Kugelmahlen

Die Mechanochemie nutzt mechanische Verfahren wie das Kugelmahlen, um chemische Reaktionen in Gang zu setzen und kommt weitgehend ohne Lösungsmittel aus. (Bild: BAM)

Die Folgen der weltweiten Arzneimittelproduktion für die Umwelt sind gravierend: Die Herstellung pharmazeutischer Wirkstoffe verbraucht aufgrund mehrstufiger Arbeitsprozesse große Mengen an Energie und ist mit einem entsprechend hohen CO2-Fußabdruck verbunden. Nicht benötigte Reaktionsprodukte gelangen über das Abwasser in Böden und belasten die Umwelt. Insbesondere die intensive Verwendung von Lösungsmitteln, die in der Pharmaindustrie weitflächig während der Synthese eingesetzt werden, belastet die Ökobilanz.

Dabei existiert bereits heute eine nachhaltigere und zugleich hocheffiziente sowie wirtschaftliche Alternative zur herkömmlichen Arzneimittelproduktion: die Mechanochemie. Sie nutzt mechanische Verfahren, wie das Kugelmahlen oder das Resonanzmischen, um chemische Reaktionen in Gang zu setzen. Dabei kann auf die Zuführung von thermischer Energie und den Einsatz von Lösungsmitteln weitgehend verzichtet werden. Denn: Chemische und physikalische Umwandlungen werden mit mechanischer Kraft ausgelöst.

„Dem Prinzip nach ist das Verfahren schon seit Jahrhunderten bekannt und wird seit mehreren Jahren von Wissenschaftler*innen für die Synthese unterschiedlicher Materialien eingesetzt.“, erklärt Franziska Emmerling, BAM-Expertin für mechanochemische Verfahren. „Die in Laboren entwickelte Technologie muss jetzt den Sprung in die Industrie schaffen, daran arbeiten Chemiker*innen auf dem ganzen Globus. Bisher behindert aber ein mangelndes Verständnis der genauen mechanistischen Vorgänge eine breite Anwendung der Methode. Das liegt vor allem daran, dass die Reaktionen sich sehr schwer beobachten und systematisieren lassen. So bleibt das volle Potenzial der Mechanochemie unausgeschöpft.“

EU-Verbundprojekt Impactive

Im neuen Verbundprojekt Impactive (Innovative Mechanochemical Processes to synthezise green active pharmaceutical ingredients), in dem Franziska Emmerling zusammen mit Kolleg*innen aus sieben europäischen Ländern forscht, soll genau das geändert werden. Im Pilotmaßstab werden erstmals sechs pharmazeutische Wirkstoffe ganz ohne Lösungsmittel hergestellt. Die Mittel stammen aus den Bereichen der Krebsmedizin, Antidiabetika und Blutdrucksenker.

„Wir haben an der BAM so genannte zeitaufgelöste Methoden entwickelt, mit denen sich die Reaktionen exakt beobachten und beschreiben lassen“, so Emmerlings Kollegin Lucia Casali. „In einem Benchmarking wollen wir anschließend die Vorteile der Mechanochemie gegenüber herkömmlichen Verfahren im Pharmabereich aufzeigen.“

Das Potenzial ist groß: Schon jetzt hat eine kürzlich durchgeführte israelische Studie gezeigt, dass sich durch die Umstellung der Pharmaproduktion auf Mechanochemie die Ökotoxizität und die CO2-Emissionen der Branche um mehr als 85 Prozent verringern ließen – bei einer deutlichen Reduktion der Herstellungskosten.

Beteiligt sind am Impactive-Projekt, das vom EU-Förderprogramm Horizon 2020 finanziert wird, neben der BAM acht weitere namhafte europäische Institutionen, darunter die Universitäten von Montpellier, Nimwegen und Louvain, das Trinity College in Dublin sowie das israelische Institute of Technology.

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