Schatten von Mensch vor blauem Hintergrund mit chemischen Formeln

(Bild: Zizo - Adobestock)

Zunächst die harten Fakten. Der Durchschnittsmensch verbringt laut dem Max-Planck-Institut (MPI) für Chemie in Mainz etwa 90 % seiner Zeit in Innenräumen.

Das was er dort einatmet und gemeinhin als Luft betitelt wird ist eigentlich sehr viel mehr als Stickstoff, Sauerstoff und Edelgase. Denn Wände, Böden, Möbel und andere Gegenstände gasen aus und vor allem beim Kochen und Putzen werden chemische Stoffe freigesetzt. Der Mensch ist Teil dieses Systems und trägt zum einen durch seinen Atem und zum anderen über chemische Reaktionen auf der Haut zum Raumklima bei.

Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu denen neben dem Mainzer MPI auch Gruppen aus Dänemark (DTU), den USA (Rutgers University) und der Schweiz (ESPL) zählten, haben in einem Projekt ermittelt, inwiefern der Mensch die Luft in Innenräumen chemisch beeinflusst. Das Projekt trug den Titel Indoor Chemical Human Emissions and Reactivity. Die Gruppe fand heraus, dass durch die Anwesenheit von Menschen in Innenräumen ein Oxidationsfeld mit hohen Mengen an OH-Radikalen entsteht. Das sind sehr reaktionsfreudige Moleküle, die stärker oxidieren können als Ozon. „Die Stärke und Form des Oxidationsfeldes hängt davon ab, wie viel Ozon vorhanden ist und wie der Raum belüftet ist“, ergänzt Nora Zannoni aus dem Team vom MPI Mainz.

Wie erzeugt der Mensch ein Oxidationsfeld?

Das Ozon aus der Luft reagiert mit Ölen und Fetten auf der menschlichen Haut, besonders mit der ungesättigten Fettsäure Squalen. Diese macht 10 % des Talgs aus, schützt unsere Haut als Antioxidans – also gegen die Oxidation durch Radikale – und hält die Haut geschmeidig. Bei der Reaktion von Ozon mit Squalen werden verschiedene chemische Stoffe freigesetzt. Diese wiederum enthalten Doppelbindungen und reagieren deshalb mit dem Ozon aus der Luft weiter – es entstehen große Mengen OH-Radikale. Die Abbauprodukte haben die Forschenden mittels Gaschromatographen und einem Massenspektrometer sowohl charakterisiert als auch quantifiziert. Die OH-Konzentration bestimmten sie über die Reaktivität des Moleküls.

Um diese speziellen Daten zu erheben, hat die Forschungsgruppe ihre Experimente in einer Klimakammer an der Technischen Universität Dänemark durchgeführt. Dort hielten sich für die Versuche vier Testpersonen unter standardisierten Bedingungen auf. Der Raumluft mischten die Wissenschaftler Ozon in für den Menschen unkritischer Menge (35 ppb) zu. Die Gruppe maß vor und während des Aufenthalts der Testpersonen in der Klimakammer die OH-Werte in der Luft. Die ermittelten Werte waren ähnlich zu OH-Konzentrationen, die an einem durchschnittlichen Tag im Freien messbar sind.

Die Forschenden führten kinetischen und Strömungsdynamikmodellen die OH-Messergebnisse zu, um zu erfahren, wie sich das Oxidationsfeld räumlich und zeitlich bei verschiedenen Lüftungsbedingungen verhält. Dadurch fanden sie heraus, dass sich räumliche OH-Gradienten ausbilden.

Oxidationsfeld welches der Mensch um sich herum ausbildet, oxidiert in dessen Atemzone diverse Stoffe, deren Auswirkung auf die Gesundheit noch nicht erforscht ist. Aber eine konkrete Handlungsempfehlung haben die Forschenden trotzdem aus ihrer Studie gezogen. Im Moment werden Materialien und Einrichtungsgegenstände unter Laborbedingungen auf ihre chemischen Emissionen überprüft, bevor sie verkauft werden dürfen. Wenn der Mensch nun aber stark oxidierende Stoffe an seine Umwelt abgibt, müsste das zukünftig bei den Materialüberprüfungen miteinbezogen werden.

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