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Bei oralen festen Darreichungsformen (OSD) geht der Trend zur kontinuierlichen Fertigung. Die neue Xelum-Plattform sorgt für einen reibungslosen Ablauf beim Dosieren und Granulieren. (Bild: Bosch Packaging)

  • Bei oralen festen Darreichungsformen (OSD) steht das Thema kontinuierliche Fertigung hoch im Kurs.
  • Die größte Herausforderung bei den heute verfügbaren kontinuierlichen Produktionsanlagen liegt in der exakten Dosierung der Ausgangsstoffe.
  • Bei der Xelum-Plattform von Bosch werden Hilfs- und Wirkstoffe als diskrete Masse dosiert, und nicht als kontinuierlicher Massenstrom. Der Dosierschritt wird dadurch einfacher und genauer.
  • Die Granulation erfolgt in der Wirbelschicht und sorgt für zusätzliche Prozesssicherheit.

Die Produktionsanlage der Zukunft muss effizient arbeiten, benutzerfreundlich sein und die typischen Anforderungen der Pharmaindustrie erfüllen. Dazu gehören kurze Entwicklungszeiten mit geringem Wirkstoffverbrauch, ein schneller Transfer von der Entwicklung zur Produktion ohne Scale-up sowie flexible Chargengrößen und die integrierte Qualitätssicherung. Bei oralen festen Darreichungsformen (OSD) steht das Thema kontinuierliche Fertigung hoch im Kurs. Doch es gibt nicht nur die eine Methode.

Orale feste Darreichungsformen (OSD, oral solid dosage) wie Tabletten, Kapseln oder Sachets nehmen etwa 60 % des gesamten Marktes an pharmazeutischen Produkten ein. Trotz der Entwicklung neuer flüssiger Biologika oder parenteraler Arzneimittel werden OSD-Produkte auch in Zukunft eine gewichtige Rolle im globalen Pharmamarkt spielen. Steigender Kostendruck sowie hohe Qualitätsanforderungen bedürfen effizienter, modularer und flexibler Prozesse. Der Trend zu hochpotenten und personalisierten Medikamenten wird die Anforderungen an Produktion und Prozesse nachhaltig verändern und zu kleineren und flexiblen Produktionsmengen mit möglichst kurzen Einführungszeiten führen.

Mit der Chargenproduktion wendet die Pharmaindustrie in der OSD-Produktion traditionell Herstellungsprozesse an, die seit vielen Jahrzehnten etabliert und erprobt sind. Entsprechend wurden diese Prozesse bereits deutlich optimiert und bieten nur noch wenige Möglichkeiten für signifikante Effizienzgewinne. So haben in den letzten Jahren sowohl große als auch mittelständische Pharmahersteller begonnen, sich mit der Konti-Produktion auseinanderzusetzen. Auch Generika- und Lohnhersteller ent-wickeln ein zunehmendes Interesse an kontinuierlichen Verfahren, die unter anderem in der Chemieindustrie schon lange zur Anwendung kommen. Vor diesem Hintergrund vollzieht sich aktuell ein Paradigmenwechsel, der in den kommenden Jahren tiefgreifende Veränderungen sowohl in der Infrastruktur als auch bei den internen Prozessen der Pharmahersteller mit sich bringt.

Vom Batch- zum kontinuierlichen Prozess

In der Batch-Produktion wird am Anfang einer jeden Charge eine feste Menge des Ausgangsmaterials in die Anlage gegeben und am Ende des Prozesses das daraus entstandene Produkt wieder komplett entnommen. Dies führt zu nicht wertschöpfenden Lade- und Entladevorgängen sowie zu Zwischenlagerungen, größerem Platzbedarf und höheren Energiekosten. Im Gegensatz dazu erfolgen bei der kontinuierlichen Herstellung die Zufuhr des Ausgangsmaterials und die Entnahme des Endproduktes simultan.

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Die Anlage besteht aus dem Dosier- und Mischraum, mehreren Wirbelschicht-Apparaten sowie der Tablettierung.

Die üblicherweise getrennten Prozessschritte finden dabei nach und nach ohne Unterbrechung statt. Dies vermeidet eine Zwischenlagerung und führt zu kürzeren Durchlaufzeiten, kleineren Anlagen, geringeren Produktionskosten bei gleichzeitig hoher Flexibilität. Die Produktionsmenge lässt sich jetzt über die Produktionsdauer einstellen. Die Entwicklungskosten verringern sich ebenfalls, da kein Scale-up mehr nötig ist, was zu kürzeren Entwicklungszeiten und einem reduzierten Materialverbrauch führt. Darüber hinaus lässt sich durch eine optimierte Qualitätsüberwachung eine durchgängig hohe Produktqualität erzielen.

Ob sich die Umstellung der Produktion auf einen kontinuierlichen Prozess lohnt, hängt von zahlreichen Parametern ab: unter anderem vom Wirkstoff, den benötigten Fertigungsmengen und bereits bestehenden oder noch zu erhaltenden Produktzulassungen. Dies gilt es im Einzelfall gemeinsam von Pharmaunternehmen und Anlagenhersteller zu klären.

Exakte Dosierung ist ein Knackpunkt der Kontiprozesse

Grundsätzlich sind kontinuierliche Prozesse für die Pharmaindustrie nichts Neues. Auch in der Batchproduktion erfolgen einzelne Prozessschritte kontinuierlich, wie etwa die Trockengranulation mittels Roller Compactor oder die Tablettierung. Andere Prozesse wie das Dosieren, Mischen und die Nassgranulation laufen batchweise ab und müssen für eine kontinuierliche Prozessführung modifiziert werden. Für die Nassgranulation in heutigen Conti-Anlagen werden üblicherweise kontinuierlich arbeitende Schneckengranulatoren eingesetzt. Die anschließende Trocknung in der Wirbelschicht erfolgt meist paketweise in getrennten Kammern. Dadurch wird unter anderem die Verweilzeit kontrolliert, damit jedem Partikel die gleiche Menge an Trocknungsenergie zukommt.

Die größte Herausforderung bei den heute verfügbaren kontinuierlichen Produktionsanlagen liegt in der exakten Dosierung der Ausgangsstoffe. Wirkstoff und Hilfsstoffe müssen kontinuierlich mit einem konstanten Massenstrom in Milligramm pro Sekunde dosiert werden. Da alle verfügbaren Dosiersysteme beim erzielbaren Massenstrom zeitliche Schwankungen aufweisen, muss der Wirkstoffgehalt anhand von Process Analytic Technology (PAT) online nachgemessen werden. Nur über eine Rückvermischung lassen sich zeitliche Schwankungen ausgleichen. Dadurch verbreitert sich die Verweilzeitverteilung des Produktes in der Anlage, was die Rückverfolgbarkeit erschwert. Darüber hinaus benötigt das System eine Hochlaufphase, bis der eingeschwungene Zustand, der sogenannte „steady state“, erreicht ist, was wiederum zu An- und Abfahrverlusten führt.

Eine weitere Herausforderung gegenüber dem Batchverfahren liegt in den veränderten Eigenschaften der Granulate aus dem Schneckengranulator, da diese häufig eine bimodale Partikelgrößenverteilung aufweisen. Dies kann zu Segregation führen, was unter Umständen Auswirkungen auf die Tabletteneigenschaften haben kann. Dies sollten Hersteller bei einem Technologietransfer beachten. In dieser Hinsicht besteht bei kontinuierlichen Fertigungsprozessen noch Verbesserungspotenzial. Entsprechend widmete sich Bosch Packaging Technology der Frage, wie ein Verfahren beziehungsweise eine Anlage aussehen muss, die diese Herausforderungen überwindet. Einen ersten Blick auf den neuen Lösungsansatz unter dem Namen Xelum konnten Pharmahersteller anlässlich der interpack 2017 in Düsseldorf am Stand von Bosch werfen.

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Blick in den Prozessraum der Hüttlin Wirbelschicht: Im Gegensatz zu Schneckengranulatoren wird hier ohne Transfer in einem Prozessraum granuliert und getrocknet.

Weniger Komplexität, weil einzelne Pakete dosiert und gemischt werden

Die wichtigste Unterscheidung der Xelum Plattform liegt in der Dosierung von Hilfs- und Wirkstoffen als diskrete Masse im Gegensatz zum  sonst üblichen und in der Regel mit Schneckendosierern realisierten kontinuierlichen Massenstrom. Während es bei letzteren beim Dosieren anhaftender Wirkstoffe zu ungleichen Konzentrationsverteilungen (Peaks) kommen kann, lassen sich mit diskreten Massen selbst kleinste Wirkstoffmengen präzise dosieren: Die Anlage dosiert und mischt absatzweise einzelne Pakete, sogenannte X-Keys, die die Prozesskette kontinuierlich durchlaufen und die fortlaufend aus der Anlage entnommen werden. Dadurch lässt sich nicht nur die Komplexität der Prozessführung, sondern auch die Störanfälligkeit des Systems reduzieren, was wiederum die Genauigkeit und Qualität des Endprodukts erhöht.

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Unimodale Partikelgrößenverteilung der Xelum Wirbelschichtgranulation.

Gleichzeitig lassen sich die erforderlichen Messungen kritischer Qualitätsattribute einfacher und teilweise mit Soft-Sensoren realisieren. Das neue System benötigt keinen eingeschwungenen Zustand, also keine Vorlaufzeit, wodurch die An- und Abfahrverluste minimiert werden. Sämtliche Ausgangsstoffe lassen sich jederzeit in der Produktionslinie rückverfolgen und eindeutig der fertigen Darreichungsform zuordnen, da die Rückvermischung nur innerhalb jedes Pakets erfolgt.

Granulation in der Wirbelschicht vermeidet Transport von nassem Granulat

Während in den meisten am Markt verfügbaren Anlagen Schneckengranulatoren eingesetzt werden, übernehmen bei der neuen Anlage Wirbelschichtprozessoren diese Aufgabe. In der Wirbelschicht wird im gleichen Prozessraum granuliert und getrocknet. Dadurch entfällt der Transfer von nassem Granulat, was sich positiv auf die Betriebssicherheit der Anlage auswirkt. Die Wirbelschichtgranulation sorgt für eine unimodale Partikel-größenverteilung, das Granulat weist besonders gute Fließ- und Tablettiereigenschaften auf und auch die Produktausbeute ist hoch.

Auf Basis des bewährten Granulierverfahrens in der Wirbelschicht entfällt außerdem bei bestehenden Produkten der Technologietransfer, was den Aufwand bei der Umstellung auf das kontinuierliche Verfahren deutlich reduziert. Das gleiche Prinzip der Dosierung als diskrete Masse gilt auch für die äußere Phase: Im letzten Prozessschritt wird auf der integrierten Tablettenpresse tablettiert. Durch die Anbindung in die Liniensteuerung sowie einer flexiblen Regelung der Füllhöhe lässt sich ein reibungsloser Ablauf sicherstellen. Düsen für Wash-in-Place (WIP) ermöglichen eine schnelle und weitestgehend automatisierte Reinigung der Anlage.

Reibungslos vom Labor zum Produktionsprozess

Der Transfer von Prozessen vom Labor zur Produktion stellt für Pharmahersteller bei klassischen Batchprozessen, wie beispielweise dem Top-Spray Verfahren, oft eine Herausforderung dar. Bei dem kontinuierlichen Verfahren entfällt der risikobehaftete und zeitkritische Zwischenschritt. Die Entwicklung eines neuen Produktes kann entweder mit entsprechendem F&E-Equipment oder mit der integrierten, automatischen DoE (Design of Experiments)-Funktion direkt auf der Xelum erfolgen. Die Software dazu erlaubt es, verschiedene Prozessparameter einzustellen und Versuche zu automatisieren.

Fazit: Kontinuierliche Prozesse werden künftig in der Produktion oraler fester Darreichungsformen eine wichtige Rolle spielen. Welches Verfahren für welche Produkte zum Einsatz kommt, gilt es im jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Die Xelum Plattform bietet eine Industrie 4.0-fähige, wirtschaftliche Alternative für die kontinuierliche Herstellung von OSD. Um auch für künftige Anforderungen gerüstet zu sein, wird die Plattform weiterentwickelt: Sie ist nicht ausschließlich auf Nassgranulation und Tablettierung beschränkt, sondern beispielsweise auch für andere Anwendungsmöglichkeiten wie die Direktverpressung konzipiert.

Achema, Halle 3.1 – C71

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