Biotech-Industrie: Branchenumsatz 2013 um 1,4 Prozent rückläufig
Sowohl die Umsätze als auch die Aufwendungen für F

Sowohl die Umsätze als auch die Aufwendungen für F&E waren bei den deutschen Biotechnologie-Branche 2013 rückläufig (Bild: biotechnologie.de)

Angesichts des neuen Besucherrekordes zeigten sich die Veranstalter um den Branchenverband Bio Deutschland, dem Arbeitskreis der Bioregionen und Gastgeber Life Science Nord rundum zufrieden mit der nunmehr fünften Ausgabe des Events in seiner aktuellen Form. Reichlich Gesprächsstoff boten die rund 20 parallelen Foren zu Themen wie Immuntherapie, Bioökonomie, Technologietransfer oder Marktzugang.

Durchwachsene Jahresbilanz 2013 der Biotech-Branche
Verbesserte Finanzierung an der Börse, teils leicht rückläufige Zahlen bei Umsatz, Mitarbeitern und F&E-Ausgaben – 2013 war offenbar ein durchwachsenes Jahr für die deutsche Biotechnologie-Branche. Dennoch ist das Interesse der Großindustrie an Biotech-Produkten ungebrochen – nicht nur in der Gesundheitswirtschaft, sondern zunehmend auch in der Bioökonomie. Das geht aus den ersten Ergebnissen der Umfrage von der Branchenplattform biotechnologie.de zur Lage der Biotechnologie in Deutschland hervor, die zum Start der „Deutschen Biotechnologietage 2014″ veröffentlicht wurden.

Im Jahr 2013 blieb der Umsatz mit 2,864 Mrd. Euro um 1,4 % rückläufig gegenüber dem Vorjahr. Rund ein Drittel dieser Summe, 899 Mio. Euro oder 3,7 % weniger als im Vorjahr, haben die Firmen in Forschung und Entwicklung (F&E) investiert. Die Zahl der Mitarbeiter in den dedizierten, also hauptsächlich mit Biotechnologie beschäftigten Unternehmen, ist um gut 2,7 % auf 16.950 zurückgegangen (2012: 17.430). Die Zahl dieser Firmen ist im Vergleich zum Vorjahr auf aktuell 570 gestiegen (2012: 565), darunter waren 13 Neugründungen. Als industrielles Thema ist die Biotechnologie weiter von großer Relevanz: Inzwischen gibt es insgesamt 130 Unternehmen, für die Biotechnologie ein Teil ihres Geschäftes darstellt (2012: 128). Dazu gehören unter anderem Konzerne aus der Pharma-, Chemie- und Lebensmittelindustrie. In den biotechnologisch ausgerichteten Bereichen dieser Unternehmen waren 18.450 Mitarbeiter tätig (2012: 17.760). Zusammengerechnet ergibt das für 2013 insgesamt 35.400 Arbeitsplätze in der kommerziellen Biotechnologie in Deutschland.

Positiv hat sich im Jahr 2013 auch die Finanzierungssituation entwickelt: Insgesamt rund 400 Mio. Euro haben die Biotech-Firmen eingeworben (2012: 347 Mio. Euro). So hat sich der bereits 2012 eingeläutete Aufwärtstrend bei den börsennotierten Unternehmen fortgesetzt: Gegenüber dem Vorjahr stiegen die Investitionen über Kapitalerhöhungen um mehr als das Doppelte auf insgesamt 218 Mio. Euro (2012: 95 Mio. Euro). Anders das Bild bei den privat finanzierten Unternehmen: Mit Wagniskapital-Finanzierungen in Höhe von 137 Mio. Euro ist der Wert um 34% gesunken (2012: 205 Mio. Euro). Der Anteil der öffentlichen Förderung blieb mit 49 Mio. Euro konstant (2012: 47 Mio. Euro).

„2013 war ein erfreuliches Jahr für viele Biotech-Aktionäre. Einige Firmen konnten ihren Wert erheblich steigern“, resümierte Dr. Boris Mannhardt, Prokurist der Biocom und Leiter der Studie bei biotechnologie.de. Dr. Peter Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Unternehmensverbandes Bio Deutschland, ergänzt: „In der Biotechnologie zeigt sich mitunter erst nach vielen Jahren, ob ein Geschäftsmodell und die dabei verfolgten Entwicklungsmodelle tatsächlich funktionieren oder eben nicht. Im Jahr 2013 haben sich Erfolge und Rückschläge die Waage gehalten. Biotech-Produkte aus Deutschland sind aber vielerorts gefragte Innovationen, vor allem die Bioökonomie erweist sich dabei als Wachstumsfaktor.“

Die Finanzierungssituation war heiß diskutiertes Thema
Mit Blick auf die neuesten Branchenzahlen lag das Thema Finanzierung wie üblich hoch im Kurs: Befinden sich die Firmen hierzulande nur im Überlebensmodus und verlieren zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit? Siegfried Bialojan von Ernst & Young zeichnete ein eher düsteres Bild: Deutschland habe im internationalen Vergleich zu wenig Medikamentenentwickler, die Finanzierung der Firmen werde nur von wenigen Investoren gestemmt und auch an der Börse gebe es zu wenige Erfolgsgeschichten.

Unter den Biotech-Entrepreneuren war die Stimmung gemischt. Während die einen neidisch auf den neuen Biotech-Börsenboom in den USA schauen und darauf hoffen, dass sich dieser Aufwärtstrend auch in Deutschland irgendwann zeigt, plädierten andere für ein deutsches Modell, das vor allem mit Blick auf das sogenannte ‚Valley of death‘ bessere Finanzierungsmöglichkeiten bzw. Anreize für Investoren schafft. Für neue Hoffnung sorgten Vertreter der Politik. So kündigte Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), spontan eine neue Initiative an, um Verbesserungen im Kapitalmarkt auszuloten. „Wir haben gerade hier die Idee für einen neuen interministeriellen Dialog mit dem Wirtschafs- und Finanzministerium geboren“, sagte Schütte. Sven Halldorn, Abteilungsleiter Industriepolitik im Bundeswirtschaftsministerium, berichtete über ein industriepolitisches Innovationskonzept seines Hauses, das noch vor der Sommerpause präsentiert werden soll und betonte: „Wir trauen uns inzwischen, Biotechnologie als Leitmarkt zu bezeichnen.“ Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, wiederum stellte Pläne für einen neuen „Pharmadialog“ der Regierung vor.

BMBF präsentierte Ergebnisse aus der Projektforschung
Das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nutzte die Veranstaltung, um Ergebnisse aus der Projektförderung zu präsentieren. Insgesamt 32 Projektleiter – verteilt über vier thematisch unterschiedliche Symposien – berichteten über Ergebnisse aus der Pflanzenzüchtung, der Verfahrenstechnik, von neuen Plattformtechnologien und therapeutischen sowie diagnostischen Ansätzen. So wurde von Forschern um Hans-Peter Mock des IPK in Gatersleben zum Beispiel ein Verfahren vorgestellt, um Biokraftstoffe aus Wolfsmilch herzustellen – eine genügsame Pflanze, die auch auf kargen Böden wächst.

Fisch-Eiweiße verhindern das Auftauen von Eis
Als Gastgeber setzten Schleswig-Holstein und Hamburg thematische Akzente bei mariner Biotechnologie und Medizintechnik. Dies war nicht nur in der Begleitausstellung deutlich sichtbar – hier war unter anderen die Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie sehr präsent – sondern auch im Programm. So stellte beispielsweise der niederländisch-britische Konzern Unilever diverse marin-basierte Ansätze vor: Etwa ein aus Fischen stammendes Anti-Freeze-Protein, das bei Eis dafür sorgt, dass es sich auch bei schwankenden Temperaturbedingungen länger hält. „Dies ist insbesondere für unsere Eissorten relevant, die wir in Asien und Südamerika verkaufen“, sagte Dietmar Lang, Biotech-Projektleiter bei Unilever. Für alle Forschenden im Umfeld der ‚blauen‘ Biotechnologie gab es zudem die Ankündigung einer ersten Ausschreibung im gerade gestarteten europäischen Forschungsnetzwerk ERA-NET marine Biotechnologie, die noch für diesen Sommer erwartet wird.

Norden will in Life Sciences investieren
Aber auch die Schnittstelle zwischen Biotechnologie und Medizintechnik wurde in einer Session beleuchtet. Hans-Peter Bruch vom Berufsverband der Deutschen Chirurgen zeigte sich begeistert: „Wenn es tatsächlich gelingt, rekombinante Proteine und damit ihre medizinische Wirksamkeit als Beschichtung auf Implantaten zu integrieren, dann wäre das ein faszinierender Ausblick.“ Von Seiten der Landesregierung in Schleswig-Holstein sollen die Life Science Aktivitäten in der Region weiter gestärkt werden. Ein Masterplan befindet sich derzeit in Arbeit, wie Landeswirtschaftsminister Ralph Müller-Beck auf den Biotechnologietagen berichtete. „Gerade mit Blick auf unsere Wettbewerbsfähigkeit müssen wir die Axt schärfen und künftig stärker investieren“, sagte er und betonte: „Das ist kein Modetrend.“

Innovationspreis für Imfpstoffverbesserung
Wie jedes Jahr wurden die Biotechnologietage aber auch zum Geld verteilen genutzt. Neben den neuen Preisträgern im BMBF-Gründungswettbewerb GO-Bio wurde der mit jeweils 2.000 Euro dotierte Innovationspreis der BioRegionen an drei Forscherteams verliehen. Der erste Preis ging an Wilfried Weber, Professor für synthetische Biologie an der Universität Freiburg. Er hat ein Wirkstoffdepot entwickelt, durch das ein Impfstoff über einen längeren Zeitraum im Körper gelagert und durch eine Tablette aktiviert werden kann. „Impfungen benötigen oft mehrere Injektionen, bevor sie ihren vollen Schutz entfalten. Die dafür nötigen Arztbesuche sind in Entwicklungsländern sehr schwer zu koordinieren und in der westlichen Welt werden sie von Patienten als zeitraubend und lästig empfunden“, erklärt Weber den Hintergrund seines Ansatzes. „Impfungen werden daher häufig nicht planmäßig abgeschlossen. Das ist schlecht für den Therapieerfolg und teuer für das Gesundheitssystem.“

Weblinks zum Thema
Ein zweiseitiges Datenblatt (PDF) mit den wichtigsten wirtschaftlichen Kennzahlen zur Biotech-Branche von 2007 bis 2013 finden Sie auf der Internetseite von biotechnologie.de oder direkt hier. Die komplette Firmenumfrage/Studie wird am 30. April veröffentlicht.

Eine ausführlichere Pressemitteilung zum „Innovationspreis 2014 der Bioregionen in Deutschland“ finden Sie auf der Internetseite von Bio Deutschland oder direkt hier.

Eine eingehendere Pressemitteilung über die Preisträger von GO-Bio finden Sie ebenfalls auf der der Internetseite von biotechnologie.de oder direkt hier.

Den Branchenreport 2014 zur deutschen Biotech-Branche (PDF, 98 Seiten) von Ernst & Young finden Sie auf der Internetseite von biodeutschland.de oder direkt hier.

(dw)

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