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Führung wird im digitalen Zeitalter immer wichtiger – gerade weil es durch den Wandel sonst wenig gibt, worauf die Mitarbeiter vertrauen können. (Bild: Sergey Nivens – AdobeStock)

In den Unternehmen verändert sich zurzeit sehr viel – aufgrund der digitalen Transformation der Wirtschaft und weil viele Betriebe ihre Agilität erhöhen möchten. Eines verändert sich jedoch kaum: der Mitarbeiter als Mensch. Er wünscht sich weiterhin Halt und Orientierung – und zwar umso mehr, je instabiler sein Arbeits- und Lebensumfeld zu werden droht. Doch wer soll dem Mensch Mitarbeiter im Betriebsalltag dieses Gefühl vermitteln, wenn in den Unternehmen fast alles auf dem Prüfstand steht? Letztlich können dies nur die Führungskräfte sein. Deshalb wird Führung im digitalen Zeitalter immer wichtiger – gerade weil es im Unternehmenskontext sonst wenig gibt, worauf man als Mitarbeiter bauen und vertrauen kann.

Führung muss sich verändern

Zugleich muss sich Führung im digitalen Zeitalter jedoch radikal verändern – unter anderem, weil die für den Unternehmenserfolg relevanten Leistungen zunehmend von bereichs- und oft sogar unternehmensübergreifenden Teams erbracht werden. Deshalb haben die Führungskräfte seltener einen uneingeschränkten Zugriff auf ihre Mitarbeiter und deren Tun. Sie müssen diese an der langen Leine führen und auf ihre Loyalität, Integrität und Kompetenz vertrauen. Außerdem müssen sie stärker mit den anderen Führungskräften kooperieren und mit ihnen die Arbeit der Mitarbeiter koordinieren.

Hinzu kommt: Die für die Kunden erbrachten Lösungen setzen immer mehr Spezialwissen voraus, das die Führungskräfte selbst nicht haben. Also sind die Führungskräfte beim Erbringen der gewünschten Leistung stärker auf das Können und die Eigenmotivation der Mitarbeiter angewiesen – auch weil ihre Bereiche immer häufiger vor Herausforderungen stehen, für die sie noch keine Lösung haben. Deshalb können die Führungskräfte ihren Mitarbeitern seltener sagen „Tue dies und das, dann haben wir Erfolg“. Sie müssen vielmehr gemeinam mit ihnen Versuchsballons starten: Was könnte die richtige Lösung sein? Und dann müssen sie im Prozess ermitteln, was zielführend ist.

Beziehungs- und Netz-Manager werden Wie ist in einem solchen Umfeld erfolgreiche Führung möglich? Der einzig mögliche Lösungsweg ist: Die Führungskräfte müssen sich als Beziehungsmanager verstehen, deren Kernaufgabe es ist, die Beziehungen im sozialen System Unternehmen so zu gestalten, dass die Mitarbeiter effektiv zusammenarbeiten können; außerdem als emotionale Leader, deren Aufgabe es ist, ihre Mitarbeiter zu inspirieren, so dass diese sich freiwillig für das Erreichen der Ziele engagieren.

Digitale Führung heißt nicht der beste Programmierer zu sein, sondern sich ein fundiertes Urteil darüber bilden zu können, welche Chancen und Risiken sich aus dem technischen Fortschritt ergeben.

Viele Führungskräfte haben dies in der Vergangenheit schon getan – doch nur bezogen auf die ihnen unterstellten Mitarbeiter. In den modernen High-Performance-Organisationen sind die Unternehmensbereiche jedoch eng miteinander verwoben, sie kooperieren zudem in der Regel mit einer Vielzahl externer Partner, die für sie wichtige Teilaufgaben erfüllen.

Deshalb müssen die Führungskräfte ein stets komplexeres Netzwerk führen – auch weil die Belegschaften der Unternehmen heterogener werden: „digital natives“ müssen mit „digital immigrants“ kooperieren, Westeuropäer mit Chinesen, festangestellte Mitarbeiter mit Freelancern, und, und, und – und dies in einem von permanenter Veränderung geprägten Umfeld, in dem letztlich niemand weiß, was die Zukunft bringt.

Führungskräfte brauchen neue Kompetenzen

Das Bündel an Fähigkeiten, über die Führungskräfte hierfür verfügen müssen, hat das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter in einer mit dem F.A.Z.-Institut durchgeführten Studie mit dem Begriff „Alpha Intelligence“ benannt. Denn dieses Bündel zeichnet die „Alpha-Tiere“ der Zukunft aus – also diejenigen Personen in den Unternehmen, die etwas bewirken möchten und denen aufgrund ihrer Persönlichkeit und Kompetenz andere Menschen gern folgen.

Drei Kompetenzbereiche lassen sich hierbei unterscheiden:

  • 1. Persönlichkeitsintelligenz: Dieser Kompetenzbereich umfasst primär die Ebene des eigenen Selbstverständnisses. Dieses ist bei einer alpha-intelligenten Persönlichkeit dadurch geprägt, dass sie keinen Allmachts-Phantasien huldigt, sondern sich als Lernender versteht. Sie hinterfragt also regelmäßig ihr Verhalten und dessen Wirkung und entwickelt sich als Person weiter. Eng verknüpft damit sind solche Eigenschaften wie Neugier und Bereitschaft zur Veränderung.
  • 2. Beziehungsintelligenz: Dieser Kompetenzbereich umfasst die Fähigkeiten, die zum Auf- und Ausbau tragfähiger Beziehungen nötig sind. Von zentraler Bedeutung sind hierbei die Empathie – also das Einfühlungsvermögen in andere Personen und Konstellationen – sowie der wertschätzende Umgang mit den (persönlichen) Interessen und Bedürfnissen der Netzwerkpartner.
  • 3. Digitalintelligenz: Ein zentrales Element dieses Kompetenzbereichs ist der sogenannte Zukunftsblick. Hierzu zählt neben einer Vision, wohin der gemeinsame Weg führen soll, das Bewusstsein, dass der technische Fortschritt neue Problemlösungen ermöglicht, und es die hieraus sich ergebenden Chancen aktiv zu nutzen gilt. Das setzt neben einem interdisziplinären Denken eine gewisse Digitalkompetenz voraus, weil die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie in den meisten Branchen der zentrale Veränderungstreiber ist. Diese Kompetenz zeigt sich nicht darin, dass eine Führungskraft beispielsweise der beste Programmierer ist. Sie zeigt sich vielmehr darin, dass sich die betreffende Person – allein oder mit Expertenunterstützung – ein fundiertes Urteil darüber bilden kann, welche Chancen und Risiken sich aus dem technischen Fortschritt ergeben und somit entscheidungs- und handlungsfähig ist.
    Führungskräfte, die über die genannten Fähigkeiten und Eigenschaften verfügen, können die emotionalen Leader werden, nach denen sich Menschen in einem von Instabilität und Veränderung geprägten Umfeld sehnen.

Eine vertrauenswürdige Marke

Solche Führungskräfte können sozusagen Persönlichkeitsmarken werden, denen ihre Mitarbeiter und Netzwerkpartner gerne folgen, weil sie ihnen vertrauen. Eine Marke kennzeichnen zwei Faktoren: Erstens, sie ist aufgrund ihres Auftritts beziehungsweise Erscheinungsbilds wiedererkennbar. Und zweitens: Sie gibt den Kunden ein klares Leistungsversprechen. So wie dies zum Beispiel das Unternehmen Audi mit dem Slogan „Vorsprung durch Technik“ oder das Unternehmen BMW mit seinem Slogan „Freude am Fahren“ tut.

Ähnlich wie bei diesen bekannten Marken verhält es sich mit Führungskräften, die aus Sicht ihrer Kontaktpersonen Persönlichkeitsmarken sind. Auch sie stehen erkennbar für konkrete Werte und Überzeugungen, die sich in ihrem Verhalten zeigen. Also lautet die erste Anforderung an Führungskräfte, die sich zu einer Persönlichkeitsmarke entwickeln möchten: Sie müssen sich ihrer Werte und Überzeugungen sowie Stärken und Schwächen bewusst werden; denn hieraus erwächst das erforderliche Selbstverständnis für ihre mögliche Wirkung. Dieses Bewusstsein hilft Führungskräften wiederum nicht nur an Schönwetter-Tagen, sondern auch, wenn es im Unternehmen oder Markt „stürmt und schneit“, eine souveräne Haltung einzunehmen und zu zeigen. Und dies ist ein deutliches Signal für ihre Umwelt: Dieser Marke beziehungsweise Person kannst du vertrauen.

Für den Führungserfolg ist Vertrauen in der von Veränderung geprägten VUCA-Welt sehr wichtig. Also sollten alle Führungskräfte daran arbeiten, dass sie für ihre Mitarbeiter und die Mitglieder ihres Beziehungsnetzwerks eine Marke werden, der man vertrauen kann, weil sie glaubwürdig, berechenbar und zuverlässig ist. Dann ist ihr Führungserfolg im digitalen Zeitalter gesichert.

BEGRIFFE

der digitalen Arbeitswelt
Digital natives (deutsch: „digitale Eingeborene“) sind die Angehörigen derjenigen Generation, welche bereits mit digitalen Technologien aufgewachsen ist und entsprechend selbstverständlich damit umgeht.
Digital immigrants (deutsch: „digitale Einwanderer“) sind im Gegensatz dazu Menschen, die diese Technologien erst im Erwachsenenalter kennengelernt haben. Die Grenze wird üblicherweise beim Geburtsjahr 1980 gezogen.
VUCA ist die Abkürzung der englischen Begriffe für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität sowie Mehrdeutigkeit und beschreibt die Herausforderungen der derzeitigen Arbeitswelt und Unternehmensführung.

 

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