Kartonverpackungen für Lebensmittel werden häufig aus recyceltem Altpapier wie Zeitungen hergestellt. Dieses Papier enthält unter anderem Reste von Zeitungsdruckfarben. Sie bestehen aus Mineralölen, die nicht für den Lebensmittelkontakt zugelassen sind. Und genau hier liegt das Problem: Die Mineralöle können im Recyclingprozess nicht vollständig entfernt werden und gelangen so in die Verpackungen. Mineralöle enthalten jedoch Kohlenwasserstoff-Verbindungen, die aus dem Karton auf die Lebensmittel übergehen können. Fachleute sprechen von Migration. Und dazu braucht es nicht einmal einen direkten Kontakt zwischen dem Karton und dem Lebensmittel: Einige Mineralöl-Rückstände verdampfen schon bei Raumtemperatur. Dieses Gasgemisch breitet sich in der Verpackung aus, und die Substanzen können von den Lebensmitteln aufgenommen werden.
„Untersuchungen vom Kantonalen Labor in Zürich haben gezeigt, dass bereits nach zwei Monaten rund 30 % aller migrationsfähigen Substanzen in das Lebensmittel übergegangen sind“, erklärt Heiko Diehl. Der BASF-Manager ist im Unternehmensbereich Paper Chemicals für die Betreuung internationaler Markenartikelhersteller verantwortlich. Vor allem Produkte wie Mehl, Reis oder Backmischungen seien betroffen, weil sie die Mineralöl-Bestandteile in größeren Mengen aufnehmen können. „Haben sich die Schadstoffe erst in der Nahrung angereichert, lassen sie sich durch Waschen oder Kochen nicht mehr entfernen oder unschädlich machen“, so Diehl.
Das Gesundheitsrisiko, das von den Mineralölen in Lebensmittelverpackungen ausgehen kann, beschäftigt nicht nur die Industrie. Auch bei den zuständigen Überwachungsbehörden in der Schweiz sind die Mineralöl-Rückstände in Lebensmitteln und ihre Auswirkungen ein Thema. Bei Kontrolluntersuchungen haben die dortigen Wissenschaftler hohe Rückstände dieser Substanzen in menschlichem Gewebe nachgewiesen. Dr. Konrad Grob vom Kantonalen Labor in Zürich: „Der Verbrauch von Kartons für die Verpackung von Lebensmitteln ist derart hoch, dass die Verwendung von Recyclingmaterial unumgänglich ist. Zwar gibt es bislang noch keine gesetzlich verbindlichen Grenzwerte, sondern nur behördliche Empfehlungen. Diese Werte lassen sich aber bei normalen Recyclingkartons für die meisten Produkte bei längerer Lagerung nicht ohne Barriere einhalten“, sagt Grob.
Durchbruchzeit ist länger als Produkthaltbarkeit
Die BASF hat bereits verschiedene Barrierelösungen entwickelt, die auf die Innenseite der Kartons aufgebracht werden. Diese hauchdünnen Beschichtungen bestehen aus Polymeren, also Makromolekülen, die aus sich wiederholenden kleineren Molekülen aufgebaut sind. Bereits Barrierebeschichtungen, die nur 10 bis 15 µm dick sind – zum Vergleich: ein Haar ist bis zu 120 µm dick – können die Lebensmittel für bis zu drei Jahre vor den Schadstoffen schützen. „Die wichtigste Anforderung an die Barrieren ist, dass die sogenannte Durchbruchzeit – also die Dauer, bis eine Barriere undicht werden kann und gesundheitsschädliche Substanzen zum Lebensmittel vordringen können – länger ist als die Haltbarkeit des verpackten Produkts“, erklärt Diehl.
„Unsere Barrierebeschichtungen kann man sich modellhaft wie ein engmaschiges Netz vorstellen, das nur bestimmte Moleküle durchlässt“, so Diehl. Nur sehr kleine Moleküle wie zum Beispiel Wasserdampf können passieren. Größere Moleküle wie Mineralöl-Rückstände können nicht hindurch. Zusätzlich erschwert die polare Natur der Barrieren den Molekülen die Migration.
Aber nicht nur die Barrierewirkung für große Moleküle war eine Herausforderung bei der Entwicklung der verschiedenen Beschichtungslösungen. Dr. Carmen Cimpeanu aus der Material- und Systemforschung der BASF erklärt: „Gleichzeitig muss die Beschichtung auch so flexibel sein, dass beim Falten der Kartons keine Bruchstellen entstehen können und die Schutzschicht undicht wird.“
Hat die Beschichtung schließlich ihre Aufgabe erfüllt, und die Lebensmittel sind verspeist, soll sich der Polymerfilm wieder einfach ablösen lassen. Denn beim erneuten Recycling des Kartons darf er nicht stören, sondern muss einfach im Wiederaufbereitungsprozess entfernt werden können. Nur dann lässt sich das recycelte Papier problemlos wieder zu Kartonverpackungen verarbeiten, die die nächste Charge an Nudeln, Müsli und Co. schützen.
Quelle: BASF
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