Dekontamination von Reinraum-Umgebungen mit Wasserstoffperoxid

Bei der Dekontamination von Reinraum-Umgebungen mit Wasserstoffperoxid gibt es unterschiedliche Ansätze. (Bild: Ortner Reinraumtechnik)

  • Die Dekontamination von Räumen, Anlagen und Geräten mit Wasserstoffperoxid ist ein etabliertes Verfahren, es existieren jedoch verschiedene Varianten zur technischen Umsetzung.
  • Im Vorfeld eines pharmazeutischen Großprojektes ermittelten die Projektpartner ein geeignetes Verfahren unter den spezifischen Gegebenheiten. Dabei nutzten sie praktische Pilotversuche sowie Simulationen.
  • Zwischen den verschiedenen Ansätzen zeigten sich große Unterschiede im Dekontaminations-Erfolg. Dies zeigt, dass Tests und Bewertungen unterschiedlicher Systeme wichtig sind und sich auszahlen können.

Gegenüber früher etablierten Verfahren, etwa mit Formaldehyd, aber auch Ethylenoxid und Chlordioxid, hat die H2O2-Dekontamination zwar deutliche Vorteile. Es gibt jedoch auch Grenzen und Anwendungsfälle, in denen H2O2 keine verwertbare Wirkung erreicht. Ungeachtet dessen gilt das H2O2-Verfahren als aktueller und künftiger Technologie-Standard.

Vier verschiedene Techniken

Im Wesentlichen lassen sich vier Anwendungstechniken unterscheiden: Zu Beginn der Entwicklung der H2O2-Begasung wurden H2O2-Generatoren in die Räume gestellt, die Räume so gut wie möglich abgedichtet und die Generatoren manuell gestartet. Diese Praxis war und ist noch immer eine brauchbare Anwendung, ist aber für validierbare oder automatisierte Prozesse nicht besonders geeignet, da viele variable Einflussfaktoren zu berücksichtigen sind und die Prozesssicherheit nicht gewährleistet ist.

Eine andere, noch immer gängige Praxis ist die Begasung von Räumen, indem Generatoren außerhalb von Räumen aufgestellt werden und das heiße Feuchtgas über Anschlussstutzen direkt in die Räume eingeblasen wird. Dies birgt ein großes Risiko, weil das Gas hochkonzentriert, unkontrolliert und unverteilt einströmt. Es kann rasch kondensieren und Oberflächen beschädigen.

2_Ortner_Begasungsduese

Begasungsdüsen in zur Einbringung von H2O2 können entweder fest verbaut sein... (Bild: Ortner Reinraumtechnik)

Eine weitere Variante sind rotierende Düsen oder hochinduktive Auslässe, die sich für Komfortanlagen der Reinraumtechnik eignen. Für eine Begasung mit Raumtiefenwirkung oder gerichteter Strahlwirkung sind diese Komponenten jedoch nicht geeignet. Wirksame Dekontaminationen von Luftleitungen, sofern diese nicht mit endständigen Hepa-Filtern ausgestattet sind, ist nicht oder nur bedingt möglich.

Die risikoreichste Variante ist die Gaseinbringung über Lüftungssysteme, deren Luftleitungen für höhere Luftmengen und eine zugfreie Lufteinbringung ausgelegt sind. Diese Lösung wird, obwohl mit erheblichen Problemen behaftet, in der Praxis oft gewählt. Am besten eignet sich die Gaseinbringung über getaktete Strahldüsen oder spezifisch ausgelegte Einfachdüsen. Damit lassen sich die Eindringtiefe, Raumluftwalzen und Nischenabdeckung am besten realisieren und eine Kondensation mit großer Sicherheit vermeiden.

Generell ist bei einer Begasung im „Closed Loop“-Verfahren – Zu- und Abluft sind durch hochdichte Klappen verschlossen – der physikalische Zustand zu beachten. Durch die Erwärmung der Luft und die Volumenzunahme beim Verdampfen von H2O2kann es zu einer Druckerhöhung im Raum und damit zu einem unkontrollierten Gasaustritt kommen. Beim Begasungs-verfahren im „Open Loop“ – die Zuluft ist durch eine hochdichte Klappe verschlossen, die Abluft ist offen – tritt dieser Zustand nicht ein. Moderne H2O2-Generatoren ermöglichen eine genaue Raumdruckregelung mit Über- oder Unterdruck sowie druckneutral.

Pilotversuche und Simulationen

Ein Großinvestor plante ein ebenso großes wie komplexes pharmazeutisches Forschungsprojekt. Unterschiedliche Referenzprojekte und der sogenannte „Stand der Technik“ zeigten jedoch, dass es viele unterschiedliche Lösungsansätze und auch Probleme mit den Material- und Personenlogistikprozessen, den Raumdesignlösungen, den Einrichtungen und vor allem mit den Dekontaminationsprozessen gibt. Der Investor beschloss darum, eine Referenzanlage mit allen Techniken und Gegebenheiten zu errichten und zu testen.

3_Mobile Begasung (5)

...oder mobil in den Reinraum eingefahren werden. (Bild: Ortner Reinraumtechnik)

Die Projektpartner „HAT Hospital Technik“ in Neumarkt, das Ingenieurbüro „Weber & Partner – Dr. Udo Weber“ und das Unternehmen „Ortner Reinraumtechnik“ haben zu diesem Zweck einen praxisnahen Pilotraum mit allen gebäudetechnischen Ausstattungen und realen Einrichtungsgegenständen erstellt. Darin testeten sie für den zukünftigen Betreiber verschiedene Praktiken und Techniken, die sie ebenfalls durch wissenschaftliche Berechnungen und Simulationen untermauerten. Ziel und Auftrag war es, die beste Technik zu finden, die schlussendlich als Grundlage für die Realisierung des Großprojektes dienen sollte.

Es galt zu ermitteln, inwieweit eine wirkungsvolle Begasung über die Drallauslässe möglich ist und mit welcher Technik und Gasstrommenge sie sich erreichen lässt. Außerdem ging es darum, möglichst kurze Zykluszeiten zu erreichen, mit dem Anspruch einer praxisgetreuen Raumbelegung durch Sicherheits-werkbänke, Einrichtungen und Laborgeräte. Ein weiterer Ermittlungsauftrag waren die idealen Gasaufgabestellen und Anschlusstechniken sowie die unterschiedlichen Messtechniken.

Zusätzlich zu den praktischen Versuchen fanden empirische Berechnungen und CFD-Simulationen statt. Von der Annahme mit geringen Gasstrommengen bis hin zu ermittelten funktionierenden Minimal- bzw. Ideal-Strommengen wurden alle Varianten, unter Einbeziehung der technischen Daten der Luftauslässe, berechnet und simuliert. Die Ergebnisse waren teilweise verblüffend und lehrreich: Eindeutige Erkenntnis war, dass eine Gaseinbringung mit üblichen Gasstrommengen von 80 bis 100 m³/h aus herkömmlichen Generatoren über Lüftungssysteme nicht zum Erfolg führt. Erst ein Gasstrom von ca. 60 bis 70 % der Luftmengenauslegung reicht als Grundlage für eine praktikable Begasung. Ein weiteres Resultat war, dass die Düsentechnik und eine Änderung der Absaugstellen die Dekontaminationsergebnisse gravierend verbessert. Für die Düsentechnik ist zu erwähnen, dass einerseits einfache Düsenauslässe für kleinere Räume sehr gut geeignet sind und andererseits getaktete dynamische Strahldüsen für komplexere Anwendungen die ideale Lösung darstellen.

Ergebnisse und Empfehlungen

Aus dem Pilotprojekt und den Versuchsergebnissen ließen sich deutliche Erkenntnisse ableiten: Mit einer höheren Generatorleistung von rund 350 m³/h war zwar grundsätzlich eine bessere Raumdurchmischung möglich als mit herkömmlichen Leistungsdaten, die Ergebnisse zeigten jedoch keine befriedigende homogene Verteilung im Raum. Auch hilfsweise aufgestellte Ventilatoren verbesserten die Konzentrationsverteilung im Raum nicht. Außerdem lässt sich der Prozess damit nur schwer validieren. Herkömmliche Generatoren mit einer Gas-strommenge von 30 bis 80 m³/h erzielen gute Begasungsergebnisse, wenn den Generatoren eine Gasverstärkeranlage wie die „ISU Dispence“ mit einer Luftmengenerhöhung auf bis 500 m³/h nachgeschaltet wird.

In der Literatur und bei den ersten Versuchen wurde davon ausgegangen, dass ein Konzentrationsaufbau von 800 bis 1.000 ppm zu einem sicheren Desinfektionserfolg führt. Bei einer idealen Verteilung sollte eine Konzentration von 300 ppm für eine sichere Deaktivierung vorhandener Keime ausreichen. Je nach Länge der Einwirkzeit sind auch mit 100 bis 120 ppm Desinfektionserfolge zu erzielen. Eine Log-6-Reduktion der Keimzahl ist auch mit Konzentrationen von etwa 200 ppm möglich. Ein weiterer Ansatz zur sicheren Deaktivierung ist es, die Einwirkzeit zu erhöhen. Das führt wiederum zu einer Erhöhung der Materialbeanspruchung.

Clipboard03

Der technische Vergleich verschiedener Generatorsysteme zeigt anhand von Herstellerangaben, mit welchen Prinzipien die jeweiligen Generatoren arbeiten und welche Merkmale das Produkt auszeichnen. (Tabelle: Hüthig GmbH)

Räume mit Innenflächen aus Edelstahl sind für Begasungsprozesse grundsätzlich gut geeignet, sind aber nicht immer möglich, gewünscht oder empfehlenswert. Oberflächen mit beständigen Beschichtungen können grundsätzlich gleich gut begast werden wie Edelstahlflächen. Dabei ist auf die Verarbeitung der Beschichtung, aber vor allem auf einen materialschonenden idealen Zyklus zu achten.

Eine Begasung über Lüftungssysteme ist zwar grundsätzlich möglich, muss aber in einem relativ großen Gasstromverhältnis erfolgen, so wie die Grundauslegung des Lüftungssystems ist. Jedoch ist diese Methode selbst bei einer guten Gasstrommenge im Vergleich zu einer Düsenvariante nicht ideal.

Kondensation ist idealerweise immer zu vermeiden. Dies lässt sich durch hohe rauminterne Turbulenzen, Erwärmen der Oberflächen, gesenkte relative Luftfeuchtigkeit oder niedrigere H2O2-Konzentration erreichen. Ein kurzfristiges Aufheizen der Raumluft oder der Oberflächen durch einen Generator ist nicht zielführend.

Zwei erfolgreiche Varianten

5_Oberflaechenschaeden_Blase2

Oberflächenschäden an beständigen Beschichtungen. Die Ursache: Kondensation und Adsorption. (Bild: Ortner Reinraumtechnik)

Aus den vorangegangenen Überlegungen und Erfahrungen ergeben sich zuallererst zwei mögliche Desinfektionskonzepte, die jedoch abhängig vom Entwurf des Vorplaners sind. In Variante 1 erfolgt die Einbringung des H2O2über ein Düsensystem, das Absaugen findet vor der hochdichten Klappe im Abluftnetz bei gleichzeitig geschlossenem Zuluftnetz statt, während der Generator einen Unterdruck hält. Die Undichtigkeit wird mit entsprechend hoher Konzentration ins Abluftnetz abgeführt. Bei Variante 2 wird die Luft über die Zuluftauslässe eingebracht und bei relativ hoher Luftmenge des Generators in Bodennähe abgesaugt. Die Unterdruckhaltung ist identisch mit Variante 1. Beide Varianten stellen eine gleichmäßige Konzen-tration im Raum her, bei hohem Desinfektionserfolg und niedriger Materialbeanspruchung.

Um die Kosten zu senken und die Technologie für die breite Masse erschwinglich zu machen, sind flexiblere H2O2-Generatoren mit niedrigem Wartungsaufwand nötig. Beginnend mit der Gaserwärmung, dem Gasabbau über Katalysatoren, nachfolgende Hepa-Filter, H2O2-Reservoir-Überwachung, bis hin zur Dosiergenauigkeit, High- und Low-Konzentration, Messungen sowie zur Steuerung und Regelung all dieser Systeme stehen die Designingenieure vor großen Herausforderungen. Ein möglicher Ansatz ist die Katalysatortechnik, die aufgrund der Schüttdichte oder der Katalysatorbauart zurzeit noch sehr hohe Differenzdruck-Widerstände verursacht und nicht partikelfrei einsetzbar ist. Neue Techniken ermöglichen jedoch bereits Generatoren mit sehr hohen Gasstromleistungen von 300 bis 600 m³/h und mit partikelfreien Metallschaum-Katalysatoren mit einer H2O2-Zersetzungsleistung < 0,5 ppm, die damit auch ohne Hepa-Filter auskommen.

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Ortner Reinraumtechnik GmbH

Uferweg 7
9500 Villach
Austria