- Zwischen 2012 und 2017 ist der Weltmarkt für Generika jährlich um rund 10 % auf inzwischen mehr als 400 Mrd. US-Dollar angewachsen.
- In den vergangenen fünf Jahren stieg der Anteil der Nachahmer-Medikamente am Gesamtmarkt für Arzneimittel von 27 auf nun 36 %.
- Doch die Rahmenbedingungen für Generika-Hersteller verschärfen sich: Nicht jede Übernahme zahlt sich aus, wie das Beispiel Teva belegt.
Die Turbulenzen im Segment für Nachahmer-Arznei nehmen zu, obwohl dem Markt erhebliches Wachstum zugetraut wird. Zeit für eine Analyse der Situation.
Zwischen 2012 und 2017 ist der Weltmarkt für Generika jährlich um rund 10 % auf inzwischen mehr als 400 Mrd. US-Dollar angewachsen. Nach Zahlen des Marktforschungsinstituts IMS wird der Markt in den kommenden Jahren weiter zulegen: In den vergangenen fünf Jahren stieg der Anteil der Nachahmer-Medikamente am Gesamtmarkt für Arzneimittel von 27 auf nun 36 %. Bis 2020, so die Schätzungen, werden weitere Originalpräparate mit einem Marktwert von 100 Mrd. US-Dollar ihren Patentschutz verlieren. Bereits heute sind den Marktforschern zufolge 88 % aller in den USA verschriebenen Medikamente generisch. Und während der Markt für Markenarzneimittel jährlich um 3,6 % wächst, liegt die Steigerungsrate bei Generika bei 10,6 %.
Markt für generische Medikamente folgt eigenen Regeln
Die nackten Zahlen lassen die jüngsten Meldungen der Generika-Konzerne noch unverständlicher erscheinen: Sollten Generika-Hersteller nicht allen Grund zum Jubel haben? Die Lage ist komplizierter, als der einfache Blick auf die Zahlen nahelegt. Der Markt für generische Medikamente folgt ganz eigenen Regeln. Hersteller von Originalpräparaten können dieses nach der Zulassung eines patentgeschützten Medikaments, die bei Blockbustern zwischen zehn und zwölf Jahren dauert, acht bis zehn Jahre lang weitgehend ungestört und mit zum Teil traumhaften Renditen vermarkten. Ist die Zulassung erst einmal erteilt, spielen weitere Kosten für die Produktion und Vermarktung des Präparats eine vernachlässigbare Rolle.
Für Generika, stellt sich die Situation völlig anders dar: Hersteller dieser Arzneimittel stehen unter massivem Zeit- und Kostendruck: Ist der Patentschutz für ein Präparat abgelaufen, drängen in der Regel gleich mehrere Anbieter mit generischen Produkten auf den Markt. Kostendruck und globaler Marktzugang zwingen zur Größe und Marktmacht, um die Konkurrenz über Skaleneffekte zu schlagen. Dazu kommen steigende Kosten für die Entwicklung generischer biopharmazeutischer Präparate, sogenannten Biosimilars: Während klassische Generika im Durchschnitt in ein bis zwei Jahren mit einem Aufwand im unteren einstelligen Mio.-Dollar-Bereich entwickelt werden, kostet die Entwicklung von Biosimilars bis zu 200 Mio. Dollar und dauert bis etwa dreimal so lange.
Druck und Kostenrisiken nehmen weiter zu
Der sowieso schon hohe wirtschaftliche Druck im Generika-Segment wird auch aus einem anderen Grund weiter wachsen: Das in Deutschland praktizierte Tender-Modell, wonach Krankenkassen mit den Arzneimittelherstellern Wirkstoffrabattverträge ausschreiben und damit under den Anbietern einen Preiskampf entfachen, macht in immer mehr Ländern Schule. Rabatte deutlich über 50 % auf den Herstellerpreis sind inzwischen die Regel. Und die Antwort der Generikahersteller scheint unisono dieselbe zu sein: Konzentration und Größe um jeden Preis.
Spektakuläre Deals prägten deshalb in den vergangenen Jahren die Szene: Allen voran die 40,5 Mrd. US-Dollar teure Übernahme der Generika-Sparte des für seine Botox-Präparate bekannten US-Herstellers Allergan durch den israelischen Teva-Konzern im Jahr 2015. Teva ist bereits seit 2010 Mutterkonzern des deutschen Generikaherstellers Ratiopharm. Der Megadeal mit Allergan markiert einen weiteren Strategietrend in der Pharmaindustrie: Der Konkurrenzdruck im Generikamarkt zwingt einstmals integrierte Anbieter von Arzneimitteln zu einer Fokussierung ihres Geschäfts: Entweder alle Karten auf Markenprodukte oder alle Karten auf Generika zu setzen. Der Darmstädter Pharma-Konzern Merck trennte sich bereits 2007 vom Generika-Geschäft und verkaufte dieses für 4,9 Mrd. Euro an den amerikanisch-niederländischen Arzneimittelhersteller Mylan. Dieser wiederum machte 2015 mit der geplatzten Übernahme des irischen Arzneimittel-Herstellers Perrigo von sich Reden – Kostenpunkt: 34 Mrd. USD. Ein Jahr später schluckte Mylan den schwedischen Wettbewerber Meda für 7,2 Mrd. USD.
Teva hat sich mit Actavis-Übernahme verzockt
Der damalige Branchenprimus Pfizer verleibte sich 2015 für 17 Mrd. USD den Biosimilars-Anbieter Hospira ein. Zuletzt machten hierzulande Fresenius und Stada von sich reden: Der Gesundheitskonzern Fresenius, der auch Kliniken betreibt, übernimmt derzeit den US-Generikahersteller Akorn für 4,4 Mrd. Euro; Stada wurde im zweiten Anlauf von den Finanzinvestoren Bain und Cinven für 5,3 Mrd. Euro übernommen.
Doch keiner der großen Pharmahersteller agierte so aggressiv wie Teva. Mit dem Kauf der Generikasparte von Actavis im Jahr 2016 für die stolze Summe von 40 Mrd. Dollar hat sich das Unternehmen nicht nur an die Spitze gesezt, sondern offenbar auch übernommen: Erst musste der Konzern angesichts des Preisverfalls in den USA eine Wertbereinigung von über sechs Mrd. Dollar vornehmen dann kündigte das Unternehmen die Entlassung von 7.000 Mitarbeitern und die Schließung oder den Verkauf von 14 Fariken an. Und die Situation könnte sich weiter verschärfen; der Aktienkurs des Herstellers, der seit August 2016 rund drei Viertel an Wert verloren hat, dürfte weiter unter Druck geraten, wenn Allergan in diesem Frühjahr 2018 seinen Anteil als Teva-Aktionär um ein Viertel (25 Mio. Aktien) losschlägt.
Der Preisverfall für Nachahmerpräparate in den USA zwingt auch andere Anbieter zum Nachdenken: So hat der Schweizer Pharmakonzern Novartis im Dezember Überlegungen öffentlich gemacht, wonach das Unternehmen sich möglicherweise aus dem Generika-Geschäft (Sandoz) in den USA zurückziehen und dieses einstellen bzw. verkaufen will.
Fazit: Der Markt für Generika wird weiter wachsen und verspricht attraktive Wachstumschancen. Dazu kommt, dass zwischen 2011 und 2020 Präparate mit einem Marktwert von insgesamt mehr als 200 Mrd. USD ihren Patentschutz verlieren und dadurch Potenzial für Generika-Hersteller bieten. Gleichzeitig steigt der Preisdruck und werden die Eintrittshürden für neue Anbieter höher. Dies wird die Fusions- und Übernahmewelle weiter antreiben und bislang integrierte Pharmaunternehmen zur Spezialisierung zwingen.