Nach Wirkungsgrad gefiltert: Mit der ISO 16890 ändern sich die Klassifizierungen von Luftfiltern.

Nach Wirkungsgrad gefiltert: Mit der ISO 16890ändern sich die Klassifizierungen von Luftfiltern.

  • Die Luftfilter-Norm ISO 16890 ersetzt die derzeit gültige EU-Norm EN 779 zum Jahresende 2016. Die Bewertung nach der neuen Norm unterscheidet sich deutlich von der bisherigen.
  • Das neue Bewertungsverfahren minimiert Unterschiede zwischen Labortest und Alltagsbetrieb. Entscheidend ist die  Abscheideleistung von Luftfiltern bei den Partikelgrößenfraktionen PM1, PM2,5 und PM10.
  • Die früheren Filterklassen entfallen, stattdessen gibt die Bewertung eines Filters direkt Aufschluss über dessen Leistung. Somit sind Bezeichnungen transparenter und ermöglichen einfache Auswahl geeigneter Filter.

In Europa ist die europäische Norm EN 779 bisher die wichtigste Grundlage für die Prüfung und Klassifizierung von Grob- und Feinstaubfiltern. Die Internationale Normungsorganisation ISO hat nun eine neue Norm für die Prüfung und Bewertung von Grob- und Feinstaubfiltern erarbeitet.

Diese ISO 16890 wird in Europa die EN 779 voraussichtlich zum Jahresende 2016 mit einer Übergangsfrist von 18 Monaten ersetzen. Die damit eingeführte neue Bewertungsmethode stellt einen Paradigmenwechsel in der Industrie dar. Entscheidend für die Abscheideleistung von Luftfiltern sind nun die Partikelgrößenfraktionen PM1, PM2,5 und PM10, die auch die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Umweltbehörden als Maß für die Feinstaub-Belastung heranziehen (PM = engl. Particulate Matter = Feinstaub). Dies wird es Anwendern künftig ermöglichen, Filter den individuellen Anforderungen entsprechend und sehr viel zielgerichteter auszuwählen.

2: Deutlicher Unterschied: Wirkungsgrad gegenüber der Partikelgröße 0,4 µm als Funktion der Staubbeladung eines F7 Kassettenfilters (Volumenstrom 3.400 m³/h über 2.000 h) mit Außenluft (hellblaue Kurve) und Ashrae-Staub nach EN 779 (dunkelblaue Kurve).

2: Deutlicher Unterschied: Wirkungsgrad gegenüber der Partikelgröße 0,4 µm als Funktion der Staubbeladung eines F7 Kassettenfilters (Volumenstrom 3.400 m³/h über 2.000 h) mit Außenluft (hellblaue Kurve) und Ashrae-Staub nach EN 779 (dunkelblaue Kurve).

Grenzen der bisherigen Filternorm

Nach der bisher in Europa angewandten EN 779 dient das Prüfaerosol DEHS (Di-Ethyl-Hexyl-Sebacat) zum Bestimmen des Wirkungsgrades eines Filters. Fein vernebelt kommt diese ölige Flüssigkeit jedoch nur und ausschließlich für die Partikelgröße 0,4 µm zum Einsatz. In der Realität gibt es aber ein wesentlich breiteres Spektrum an Partikelgrößen. Die Veränderung eines Filters durch die Staubeinlagerung soll in der EN 779 durch die Beladung mit einem synthetischen Laborstaub, dem sogenannten Ashrae-Staub, simuliert werden. Dazu wird der Filter in mehreren Stufen beladen und dazwischen immer wieder der Wirkungsgrad gegenüber Partikeln der Größe 0,4 µm gemessen. Der Mittelwert aller so gemessenen Wirkungsgrade eines Filters bestimmt dann dessen Klassifizierung. Allerdings verhalten sich Filter gegenüber dem Ashrae-Staub ganz anders als gegenüber realen, atmosphärischen Stäuben. Deshalb lassen sich diese Labordaten nur sehr eingeschränkt – eigentlich gar nicht – auf das praktische Betriebsverhalten eines Luftfilters übertragen.

Beispielsweise kann nach der EN 779 ein Filter mit einem niedrigen Anfangswirkungsgrad selbst dann einen hohen mittleren Wirkungsgrad und damit eine hohe Klassifizierung erreichen, wenn er viel synthetischen Prüfstaub aufnimmt und dabei der Wirkungsgrad stark ansteigt. In der Realität verhält sich ein Luftfilter jedoch ganz anders. Ein Vergleich des Verhaltens gegenüber Ashrae-Staub und atmosphärischem Staub an einem F7-Kassettenfilter im Langzeitbetrieb verdeutlicht dies. Bei gefilterter Außenluft sinkt der Wirkungsgrad zunächst leicht und steigt dann mit zunehmender Staubbeladung sehr langsam wieder an. Unter Prüfbedingungen dagegen steigt der Wirkungsgrad gleich zu Anfang stark an. Dieses typische Verhalten von Luftfiltern zeigt sich unabhängig davon, ob es sich um Taschen- oder Kassettenfilter handelt oder ob Filtermedien aus organisch-synthetischen Fasern oder Glasfasern bestehen.

Prüfverfahren der ISO 16890

3: Von der einen Norm zur anderen: Abscheidegradbereiche nach ISO 16890 für heute als F7 bzw. F9 klassifizierte Filter (ungefähre Angabe).

3: Von der einen Norm zur anderen: Abscheidegradbereiche nach ISO 16890 für heute als F7 bzw. F9 klassifizierte Filter (ungefähre Angabe).

Aufgrund dieser Erkenntnisse wird die Abscheideleistung eines Luftfilters nach der neuen ISO 16890 ohne Staubbeladung ermittelt. Nach ISO 16890 wird zunächst die Trenngradkurve eines Luftfilters im Partikelgrößenbereich von 0,3 bis 10 µm gemessen. Danach wird der Filter einer Behandlung mit einer gesättigten Isopropanol-Dampfatmosphäre unterzogen. So lässt sich bewerten, in welchem Maße die Abscheideleistung auf elektrostatischen Mechanismen beruht. Darauf folgt ein erneutes Messen einer Trenngradkurve.

Der Mittelwert beider Trenngradkurven liefert die Effizienzwerte ePM1 für den Partikelgrößenbereich bis 1 µm, ePM2,5 für den Partikelgrößenbereich bis 2,5 µm und ePM10 für den Partikelgrößenbereich bis 10 µm. Darüber hinaus werden die minimalen Effizienzwerte ePM1,min und ePM2,5,min aus der Trenngradkurve berechnet, die nach der Behandlung mit Isopropanol-Dampf gemessen wurden.

Diese Effizienzwerte sind die Grundlage für die Einteilung in vier Filtergruppen. Voraussetzung für die jeweilige Gruppe ist, dass ein Filter mindestens 50 % des entsprechenden Partikelgrößenbereiches abscheidet. Scheidet ein Filter beispielsweise mehr als 50 % PM1 Feinstaub ab, gehört er zur Gruppe ISO ePM1. Zu dieser Angabe kommt jeweilige Abscheidegrad, abgerundet in 5 %-Schritten. So ist in Zukunft beispielsweise von einem ISO ePM1 55 % Filter die Rede. Klassen im Sinne der EN 779 wird es insofern nicht mehr geben. Neben den Feinstaubfiltern bewertet die neue ISO-Norm auch Grobstaubfilter als ISO coarse, also solche Filter, die weniger als 50 % PM10 abscheiden. Zur Angabe „ISO coarse“ kommt bei dieser Filtergruppe der gravimetrische Anfangsabscheidegrad gegenüber dem Laborprüfstaub AC Fein hinzu.

4: Feinstaub, Sporen, Bakterien: Größenbereiche typischer luftgetragener Kontaminanten. (Bilder: Bilder: Freudenberg Filtration Technologies)

4: Feinstaub, Sporen, Bakterien: Größenbereiche typischer luftgetragener Kontaminanten.(Bilder: Bilder: Freudenberg Filtration Technologies)

Aus F7 wird ISO ePM2,5 65 % bis 75 %

Wie ein nach EN 779 klassifizierter Filter künftig nach ISO 16890 bewertet wird, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten: In der neuen Norm liegen andere Eigenschaften des Filters zugrunde, als dies bisher der Fall war. Filter, die heute nach EN 779 beispielsweise als F7 klassifiziert sind, haben zwar den gleichen mittleren Wirkungsgrad für Partikel der Größe 0,4 µm, aber sie können sich gegenüber anderen   Partikelgrößen wie 1 µm oder 10 µm unterschiedlich verhalten. Folglich erhalten diese Filter nach der neuen Norm ISO 16890 auch eine andere Bewertung. Zudem fällt die Beladung mit Ashrae-Staub weg.

Als Faustregel lässt sich aber sagen, dass die meisten heute am Markt verfügbaren F7-Filter nach ISO 16890 in den Bereich zwischen ISO ePM1 50 % bis 65 % fallen. Anwender können jetzt entscheiden, ob PM1 überhaupt die für sie relevante Partikelgröße ist. Für die allgemeine Raumluft dürfte wohl eher PM10 die relevante Feinstaubfraktion sein. Hier ist ein Abscheidegrad von mindestens 80-90 % empfehlenswert. Die meisten heutigen F7-Filter erfüllen diese Ansprüche, aber auch mancher als M6 klassifizierter Filter.

Hygieneaspekte beim Luftfiltereinsatz

Die Anforderungen an Luftfilter basierend auf der Bewertung nach ISO 16890, die sich in Zukunft aus nachfolgenden Normen und Richtlinien, wie der VDI 6022, den GMP der EU oder der FDA sowie des Lebensmittelrechts ergeben werden, sind noch nicht im Detail absehbar. Die Normen sollten die jeweiligen Anforderungen bestimmter Anwendungsbereiche berücksichtigen und die für diese Anwendungen kritischen Partikelgrößenbereiche identifizieren. Die notwendige Abscheideleistung der einzusetzenden Filter hängt ganz allgemein von der Außenluftqualität und dem zu erreichenden Schutzziel ab. In jedem Fall sollten die von der WHO definierten Luftqualitäten im Innenraum eingehalten werden.

Betrachtet man die für die Lufthygiene relevanten Partikelgrößenbereiche, so liegen Schimmelpilzsporen, aber auch pathogene Keime wie Legionella oder Pseudomonas hauptsächlich im Bereich von 0,5 bis 10 µm. Daher empfiehlt sich in solchen Anwendungen der Einsatz von Luftfiltern mit hohen ePM10-Abscheidegraden. Beispielsweise scheidet die heute eingesetzte zweistufige Filterkombination M5/F7 nach
EN 779 rund 90 % PM10 ab. Die Kombination F7/F9 erreicht sogar bis 99 %. Zum Abscheiden kleinerer Mikroorganismen, beispielsweise Viren in aseptischen Abfüllungen, sind als dritte Stufe Schwebstofffilter nach EN 1822 notwendig. An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich die europäische Norm EN 1822 künftig auch auf einen ISO-Standard beziehen wird, nämlich die ISO 29463. Im Gegensatz zur EN 779 wird die EN 1822 in Europa jedoch weiter gültig sein.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Globalisierung ist auch in der Filternormung angekommen und die Welt der Filternormen ist im Umbruch: bisherige Normen werden überarbeitet, aktualisiert und globalisiert, althergebrachte Bewertungsansätze überdacht und dabei ganz neue Aspekte und Betrachtungsweisen eingearbeitet.

Seit den 1990er Jahren wird die Feinstaubbelastung der Außenluft durch die nationalen Umweltbehörden anhand der Feinstaubfraktion PM10 bewertet, zu der später noch die Fraktionen PM2,5 und PM1 hinzukamen. Diese Betrachtungsweise wird nun auch von der Filterindustrie übernommen. Mit Einführung des neuen Prüfstandards ISO 16890 werden Filter anhand ihrer Abscheideleistung gegenüber diesen Feinstaubfraktionen bewertet. Dies schafft ein hohes Maß an Transparenz und erlaubt Anwendern, Filter sehr viel zielgerichteter auszuwählen, als dies bisher der Fall war.

Dr. Thomas Caesar, Freudenberg Filtration Technologies

Autor: Dr. Thomas Caesar, Freudenberg Filtration Technologies

Karsten Schulz, Freudenberg Filtration Technologies

Autor: Karsten Schulz, Freudenberg Filtration Technologies

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Freudenberg Filtration Technologies KG Geschäftsbereich Filter

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