpackungen sind die Regelungen der EU VO 1935/2000 maßgeblich. Danach werden das Inverkehrbringen von Verpackungen für den direkten Kontakt mit Lebensmitteln sowie die Stoffübergänge zwischen Verpackungsmaterial und Lebensmittel verbindlich geregelt.

Jeder Lebensmittel- und damit verbunden auch Verpackungshersteller steht nun in der Verantwortung, eine wirksame Hygieneüberwachung zu gewährleisten. Schlussendlich sind alle Beteiligten in der Produktionskette in ein allgemein verbindliches Überwachungssystem gemäß DIN EN ISO 22000 einzubeziehen. Im Vergleich zur Hygieneüberwachung in der Lebensmittelindustrie gelten für Verpackungshersteller aber einige Unterschiede.

Allgemeine Verwirrung

Obwohl keine direkte gesetzliche Verpflichtung für den Verpackungshersteller besteht, Hygiene-Überwachungsmaßnahmen durchzuführen, wird zukünftig diese Hygieneverantwortung von Abpackern an die Verpackungshersteller bzw. -lieferanten übertragen werden. Von letzteren wird ein keimarmer Zustand von Verpackungen bis zur Ablieferung beim Kunden (Abpacker) gefordert. Dieser Zustand muss durch Dokumente belegt werden. Somit ergibt sich für die Verpackungsindustrie die Verpflichtung, durch betriebsinterne Hygienemaßnahmen einen geforderten Keimstatus (keimarm) bis zur Übergabe an den Kunden sicherzustellen.

Eine konkrete Antwort auf diese neue Situation steht für viele Unternehmen, vor allem kleine und mittelständische, zur Zeit noch aus. Es empfiehlt sich vorerst, eine differenzierte Prüfung der jeweiligen betrieblichen Situation vorzunehmen. Dies umsomehr, als bereits seit einigen Jahren eine Reihe von Hygiene-Leitlinien und -Leitfäden, Empfehlungen, Normen und nationalen bzw. internationalen Standards zur Auswahl stehen oder gar miteinander konkurrieren. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang besonders auf DIN EN ISO 22000, in der wiederholt die Bedeutung der Verpackung im Gesamtkontext des dort beschriebenen „Managementsystems für Lebensmittelsicherheit“ hervorgehoben wird.
Damit ist die Situation für die betroffenen Betriebe aber keineswegs übersichtlicher geworden. Vielmehr herrscht bei vielen ein Gefühl der Unsicherheit und Verwirrung. Aufklärung ist in dieser Situation das Gebot der Stunde. Vor allem ist die Frage zu klären, ob für die Hygieneüberwachung das HACCP-Verfahren generell zu integrieren ist. Viele Missverständnisse über die ursprüngliche Absicht des HACCP-Prinzips sind bereits im Vorfeld auszuräumen. Schon früher wurde festgestellt , dass das HACCP-Konzept in der Verpackungsindustrie generell nicht praktikabel ist. Vielmehr empfiehlt es sich, ein jeweils verpackungsspezifisches Hygienemanagement zu implementieren. Dessen vorrangige Aufgabe ist es, den primär keimarmen Status von Packstoffen und Packmitteln nach Stand der Herstelltechnik bis zum Versand an den Abpacker sicherzustellen. Spätestens an dieser Stelle wird die Frage nach geeigneten Managementsystemen gestellt werden müssen, mit deren Hilfe die zukünftig geforderte Hygienesicherheit von Lebensmittelverpackungen sicher geleistet werden kann.

Hygienemanagement in derVerpackungsherstellung

Verpackungen durchlaufen während ihres Lebenszyklus von der Herstellung einschließlich der Rohstoffbeschaffung bis zur Auslieferung an den Abpacker eine Reihe von Prozessorten, an denen die Verpackungshygiene erfahrungsgemäß auch negativ beeinflusst werden kann.

Wichtigste Ziele eines leistungsfähigen Hygienemanagements in der Verpackungsindustrie sind das Auffinden von Hygienerisiken und -gefährdungen durch eine betriebsspezifische Risiko- und Gefährdungsanalyse sowie die plangemäße Durchführung von adäquaten Maßnahmen, um die analysierten Risiken und Gefahren zu beherrschen.
Die praktische Durchführung eines Hygienemanagements für die Herstellung von Lebensmittelverpackungen wird sich an den bisher schon anerkannten und bewährten Standards orientieren. Wobei folgende Elemente zu berücksichtigen sind:

  • Am Anfang steht immer die konkrete Entscheidung der Betriebsleitung zur Errichtung eines Hygienemanagements (Grundentscheidung). Sie bildet die betriebsrechtliche Basis für alle weiteren Aktionen. Sie sichert die sachlichen, persönlichen und finanziellen Mittel zur Durchführung der Maßnahmen. Ohne eine Identifizierung der Betriebsleitung mit allen späteren Maßnahmen kann keine nachhaltige Wirkung erzielt werden.
  • Nächster Schritt ist die Beauftragung eines Hygiene-Teams. Dieses setzt sich zusammen aus fachkundigen Mitarbeitern unter der Koordination und Leitung eines Teamleiters (interne Besetzung). Darüber hinaus können auch externe Serviceleistungen in Anspruch genommen werden, wie beispielsweise Untersuchungslabors, Experten für Reinigung und Desinfektion oder Schädlingsbekämpfer.
  • Im Anschluss daran folgt die Durchführung einer betriebsspezifischen Risiko-/Gefahrenanalyse durch das Hygiene-Team. Dabei können bereits bestehende Hygienestandards übernommen werden oder als Vorlage dienen. Auch Fachleute von außen können zugezogen werden.
  • In der Risikoanalyse erkannte Hygienegefahren sind durch gezielte Maßnahmen unter Kontrolle zu bringen (Beherrschen von Hygienegefahren). Erstellen eines betriebsspezifischen Maßnahmenkatalogs: Die Maßnahmen gliedern sich in Beobachten, Messen, Aufzeichnen und Beschreibung konkreter Einzelaktionen (Maßnahmen) zur Beseitigung von Hygienemängeln.
  • Die Dokumentation ist der Nachweis aller durchgeführten Maßnahmen gegenüber Kunden und zertifizierenden Einrichtungen.
  • Die Erfolgskontrolle (Verifikation) des Hygienemanagements durch periodische Untersuchungen bestätigt die Richtigkeit des praktizierten Managements. Diese wird in der Regel durch ein Auditierungsverfahren gewährleistet. Man unterscheidet zwischen internen und externen Audits. Letztere erfolgen durch autorisierte Einrichtungen und erfolgen je nach Branche nach anerkannten Richtlinien oder Standards. Externe Auditierungen finden meistens durch das Erteilen von Zertifikaten einen verfahrensmäßigen Abschluss. Ein Auditierungsverfahren mit Zertifizierung ist aber gesetzlich nicht zwingend.
  • Die Vernetzung aller Maßnahmen mit anderen vor- und nachgelagerten Prozessstufen in der Verpackungskette (interaktive Kommunikation gemäß DIN EN ISO 22000) wird in Zukunft ein erfolgssichernder und damit unersetzlicher Bestandteil eines Hygienemanagementsystems sein.

 

Eine Alternative zu den bestehenden Hygienestandards stellt in Zukunft die Norm DIN EN 15593 dar. Diese liegt zur Zeit als Normentwurf vor, basiert auf den allgemeinen Prinzipien der Gefahren- und Risikoanalyse (hazard analysis and risk assessment) und nimmt ausdrücklich Bezug zur ISO 9001:2000.

Richt- und Grenzwerte

Das Angebot an konkreten Grenz-, Richt- oder Toleranzwerten für die mikrobiologische Belastung von Lebensmittelverpackungen war bis dato sehr gering. Neben den mikrobiologischen Standards des FDA für Einwegverpackungen für pasteurisierte Milch und den fast identischen IDF-Standards gibt es seit dem Jahr 2004 die mikrobiologischen Richtwerte für Lebensmittelverpackungen, Teil I, des IVLV München.

Nicht selten werden allgemeine Hygienemaßnahmen (Basishygiene) als Maßnahmen nach dem HACCP-Prinzip interpretiert, obwohl diese nicht mit den HACCP-Begriffen der Codex-alimentarius-Kommission übereinstimmen. Dies verursacht Irreführungen und Missverständnisse. Beispiel: Periodisch vorgenommene Bestimmungen der Keimbelastung von Oberflächen oder der Luft in bestimmten Prozessbereichen werden als kritische Kontrollpunkte (CCPs) im Sinne von Lenkungspunkten definiert. Diese Fehlinterpretation des HACCP-Konzepts kann in zahlreichen CCPs enden. Falsch aufgefasste kritische Kontrollpunkte würden einen unverhältnismäßig hohen Aufwand nach sich ziehen. Sie können nicht HACCP-konform unter Kontrolle gehalten werden, d.h. ein unmittelbares aktives Eingreifen an einer Gefahrenstelle zur Abwendung einer Gefahr ist in der Regel nicht möglich.
Das HACCP-Verfahren ist kein Mittel, um allgemeine Hygienemaßnahmen durchzuführen. Das Gegenteil ist der Fall: HACCP ist nur sinnvoll, wenn ein betrieblicher Prozess nach den allgemeinen Prinzipien der Lebensmittelhygiene gemäß Codex-alimentarius gestaltet wird, d.h. wenn im Vorfeld alle notwendigen Vorsorgemaßnahmen bzw. Präventivmaßnahmen gemäß der Guten Herstellungspraxis (GMP) und der Guten Hygienepraxis (GHP) getroffen werden. Vielfach wird auch noch übersehen, dass HACCP-Maßnahmen primär zum Ausschalten von gesundheitlichen Gefahren und nicht von Qualitätsmängeln bestimmt sind.
Die allgemeinen Hygienemaßnahmen bilden generell die Basis, auf der das HACCP-System, wenn dies zum Schutze der Gesundheit unausweichlich ist, sinnvoll integriert werden kann. Die Leitlinie für ein Hygienemanagement in der Verpackungsindustrie lautet in den meisten Fälle demnach nicht: allgemeine Hygiene-/Präventivmaßnahmen oder HACCP-Maßnahmen, sondern Präventivmaßnahmen und in Einzelfällen operative Präventivmaßnahmen zum Beherrschen konkreter Hygienegefahren.

Hygienemaßnahmen in derVerpackungsherstellung

Ein Hygienemanagement in der Verpackungsindustrie wird sich in Anlehnung an DIN EN ISO 22000 aus drei Hauptkomponenten zusammensetzen:

  • allgemeine Präventivmaßnahmen bzw. -programme, d.h. allgemeine Maßnahmen im Rahmen der Betriebshygiene. Diese bilden dann zusammen die Basishygiene und umfassen zum Beispiel routinemäßige Reinigungsmaßnahmen für Böden, Maschinen, Förderbänder und ähnliche Einrichtungen;
  • operative Präventivprogramme oder Einzel-Hygienemaßnahmen nach Durchführung einer Risikoanalyse in einer Prozesskette der Verpackungsherstellung, wie etwa Luftfilterung oder gezielte Keimreduktionsmaßnahmen an konkreten Prozesspunkten;
  • betriebsspezifische Organisation der Hygieneüberwachung. Diese obliegt als Leitungs- und Koordinierungsaufgabe dem Hygienemanagement. Die Umsetzung liegt primär in der Verantwortung eines Hygiene-Teams mit dem Teamleiter an der Spitze. Der Gesamterfolg eines eigenverantwortlichen Hygienemanagements in der Verpackungsherstellung wird aber nicht zuletzt von der Beteiligung möglichst vieler hygienebewusster und sachkundiger Mitarbeiter abhängig sein.

 

In der Verpackungsherstellung werden erfahrungsgemäß vorrangig präventive Hygienemaßnahmen zur Abwendung von allgemeinen Hygienerisiken in der Prozesskette erforderlich sein (Präventivprogramme im Sinne von DIN EN ISO 22000). Werden darüber hinaus in der Risikoanalyse konkrete Hygienerisiken/-gefahren erkannt, müssen entsprechende Einzel-Hygienemaßnahmen im Rahmen von operativen Präventivprogrammen durchgeführt werden. Das Installieren von kritischen Kontrollpunkten (Lenkungspunkten) gemäß HACCP, um konkrete Gesundheitsgefahren auszuschalten, wird in der Verpackungsindustrie noch weiterhin der Ausnahmefall bleiben. Kernelemente eines jeden Hygienemanagements bleiben aber in jedem Fall die Risiko- bzw. Gefahrenanalyse und die damit verbundenen adäquaten Hygienemaßnahmen.

Unterm Strich

Oberster Handlungsgrundsatz für ein nachhaltiges Hygienemanagement in der Verpackungsindustrie sollte sein, ein Maximum an aktiver und verantwortungsbewusster Mitarbeit möglichst der gesamten Belegschaft in einem Verpackungsbetrieb anzustreben. Grundlagen dafür sind die regelmäßige Schulung, Weiterbildung und Motivierung aller Mitarbeiter.

Mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand ist immer in solchen Fällen zu rechnen, wenn Hygienegefahren nicht durch ein präventives Hygienemanagement verhindert werden.
Die ausgeprägte Heterogenität des gesamten Verpackungssektors und dessen enge Verbindung mit den Lebensmittelherstellprozessen erfordert von allen Beteiligten ein hohes Maß an vernetztem Denken und gesamtverantwortlichem Handeln im Sinne der interaktiven Kommunikation der DIN EN ISO 22000. Danach kann letztlich keine Einzelmaßnahme an einem bestimmten Punkt der Prozesskette einen nachhaltigen Erfolg sicherstellen, vielmehr sollten möglichst alle Beteiligten – Verpackungshersteller und Zulieferer von Roh- und Hilfsstoffen, Maschinen- und Anlagenbauer, Prozessgestalter und andere Nebendienstleister – in der Wertschöpfungskette nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen am Dauererfolg eines Hygienemanagements interessiert sein.

Entscheidend für künftige Hygienemaßnahmen in der Verpackungsherstellung bzw. in der gesamten Verpackungskette wird es sein, den jeweils notwendigen, erfolgssichernden Umfang festzulegen, um so letztlich allen Anforderungen – gesetzlich, kunden- und verbraucherbezogen – an ein eigenverantwortliches Hygienemanagement für Lebensmittel-verpackungen voll gerecht werden zu können. Die anspruchsvolle Aufgabe der dafür Verantwortlichen besteht nun darin, den Gesamtaufwand für ein Hygienemanagement in ein wirtschaftlich vertretbares Verhältnis zu den davon erwarteten Erfolgen zu stellen.

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