Frau mit VR Brille

Die Digitalisierung bietet Chancen, die Planung von Anlagen zu vereinfachen und die Realisierungszeit zu verkürzen. (Bild: Bausch+Ströbel)

In den vergangenen Jahren hat sich die Pharmaindustrie rasant verändert – und in diesem Zuge auch die Anforderungen, die an die Hersteller von Abfüll- und Verpackungsanlagen gestellt werden. Die Anlagen müssen immer schneller geplant und zur Verfügung gestellt werden – dabei dürfen individuelle Anpassungen und die Qualität natürlich nicht auf der Strecke bleiben – denn die Anforderungen, die Pharmazeuten und Behörden an die pharmazeutischen Prozesse und Anlagen stellen, steigen ebenfalls stetig.

Dazu gehört auch, dass digitale Technologien wie der digitale Zwilling eine immer größere Bedeutung haben.
Eben jene Digitalisierung bietet auch Chancen, die Planung der Anlagen zu vereinfachen und die Realisierungszeit zu verkürzen. Der Anlagenhersteller Bausch+Ströbel setzt hier schon seit Jahren auf digitale Werkzeuge, die Zug um Zug im hauseigenen Computer-Aided-Engineering-Center (CAE) entwickelt und weiter ausgebaut werden.

Seit 2014, wird hier Computational Fluid Dynamics (CFD) genutzt um Strömungssimulationen durchzuführen. Diese Simulationen ermöglichen es, detaillierte Informationen über Geschwindigkeit, Strömungsrichtung, Druck, Temperatur, Wirbel und weiteres an jedem beliebigen Punkt in einem Strömungsfeld zu erlangen – und das weit detaillierter und genauer, als das herkömmliche Smoke Studies können.

Diese Technologie kann im pharmazeutischen Anlagenbau in den verschiedensten Bereichen eingesetzt werden und wird im CAE-Center immer wieder verbessert und weiterentwickelt. Großer Vorteil: Diese Simulationen können Anwender nicht erst an der fertigen Anlage, sondern bereits in einem sehr frühen Projektstadium durchführen. So können Maschinendesign und Prozesse bereits früh in der Entwicklungsphase überprüft und angepasst werden, was die Grundlage für eine reibungslose Zulassung und Produktion ist.

Spülströmung simulieren anstatt Rauchtest

Für pharmazeutische Abfüllanlagen fordert der GMP-Leitfaden, dass im Arbeitsraum der Maschine eine gerichtete Spülströmung während der Produktion eingehalten wird. Dafür werden in der Regel oberhalb der Anlagen Einbauten installiert, welche eine sogenannte Laminar-Flow-Strömung erzeugen. Diese muss vor Produktionsstart mittels Rauchtests, auch Smoke Studies genannt, an der fertigen Anlage nachgewiesen werden. Das geschieht für gewöhnlich während des Factory Acceptance Tests (FAT) oder des Site Acceptance Tests (SAT). Für den Pharmazeuten birgt dies gewisse Risiken, da durch Rauchtests strömungstechnische Probleme wie Querströmungen, erhöhte Geschwindigkeiten, Bereiche mit niedrigen Geschwindigkeiten oder Wirbel identifiziert werden können, welche die Zulassung einer Anlage gefährden. Dies hat zur Folge, dass das Anlagendesign nachträglich zeit- und kostenintensiv geändert werden muss, was den Zulassungsprozess verzögert.

Diese Problematik kann mithilfe von CFD-Studien vermieden werden, da der Anwender bereits sehr früh im Entwicklungsprozess und lange vor Fertigungsstart einen vollständigen und detaillierten Überblick über die Strömungsverhältnisse in der Maschine gewinnt. Dadurch kann bei den richtigen Produktionsbedingungen die gerichtete Spülströmung der Anlage sicher nachgewiesen werden. Sollten hier strömungstechnische Probleme identifiziert werden, so kann das Maschinendesign nahezu ohne Einfluss auf Kosten und Lieferzeit angepasst werden. Das ermöglicht Pharmazeuten, das Risiko im Zulassungsprozess zu minimieren sowie die GMP-Konformität der Maschine abzusichern. Bisher können Rauchtests noch nicht vollständig durch Simulationen ersetzt werden, da die Behörden weiterhin auf einen physikalischen Nachweis bestehen, allerdings lassen sich sogenannte Points of Interest für die geforderten Rauchstudien identifizieren, was diese erleichtert und beschleunigt.

Prozessparameter simulieren mit Tunnelblick

Der neue Annex 1 des GMP-Leitfadens stellt zunehmend höhere Anforderungen an die Validierung und Überwachung von Sterilisiertunneln. Es wird nun noch mehr Wert auf kritische Prozessparameter wie eine gleichmäßige Wärmeverteilung, Druckkaskaden zwischen den Zonen oder eine gerichtete und gefilterte Spülströmung gelegt.

Diese Parameter auf experimentelle Weise zu ermitteln und zu validieren, ist schwierig und kostenintensiv. Drücke können nur punktuell über Manometer ausgewertet werden, während die Temperaturverteilung ebenfalls nur in limitierten Bereichen mittels Schleppdraht-Messungen bestimmt werden kann. Eine gerichtete Luftströmung kann beinahe gar nicht nachgewiesen werden, da die Tunnelröhre von außen nicht einsehbar ist.
Mittels CFD-Simulationen können diese Prozessparameter zuverlässig und bereits früh vor der Validierung der Anlage simuliert und visualisiert werden, wodurch Verbesserungspotenziale aufgedeckt werden können. Dadurch ergeben sich für den Pharmazeuten die gleichen Vorteile wie bereits zuvor bei der Validierungsstudie beschrieben. So kann beispielsweise das Packmittel besser sterilisiert oder der Aufheiz- und Abkühlzyklus verkürzt werden, um Durchlaufzeiten zu verringern und Energie zu sparen.

Innere eines Schaltschrankes
Die Laminar-flow-Strömung, die der GMP-Leitfaden für pharmazeutische Abfüllanlagen fordert, kann statt mit einem Rauchtest digital simuliert werden. (Bild: Bausch+Ströbel)

Richtigen Sauerstoffgehalt im Headspace simulieren

Bestimmte Pharmazeutika dürfen nicht mit Sauerstoff in Kontakt kommen, damit ihre Wirksamkeit gewahrt und ihre Haltbarkeit verlängert wird. Dazu werden verschiedene Begasungsprozesse angewandt, um den Sauerstoffgehalt im Freiraum zwischen Flüssigkeitsspiegel und Unterseite des Verschlussstopfens, auch Headspace genannt, zu minimieren: Vor dem Verschließen wird reiner Stickstoff in das Packmittel eingeblasen. Anlagenbauer müssen ihre Begasungsstationen und -prozesse so auslegen, dass sie den Anforderungen an Restsauerstoffgehalt in Prozent gerecht werden können.

Normalerweise werden zur Entwicklung eines Begasungsprozesses aufwendige Realversuche durchgeführt, um anschließend im Labor den Sauerstoffgehalt im Headspace zu bestimmen. Dieses Vorgehen ist zwar zielführend, jedoch auch kosten- und zeitintensiv. Außerdem lässt es nur wenig Spielraum für Verbesserungen, da es zeitintensiv ist, den Versuch zu ändern. Mit-hilfe von CFD-Simulationen lassen sich alle gängigen Begasungsprozesse realistisch abbilden. Die Vorteile gegenüber den Realversuchen liegen in dem geringeren Kosten- und Zeitaufwand. Außerdem kann der Vorgang mittels CFD problemlos visualisiert und genauestens nachvollzogen werden, was bei Realversuchen aufgrund des farblosen Stickstoffs nicht möglich ist. In Kombination bieten sich hier viele Möglichkeiten zur Verbesserung.

Begasungsprozesse können so hinsichtlich Taktzeiten oder Stickstoffverbrauch angepasst oder für einen bestimmten Restsauerstoffgehalt ausgelegt werden, indem die beste Kombination aus Begasungssystem, Packmittel und Stopfen bestimmt wird. Pharmazeuten erhalten in diesem Bereich vom CAE-Center eine Begasungsstudie, die sich individuell nach ihren Anforderungen richtet.

Abfüllprozesse physikalisch korrekt abbilden

Bei der Abfüllung von flüssigen Pharmazeutika geht es neben der Einhaltung der GMP-Richtlinien insbesondere um die Füllgenauigkeit, eine geringe Belastung des Produkts und möglichst kurze Taktzeiten. Aufgrund dieser hohen Anforderungen gestaltet sich die Rezeptentwicklung als eine erhebliche Herausforderung, da es aktuell nicht möglich ist die ausschlaggebenden Parameter einer Abfüllung zuverlässig im Vorfeld zu ermitteln, ohne zahlreiche Experimente für jedes einzelne Pharmazeutikum durchzuführen. Darüber hinaus existieren eine Vielzahl an hochpreisigen Produkten, welche nur ungern in großer Menge für Füllversuche „verschwendet“ werden.

CFD ermöglicht eine physikalisch korrekte Abbildung des Abfüllprozesses, die solche Versuche weitestgehend ersetzen können. Aufgrund technischer Limitationen ist es bisher nicht möglich, den zeitlichen Aufwand gegenüber den gängigen Methoden zu verkürzen, allerdings können Simulationen viel kosteneffektiver durchgeführt werden. Nicht zuletzt durch den Fakt, dass kein reales Produkt verwendet werden muss. Im CAE-Center können individualisierte Füllprozesse mittels Abfüllsimulationen verbessert oder entwickelt werden.

Die in diesem Artikel erwähnten Beispiele für Strömungssimulation im Pharmaumfeld spiegeln nur einen Bruchteil der möglichen Anwendungsbereiche wider. In naher Zukunft, wenn Simulationsprogramme noch effizienter werden sowie große Rechenleistung noch einfacher zugänglich ist, wird das Thema Simulation eine noch viel größere Rolle spielen.

Bildschirminhalt
Anlagenbauer müssen ihre Begasungsstationen und -prozesse so auslegen, dass sie den Anforderungen an Restsauerstoffgehalt in Prozent gerecht werden können. (Bild: Bausch+Ströbel)

Entscheider-Facts

  • In einem Labor ermöglicht Bausch+Ströbel Anwendern, Strömungen digital zu simulieren.
  • Das Verfahren eignet sich unter anderem für die Darstellung von Spülströmungen.
  • Die Simulation kann Zeit- und Kostenaufwand verhindern, dass sie früh im Anlagenentwicklungsprozess angewendet werden kann.

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Unternehmen

Bausch + Ströbel GmbH + Co. KG Maschinenfabrik Ilshofen

Parkstraße 1
74532 Ilshofen
Germany