Quit the drink

In der Getränke-industrie sind Explosionen durch Zucker und andere Stäube zu vermeiden oder zu kontrollieren. (Bild: Adobe Stock – EasyBalance)

  • Zuckerstäube und andere staubende Getränkegrundstoffe bergen ein Explosionsrisiko – Verarbeiter müssen dem gewissenhaft und zugleich wirtschaftlich vorbeugen.
  • Konstruktiver Explosionsschutz verbindet hohe Sicherheit mit langfristiger Wirtschaftlichkeit und schafft so die Voraussetzung für ein notwendiges Schutzniveau für Personen und Anlagen. Das gibt Anlagenbetreibern die Sicherheit, gemäß den Vorgaben der relevanten gesetzlichen Betriebssicherheitsverordnung zu handeln.

Daher gehören Getränkehersteller zu den wichtigsten Abnehmern der deutschen Zuckerfabriken. Auch zahlreiche andere Getränkegrundstoffe, die in Pulverform zugeliefert werden – etwa Süßstoffe, Bindemittel und Stärke – können eine explosionsfähige Atmosphäre verursachen. Entsprechender Bedarf herrscht in der Getränkeindustrie nach wirkungsvollen und wirtschaftlichen Explosionsschutz-Einrichtungen, die die Auswirkungen einer möglichen Staubexplosion kontrollieren und die Produktivität sichern.

Entscheidend sind jeweils die Explosionskennwerte des verarbeiteten Stoffs und die Staubkonzentration in der Luft. Beispielsweise wird  Zuckerstaub mit einem typischen maximalen Explosionsüberdruck Pmax von 8,5 bar und einem KSt-Wert von 138 bar m/s in die Staubexplosionsklasse St 1 eingeordnet. Als Auslöser einer Staubexplosion kommen neben Flammen oder Glimmnestern etwa heiße Oberflächen, mechanisch sowie elek-trisch erzeugte Funken und elektrostatische Aufladung infrage. Zwar ist nicht jedes Staub-Luft-Gemisch explosionsfähig; Staubexplosionen bilden allerdings eine besonders große Bedrohung für Menschen und Anlagen. Sie bringen einen extremen Druckanstieg mit sich und können so eine verheerende Zerstörungskraft entwickeln.

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Explosionsschutz-Berstscheiben bilden als konventionelle, variantenreiche Druckentlastung einen zuverlässigen Schutz vor übermäßigem Druck in den Anlagen der Getränkeindustrie. Als Sollschwachstelle gibt das Material von Explosionsschutz-Berstscheiben bei einer Zuckerstaub-Explosion kontrolliert nach und lässt den Druck nach außen entweichen.(Bilder: Bormann & Neupert)

Maßgeschneiderte Lösungen sind gefragt

Eine fundierte Risikobetrachtung und -einschätzung und ein darauf basierender wirkungsvoller Explosionsschutz ist darum unverzichtbar. Die Relevanz zeigen schwere Vorfälle in zuckerverarbeitenden Betrieben in Deutschland und den USA in den vergangenen Jahren: Hohe Anlagenschäden verursachten kostenintensive Produktionsunterbrechungen, und teilweise wurden auch Menschen verletzt oder kamen um.

Typische Stellen im Verarbeitungsprozess, wo Zuckerstäube auftreten, sind Filter, Silos oder Förderanlagen wie Becherelevatoren. Eine vorbeugende Maßnahme, also das Vermeiden der explosionsfähigen Atmosphären, lässt sich an solchen Orten kaum wirtschaftlich realisieren. In Silos werden die Stäube beim Einlagern und Umschichten immer wieder aufgewirbelt; in Becherelevatoren rieselt der überschüssige Zucker ab und reichert sich in der Luft an. Durch die Luftbewegung können die Staubanteile dort zudem länger als üblich in der Luft verweilen. Es sind also jeweils maßgeschneiderte konstruktive Schutzeinrichtungen gefragt, die einen wirkungsvollen und zugleich wirtschaftlichen Schutz vor den Folgen einer möglichen Staubexplosion gewährleisten.

Welche Variante in welchem Umfeld jeweils die bestmögliche ist, zeigt eine detailliertere Betrachtung: Explosionsschutz-Berstscheiben bilden als konventionelle Druckentlastungen überall dort einen effektiven Basisschutz, wo das Entweichen von brennenden Stäuben und Partikeln und Flammen aus sicherheitstechnischer Sicht akzeptabel ist. Zu beachten ist aber unbedingt: Das Volumen dieser Emission wird ein Vielfaches der eigentlichen Anlagengröße betragen. Es muss unbedingt eine ausreichende Sicherheitszone vorhanden sein. Der Einsatz kann also ausschließlich in Außenbereichen erfolgen oder mit einem nach außen führenden Abblaskanal, der aber auf jeden Fall dem entstehenden erheblichen Druck standhalten muss.

Druckentlastung beugt Schäden vor

Explosionsschutz-Berstscheiben werden jeweils entsprechend des Prozessdrucks und des für Behälter oder Anlage zulässigen Drucks ausgelegt. Wird der vorab definierte Ansprechdruck erreicht, birst die Druckentlastung unmittelbar – in industriellen Anwendungen häufig bei Überdrücken von 100 mbar. Je nach Anwendung sind Ansprechdrücke ab 20 und bis 350 mbar mit Standard-Varianten der Druckentlastungen möglich. Die schnelle Reaktion und das schlagartige Freigeben einer großen Entlastungsöffnung schützen die Anlagen und Behälter vor der Druckeinwirkung. Beschädigungen werden vermieden.

Für Umgebungen, in denen keine ausreichend große Sicherheitszone zur Verfügung steht, sind flammenlose Druckentlastungen eine Alternative. Ein mehrlagiges Edelstahl-Filtergewebe verhindert das Austreten von Flammen und brennenden Partikeln, lässt aber die Druckwelle entweichen. Ein Mindestabstand zu Wänden, benachbarten Anlagen oder Aufenthaltsbereichen für Menschen ist auch hier zwingend notwendig. Für den Einsatz bei Zuckerstäuben ist zudem entscheidend, dass die Schutzeinrichtungen und -systeme auch für Zuckeranwendungen zugelassen und ATEX-zertifiziert sind.

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Die schematische Darstellung zeigt, wie Enktopplungssysteme (rot) verbundene Teile innerhalb verfahrenstechnischer Anlagen entkoppeln und so Zonen wirkungsvoll voneinander abgrenzen.

Unterdrückung bremst Explosion aus

Wenn es darum geht, die Auswirkungen von Staubexplosionen noch weiter zu minimieren, werden aktive, schnellwirkende Löschsysteme zur Explosionsunterdrückung eingesetzt. Die Systeme ersticken jede Flamme einer anlaufenden Explosion innerhalb von Sekundenbruchteilen schon in der Entstehungsphase – lange bevor der Explosionsdruck seine volle Zerstörungskraft entfalten kann.

Hochempfindliche Sensoren erkennen einen kritischen Druckanstieg – etwa in einem Silo – bereits im Millibarbereich und ermöglichen dem Unterdrückungssystem ein sofortiges Reagieren: Eine sogenannte Löschkanone bringt in wenigen Millisekunden ein hochwirksames, zugleich lebensmitteltaugliches Löschmittel ein und unterdrückt die Explosion auf einen anlagenspezifisch reduzierten und akzeptablen Druck. Die aktiven Systeme bieten einen hohen, zuverlässigen Schutz und erlauben zugleich ein prozessoptimiertes Anlagendesign in Gebäuden, wo kein Sicherheitsbereich für eine Entlastung zur Verfügung steht.

Bei der Entscheidung für eine Unterdrückung gilt es allerdings einige relevante Kriterien zu beachten: So verzichten z. B. alle Systeme von BS&B bewusst auf pyrotechnische Auslöser. Als Auslöser fungiert ein Kraftschaltelement. Zudem besteht die Löschkanone aus einem Druckbehälter, der erst bei der Installation mit Stickstoff befüllt wird, und einer leicht auszutauschenden Löschmittelpatrone. Darum ist keines der Bauteile als Gefahrgut eingestuft. Transport und Lagerung sowie Ersatzteillogistik und -management sind erheblich vereinfacht. Die bei konventioneller Gestaltung obligatorischen Sicherheitsvorschriften entfallen. Anlagenbetreiber können so die wenigen notwendigen Ersatzteile für eine schnelle Wiederinbetriebnahme vor Ort ohne Beschränkungen lagern. Die Instandsetzung kann das eigene, vorab vom Hersteller geschulte Personal mit relativ wenig Aufwand schnell durchführen, Wartezeiten auf externe Montagetechniker oder Teile entfallen. Selbst wenn einmal Teile benötigt werden, ist die Lieferzeit dank der vereinfachten Transportlogistik stark verkürzt. Anlagenstillstände, also kostspielige Produktionsunterbrechungen, bleiben so auf ein absolutes Minimum reduziert.
Dem gleichen technischen Funktionsprinzip wie Explosionsunterdrückungen folgen Systeme zur chemischen Explosionsentkopplung. Hier wird durch das Einbringen von Löschmittel eine Sperre errichtet, die das Ausbreiten der Flammen in verbundene Anlagenbereiche stoppt.

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Die Löschkanone des Unterdrückungssystems IPD besteht aus einer drucklosen, leicht austauschbaren Löschmittelpatrone und dem mit Stickstoff befüllten Druckbehälter (rechts).

Konstruktiver Explosionsschutz ist notwendig

Entkopplungen zählen – wie alle beschriebenen Schutzmaßnahmen – zum konstruktiven Explosionsschutz. Dieser ist immer dann erforderlich, wenn sich mit vorbeugenden Maßnahmen kein ausreichendes Schutzniveau erreichen lässt. Das ist beim Handling staubender Stoffe wie Zucker sehr anspruchsvoll und aufwendig. Beispielsweise müssen Staubablagerungen – wie sie etwa in der Umgebung von Filtern und Entstaubungsanlagen häufig anfallen können – von allen Oberflächen regelmäßig entfernt werden. Ansonsten können die Stäube durch Erschütterungen oder Luftbewegungen aufgewirbelt werden und so explosionsfähige Staubkonzentrationen entstehen. Besonders kritisch sind Situationen, in denen vorhandene Staubablagerungen von einem Explosionsereignis aufgewirbelt und entzündet werden. So kann eine Kettenreaktion mit äußerst heftigen und sich über weite Betriebsbereiche ausdehnenden Folgeexplosionen angestoßen werden. Grundsätzlich gilt: Eine vollständige Vermeidung von potenziellen Zündquellen ist prozessbedingt fast nie möglich. Schutzmaßnahmen müssen daher in Abhängigkeit zu den Ergebnissen einer individuellen Gefährdungs- und Risikoanalyse bestimmt und umgesetzt werden.

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Das System kann in jeder beliebigen Lage eingebaut werden und eignet sich auch für ungünstige Platzverhältnisse. Die beiden Entkopplungssysteme links im Bild verhindern, dass eine Flammenfront sich im Rohrsystem ausbreitet. Das dritte, baugleiche Teil rechts erstickt – als Unterdrückungssystem verbaut – eine mögliche Explosion im Prozessbehälter bereits in der Entstehung (rechts).

ZUR TECHNIK

Berstscheiben für Lebensmittel-Prozesse
Für den Einsatz bei schwankenden Prozessdrücken stellt Bormann & Neupert by BS&B seine Explosionsschutz-Berstscheiben Vent-Saf zur Verfügung. Deren spezielle Gestaltung macht sie auch gegenüber prozessseitigen Vakuumdrücken bis 500 mbar unempfindlich. Edelstahl- und Verbundwerkstoffe für die Berstscheibe und angepasste Materialien für Dichtungen und Dämmung mit FDA-Zulassung erfüllen die notwendigen hygienischen Anforderungen beim Einsatz in der Lebensmittelverarbeitung.

Powtech Halle 2 – 530

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