Zu diesem Hauptziel – reproduzierbar einwandfreie Produkte in definierter Qualität – gehören auch eine technisch einwandfreie Anlage sowie korrekt und reproduzierbar ablaufende Verfahren. Aus diesem Grund ist in der Europäischen Richtlinie für pharmazeutische Produkte GMP definiert als „der Teil der Qualitätssicherung, der gewährleistet, dass Produkte gleichbleibend nach den Qualitätsstandards produziert und geprüft werden, die der vorgesehenen Verwendung entsprechen“.

Die Überprüfung, ob eine Anlage technisch einwandfrei ist, d.h. die Durchführung einer Qualifizierung, ist genauso alt wie die eigentlichen gesetzlichen Vorgaben und weiteren Empfehlungen. Aber kaum ein anderer Themenbereich innerhalb der GMP-Aktivitäten hat sich aufgrund der teilweise unspezifischen Vorgaben und des großen Interpretationsspielraums so verändert und weiterentwickelt. Dies soll anhand dreier grundsätzlichen Entwicklungsstufen der GMP-gerechten Qualifizierung aufgezeigt werden. Am Anfang des Qualifizierungszeitalters – ab den 90er Jahren – wurden ohne intensiver darüber nachzudenken oder die Sinnhaftigkeit zu hinterfragen, nahezu alle Anlagen und Geräte einer sehr umfänglichen Qualifizierung unterzogen. Nach der Jahrtausendwende und dem Bekanntwerden der amerikanischen Initiative „risk based approach“ wurde ein „risikobasierter“ Qualifizierungsansatz eingeführt, um sich heute ausschließlich auf die qualitätsrelevanten Prüfungen zu beschränken und den Aufwand bei der Qualifizierung zu minimieren. Der nächste größere Entwicklungsschritt wird die Einführung und Anwendung von softwareunterstützten Werkzeugen – zum Beispiel ein Programm mit Protokollgenerator – sein, die auf Basis vorhandener Erfahrungen und vorprogrammierten Datenbanken quasi per Knopfdruck Prüfprotokolle der komplexesten Anlagen einfach ausdrucken und der Anwender diese ohne weitere Bearbeitung der Qualitätssicherung zur Genehmigung vorlegen kann.

Qualifizierung gestern: Alles wird qualifiziert

In den 90er Jahren wurden im Anhang 15 des EG-GMP-Leitfadens erstmals die Begriffe DQ, IQ; OQ und PQ offiziell beschrieben. In wenigen und kurzen Sätzen wurden hier die Zielrichtung und dahinter stehenden Aktivitäten dieser Prüfungen aus regulatorischer Sicht offen gelegt. Was sich daraus entwickelt hat, ist eine beispiellose Vielfalt von Vorgehensweisen der pharmazeutischen Unternehmen bei der Qualifizierung ihrer Anlagen und Geräten. Darüber hinaus trugen die Interpretationsspielräume in den Regularien auch dazu bei, dass verschiedenste Beratungsfirmen in den unspezifischen Vorgaben ein neues Geschäftsfeld sahen und sich mit eigenen Konzepten am Markt präsentierten, um Kunden in der Pharmazie zu unterstützen. Diese Tendenz trug nicht unbedingt zur Vereinheitlichung und Vereinfachung der Qualifizierung bei.

Auf der einen Seite stand eine allgemeine Unsicherheit, welche Produktionsanlagen, Gebäude- und Räumlichkeiten, Lüftungs- und Medienversorgungssysteme oder auch IPK- und Laborgeräte überhaupt qualifiziert werden sollten, auf der anderen Seite die fehlende Erfahrung, welche Prüfungen innerhalb der Phasen DQ, IQ, OQ und PQ eigentlich sinnvoll wären, um eine Qualifizierung als GMP-gerecht zu bezeichnen.
Aus dieser Unsicherheit und dem eigenen Anspruch heraus behördliche Inspektionen meist ohne Beanstandungen zu überstehen, wurden im letzten Jahrzehnt viele Anlagen und Geräte, die keinen oder nur wenig Einfluss auf die eigentliche Produktqualität hatten, entweder unnötigerweise überhaupt qualifiziert oder mit sehr hohen Material-, Funktions- oder Dokumentationsanforderungen überteuert projektiert und angeschafft. Ein weiteres Beispiel des überzogenen Qualifizierungsverständnisses war und ist zum Teil heute noch die ausführliche Qualifizierung von reinen Messeinrichtungen (Handmessgeräte) im Labor- und Produktionsbereich. Diese sollten aufgrund Ihrer ausschließlichen Messeigenschaft nur kalibriert und nicht qualifiziert werden.

Getrennte Anlagen- undSPS-Qualifizierung

Darüber hinaus wurde auch aus Unkenntnis und fehlender interner Kommunikation zwischen den verantwortlichen Abteilungen (Technik, Produktion und EDV) die Qualifizierung/Validierung von speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) getrennt von der eigentlichen Anlagenqualifizierung durchgeführt. Dies führte dazu, dass der formale Akt der Plan-, Protokoll- und Berichtserstellung sowie zum Teil Prüfungen doppelt durchgeführt wurden und dadurch unnötige Kosten entstanden. Auch dachte man zu diesem Zeitpunkt noch fälschlicherweise, man müsste alle computergestützten Systeme nach den Anforderungen des 21 CFR Part 11 validieren. Dadurch wurden leider nicht nur der Aufwand und die Kosten für die Qualifizierung weiter in die Höhe getrieben, sondern auch der zeitliche Abstand von Projektbeginn bis zum erfolgreichen Abschluss wurde immer größer.

Qualifizierung heute: Qualifizierung mit Risikobetrachtung

Im Gegensatz zu den Anfängen wurde – wie eingangs schon erwähnt – zu Beginn des 21. Jahrhunderts die amerikanische Initiative „risk based approach“ und die überzogenen Aktivitäten der 90er Jahre genutzt, um sich grundlegende Gedanken über die Qualitätsrelevanz der verwendeten Anlagen und der durchzuführenden Prüfungen bei der Qualifizierung zu machen. Heute werden bei allen Aktivitäten im GMP-Bereich Risikobetrachtungen durchgeführt, um die Kritikalität und das Risiko für das Produkt sicher beurteilen zu können. Bei Qualifizierungen erfolgt dies mit technischen Risikoanalysen, die das Ziel haben, die kritischsten Komponenten und Funktionalitäten zu identifizieren und darauf die Qualifizierungsprüfungen zu konzentrieren sowie als positiven Nebeneffekt den Aufwand zu reduzieren.

Diese technischen Risikoanalysen sind sowohl bei neu geplanten Anlagen als auch bei baulichen Änderungen vorhandener Anlagen und Geräte so früh als irgend möglich durchzuführen, idealerweise schon planungsbegleitend. Durch die Ergebnisse der Risikoanalysen können Design und Auslegung der Anlagen noch maßgeblich beeinflusst und auf das Wesentliche konzentriert werden; dadurch können auch Investitionskosten reduziert werden. Eine weitere Möglichkeit, Qualifizierungsaufwände bei Neuanlagen einzusparen, wäre auch, den Ansatz der integrierten Anlagenqualifizierung zu verfolgen, da hier viele Synergieeffekte zwischen den Engineeringprozessen und der Qualifizierung genutzt und dadurch Doppelaktivitäten vermieden werden können.

Mehrstufige Risikobetrachtung bei der Qualifizierung

Innerhalb einer ersten Risikoklassifizierung wird abgeklärt, mit welcher Kritikalität die Anlagen und Geräte mit Blick auf die Produktqualität einzustufen sind und ob Maßnahmen innerhalb einer Kalibrierung, Wartung, Qualifizierung und Validierung notwendig werden. Dies wird auch von dem industriellen Interessenverband der ISPE (International Society of Pharmaceutical Engineering) im Rahmen des Impact Assesments (direct, indirect or no direct impact) verfolgt.

Dabei kann anhand des Einsatzes und Komplexität der Anlagen entschieden werden, ob eine weitere und detaillierte Risikoanalyse notwendig wird, die die Anforderungen an die Materialien und die Funktionalitäten tiefergehend beleuchtet. Auf welche Art und Weise diese Risikobetrachtungen durchgeführt werden sollen (FMEA, HACCP, freie Risikoanalyse etc.) gibt es keine bindenden Vorgaben. Wichtig sind nur die Erkenntnisse und Ergebnisse der Diskussionen sowie die Sinnhaftigkeit der beschlossenen Maß-nahmen zur Vermeidung der Risiken.

Qualifizierung morgen

Im Zeitalter der immer weiter gehenden Automatisierung von Prozessen, der Vereinheitlichung der regulatorischen Vorgaben im Rahmen der weltweiten Harmonisierungsbemühungen wird sich auch das Vorgehen bei der GMP-gerechten Qualifizierung erheblich verändern. Nach Ansicht vieler Fachleute wird die Zukunft der GMP-gerechten Qualifizierung in EDV-unterstützten Softwarepaketen liegen. Da heutzutage schon sehr viel Wissen über die Vorgehensweise innerhalb und der Prüfungen während der Qualifizierung vorhanden sind, kann dieses Wissen schon jetzt für artverwandte oder redundante Anlagen und Geräte sehr gut eingesetzt werden. Der nächste Schritt, dass Füllen dieses Wissens in eine Datenbank und die Programmierung der formalen Abläufe in ein Programm, wird dann nicht mehr weit sein. Es gibt schon heute einige Programme, hauptsächlich aus dem Bereich der IT-Validierung, die in diese Richtung zielen, aber noch einiges an Entwicklungszeit benötigen, um das gesamte Spektrum von Qualifizierungs- und Validierungsaktivitäten bei Anlagen, Geräten und computergestützten System abzudecken. Zwei Hauptprobleme dabei sind sicherlich die eingangs beschriebene Vielfalt von unterschiedlichen Qualifizierungskonzepten, die sich im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt haben, und das fehlende anlagentechnische und pharmazeutische Know-How der programmierenden Softwareunternehmen. Aber diese sind im Gegensatz zu den Möglichkeiten, mit einem softwareunterstützten Tool die Qualifizierungsdokumentation von gesamten Produktionsbereichen praktisch ohne größere Aufwände erstellen zu lassen, eher vernachlässigbar und werden die Entwicklung in diese Richtung sicher nicht aufhalten.

Fazit: Auch in Zukunft wird die GMP-gerechte Qualifizierung ein wesentliches Standbein der Qualitätssicherung im technischen Bereich von pharmazeutischen Firmen bleiben. Es werden sich nur die Aktivitäten und die Zielrichtung ändern. Von den ehemals sehr zeitaufwändigen Qualifizierungsprojekten zu einem automatisierten und standardisierten Vorgehen ging man von einem Drittel der Zeit für das Erstellen der Dokumente, einem Drittel der Zeit für Besprechungen, Diskussionen sowie Projektmanagement und einem Drittel der Zeit für die Durchführung der Prüfungen aus. Hält man sich dieses pauschalisierte Rechenbeispiel vor Augen, wäre grundsätzlich ein Einsparpotenzial von gut zwei Drittel der früher projektierten Qualifizierungsaktivitäten möglich.

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