Ob Nischenprodukte, neue Präparate oder Blockbuster – Gründe für die Auslagerung der Produktion gibt es viele. Zahlreiche pharmazeutische Unternehmen haben den lästigen Produktionsrucksack abgeschüttelt und das Produzieren einem Dienstleister übertragen. Zu dessen Kernkompetenz gehören unter anderem niedrige Produktionskosten. Mit einer der wichtigsten Gründe für pharmazeutische Unternehmen, ihre Produktion auszulagern, denn schließlich will man zu marktgerechten Preisen anbieten, insbesondere in der heutigen Zeit, die ganz unter dem Zeichen einer einschneidenden Gesundheitsreform steht. Anlagen binden Raum und Personal; eine Investition, vor der der Auftraggeber oft zurückschreckt.

Gesetzliche Vorschriften lassenKosten in die Höhe schnellen

„Der Kostendruck in der pharmazeutischen Industrie ist immens“, bestätigt Hans-Dieter de Jager, Head of Business Development Packaging bei Schwarz Pharma. Er weiß davon wahrlich ein Lied zu singen, denn Schwarz Pharma ist sowohl produzierendes pharmazeutisches Unternehmen als auch Lohnhersteller. Mit der Dienstleistung werden vorhandene Kapazitäten besser ausgelastet. Auch ein Grund für steigende Kosten ist die 14. AMG-Novelle, die im Herbst letzten Jahres in Kraft getreten ist. Neben Änderungen, wie der Ergänzung des Herstellbegriffs um die Freigabe sowie die Definitionserweiterung für den pharmazeutischen Unternehmer, ist die Einführung einer „qualified person“ von Bedeutung. Danach muss ein Inhaber einer Herstellungserlaubnis ständig und ununterbrochen über mindestens eine sachkundige Person verfügen. Diese sachkundige Person ist für das Einhalten sämtlicher arzneimittelrechtlicher Vorschriften von der Herstellung über Prüfung bis zur Freigabe jeder Charge unmittelbar vor dem Inverkehrbringen verantwortlich. „Dies ist ein wesentlicher Kostenfaktor für ein kleineres Unternehmen, denn eine solche sachkundige Person kann aufgrund der Anforderungen im Bereich der Haftung teuer werden“, erklärt Dr. Gerolf Tittel, Geschäftsführer von LAT und Dronania. Darüber hinaus braucht diese Person mindestens einen, besser mehrere Stellvertreter, da das Gesetz eine permanente Präsenzpflicht fordert. Für kleinere Unternehmen hat das zur Folge, dass weiterer Kostendruck im GMP-Bereich entsteht. Fazit: Die eigene Produktion muss diese steigenden Personalkosten tragen können.

Immer mehr pharmazeutische Unternehmen sehen ihre Hauptaufgabe in der Vermarktung ihrer Produkte und lagern den Produktionsschritt an Dienstleister aus. Mit der verminderten Fertigungstiefe wird auch das Risiko minimiert. Insbesondere bei neuen Präparaten empfiehlt sich die Auftragsvergabe an Externe, denn gerade in der Anfangsphase lassen sich die Kapazitäten nur schwer kalkulieren. Kaum ein Pharmazeut wird ein unnötiges Risiko eingehen, wenn die Zukunft des Präparates ungewiss ist – denkbar sind schließlich alle möglichen Varianten. Hinzu kommt die in großen Unternehmen zum Teil immer noch starre Struktur – es fehlt an Personal, vor allem an Flexibilität, der Vertrieb erweist sich als Stolperstein. „Hier kann natürlich ein Dienstleister von Vorteil sein, und sei es, dass er nur ergänzend arbeitet“, weiß Axel Ebbecke, Geschäftsführer der Ebbecke Verfahrenstechnik, aus Erfahrung. Zum Beispiel dann, wenn das neue Produkt nicht in den Betriebsablauf passt. Zuweilen kommt es auch vor, dass der Dienstleister im Auftrag die Anlage des Kunden betreibt.
Ein entscheidendes Merkmal des Dienstleisters ist seine Flexibilität – häufig ein Balanceakt zwischen Auslastung und freien Kapazitäten. Dies, um einerseits kontinuierlichen Umsatz zu erzielen, andererseits aber schnell auf Kundenanfragen reagieren zu können. Denn potenzielle Kunden möchten nicht lange auf Antwort warten, sondern schnell bedient werden.

Kompetenz zeigt sich schon imGespräch

Ein prinzipielles Risiko für Lohnhersteller ist die Abhängigkeit von wenigen Auftraggebern. Damit ein Kunde auch Kunde bleibt, müssen Preis und Qualität stimmen. Zu den Qualitätsaspekten zählt unter anderem auch der Service sowie eine termingerechte Lieferung. Ist die Beziehung zwischen Auftraggeber und Dienstleister erst einmal gefestigt, sind Preisdebatten erfahrungsgemäß eher Nebensache. Im Idealfall wird im Laufe der Zeit aus der Kunden-Lieferanten-Beziehung eine strategische Partnerschaft. Vor allem dann, wenn der Auftraggeber von der Kompetenz des Lohnherstellers überzeugt ist. Dies sollte sich schon vor der Auftragsvergabe zeigen: „Wer in Gesprächen beweist, dass er umfassendes fachliches Know-how besitzt und nicht erst umständlich Informationen einholen muss, hat sich dadurch oft schon vom Wettbewerb abgegrenzt“, so Peter Milde, Vertriebsleiter bei Klocke Pharmaservice und Verpackungsservice.

Diese Gesprächskompetenz verschafft einem hiesigen Lohnhersteller auch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der oft billigen Konkurrenz im Ausland, insbesondere in asiatischen Ländern. Indien beispielsweise gilt weltweit als das größte Generika produzierende Land, auch wenn dort ansässige Firmen zum Teil als unzuverlässig gelten. Korea hat einen guten Ruf, China ist im Kommen. Es ist weniger die geografische Distanz, die hinderlich ist: Serviceleistungen, wie Dokumentation etc., sucht man hier oft vergeblich. Da helfen auch Dumping-Preise nichts, denn der Kunde möchte einen Rundum-Service.
Was zählt, ist das Komplettangebot – so gesehen sollte der Lohnhersteller „Allrounder“ sein. Gefragt sind Beratung und Hilfestellung in allen Stadien des Produktes, angefangen von der Entwicklung und Produktion bis hin zur Verpackung und hört bei der Logistik noch lange nicht auf. Dazu Dr. Tittel: „Ein Kunde erwartet heute Marktberatung, Produktberatung, Produktentwicklung. Einer „Allgemeinbude“, in der nur produziert wird, wird mangelnde Kompetenz unterstellt.“ In seinem Unternehmen wurden seinerzeit auch Überlegungen angestellt, ob man sich auf einige wenige Aspekte beschränken sollte. Heute bietet LAT Analytik, wissenschaftliche und pharmastrategische Beratung sowie Betreuung bei Zulassungsverfahren, Dronania fungiert als Lohnhersteller. Spezialitäten sind Phytopharmaka sowie Nahrungsergänzungsmittel. Gerade im Bereich Life-Science-Produkte sieht auch Martin Holl, Leiter des Geschäftsbereichs Produktveredlung bei Rettenmaier, großes Potenzial: „In den Industriestaaten haben die Menschen eine hohe Lebenserwartung; man möchte sich ein angenehmes Leben bis ins hohe Alter ermöglichen. Dies gilt vor allem für solche Ländern, in denen es dem Verbraucher finanziell gut geht. Davon profitieren letztendlich auch wir.“ Seiner Überzeugung nach wird das Segment Life Sciences in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stark an Bedeutung gewinnen.

Komplettanbieter durchKooperationspartner

Was aber, wenn der Dienstleister nicht alle Bereiche des Auftrags selbst erfüllen kann, wenn es ihm bei bestimmten Produkten selbst an Know-how oder der erforderlichen Anlage fehlt? Dann sollte auch er sich nicht scheuen, diese Teilbereiche an Partner abzutreten. Hier sind Netzwerke sinnvoll, denn auf der einen Seite besteht in der Lohnherstellung der Zwang zur Spezialisierung, auf der anderen Seite will man als Komplettanbieter auftreten. Doch sollte der Kunde über partielles Outsourcen informiert werden, denn dies stärkt das Vertrauensverhältnis und damit die Partnerschaft. Auch die Empfehlung eines kompetenten Partners hilft dem Kunden weiter.

Der Rundumservice beinhaltet vor allem die leidige Dokumentation, denn über die ständig neuen und sich ändernden Vorschriften sind viele Auftraggeber – insbesondere Startup-Unternehmen – nicht ausreichend informiert und insofern auf die Unterstützung des Dienstleisters angewiesen. Aber auch große produzierende Unternehmen lagern diese administrativen Bereiche, die mit horrenden Kosten verbunden sind, zunehmend aus.

Fazit: Was macht einen guten Lohnhersteller aus? Hochgradige Spezialisierung, um Nischen zu besetzen, um dann – gegebenenfalls in Kooperation mit Partnern – als Komplettanbieter auftreten zu können.

„Der Kunde will das komplette Produkt beziehen einschließlich aller Leistungen“
Hans-Dieter de Jager, Head of Business Development Packaging, Schwarz Pharma
„Die pharmazeutische Industrie wird von mehreren Seiten in die Zange genommen“
Martin Holl, Leiter Geschäftsbereich Produktveredlung, Rettenmaier
„Teilausgelastete Spezialanlagen wie Blattdrogen-Mahlanlagen werden meist nicht mehr selbst betrieben“
Axel Ebbecke, Geschäftsführer Ebbecke Verfahrenstechnik
„Steigende GMP-Anforderungen und die ständige Präsenzpflicht der QP erhöhen den Kostendruck deutlich“
Dr. Gerolf Tittel, Geschäftsführer LAT und Dronania
„In Asien wird zwar preiswert produziert, aber der Service lässt zu wünschen übrig“
Peter Milde, Vertriebsleiter Klocke Pharmaservice und Verpackungsservice

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