Technologie-Roadmaps haben häufig etwas Autistisches an sich: Experten bewerten das technisch Machbare und leiten daraus mögliche Trends ab, ohne die Entwicklungen in den Abnehmerbranchen zu berücksichtigen. Um genau dies zu vermeiden, haben das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) und der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) beim Ausarbeiten ihrer Technologie-Roadmap Automation einen anderen Ansatz gewählt: Zukunftsmärkte der elektrischen Automatisierungsbranche wurden ausgehend von sozio-ökonomischen Trends analysiert und daraus die Erwartungen an den Automatisierungsbedarf in den kommenden zehn Jahren abgeleitet. Neben Branchen wie Wasser und Abwasser, Energieerzeugung, Automobil und Transport nahmen die Experten auch die Nahrungs- und Genussmittelindustrie unter die Lupe.
Fehlinvestitionen vermeiden
Ziel der Untersuchung ist es, den Unternehmen der Automatisierungstechnik Basismaterial zur Verfügung zu stellen, um Fehlinvestitionen zu vermeiden und beispielsweise Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen verlässlicher und differenzierter planen zu können. Aber auch für die Abnehmerseite hält die Untersuchung wichtige Erkenntnisse bereit: Denn aus den generellen Trends lassen sich auch die Potenziale für die Foodbranche ableiten. Die generellen Trends sind:
- Eine steigende Nachfrage nach Nahrungs- und Genussmitteln auf Grund der wachsenden Weltbevölkerung und die „Globalisierung des Geschmacks“.
- Der Wunsch nach neuen Produkten und Produktionsverfahren auf Grund der zunehmenden Nachfrage nach schneller Zubereitbarkeit, Frische, Wellness und Gesundheit (Stichwort: Functional Food).
- Der Kostendruck als Folge der Liberalisierung internationaler Agrar- und Lebensmittelmärkte.
- Die Differenzierung, Polarisierung und Konvergenz bei Nahrungsmittelangebot und -nachfrage.
- Die Stärkung des Verbraucherschutzes (höchste Qualität zum geringsten Preis).
Starke Triebkräfte für die Automatisierung in der Lebensmittelindustrie sind deshalb einerseits der Kostendruck und andererseits die Qualität und deren Nachverfolgbarkeit. Die Studie unterscheidet drei vergleichsweise junge Arbeitsfelder:
- Die Rationalisierung noch nicht automatisierter Prozesse auf Grund des Kostendrucks und aus hygienischen Gründen (Kontaminationsquelle Mensch).
- Das proaktive Prozess- und Qualitätsmanagement (Integration der Qualitätssicherung in die Produktion).
- Tracking und Tracing
Preiswerte und zuverlässige Sensoren sollen Qualität sichern
Dass der Qualitätsaspekt eine zentrale Rolle spielt, wurde in der Untersuchung auch in einer Online-Befragung von rund 60 Experten aus Firmen des Fachverbandes Automation deutlich: Den höchsten Nutzen für die Lebensmittelproduzenten und das größte Marktpotenzial versprechen sich diese von preiswerten, schnellen und zuverlässigen Sensoren für die Inline-Qualitätssicherung, gefolgt vom Aspekt „Datenaufbereitung für proaktives Erkennen schleichender Qualitätsverschlechterungen in der Produktion“, danach folgen die Themen RFID und CIP-Systeme.
Im „Zukunftsbild Lebensmittelqualität und -sicherheit“, einem Extremszenario aus Trends und wahrscheinlichen Entwicklungen, gehen die Macher der Studie davon aus, dass die EU im Jahr 2030 eine Kontrolle „vom Acker bis zur Theke“ verlangt, so dass nur noch solche Unternehmen profitabel arbeiten werden, die bis dahin auf Tracking und Tracing sowie proaktive Prozessführung gesetzt haben. Zu den Leitbildern gehören die Nullfehlerproduktion bei höchster Produktionsflexibilität und Anlagenverfügbarkeit.
Übersetzt in heutige Bedarfe muss die Automatisierungsbranche folgende zentrale Herausforderungen meistern: die Verfügbarkeit preiswerter, schneller und zuverlässiger Inline-Sensoren sowie die praktische Umsetzung von RFID-Lösungen. Allerdings verschweigt die Untersuchung auch nicht, dass in den Zukunftsszenarien auch noch einige Unwägbarkeiten stecken: So hängt der Durchbruch der Schlüsseltechnologien RFID und Sensorik einerseits vom regulativen Druck und von den Marktbedingungen ab, andererseits haben auch technische Aspekte sowie das erwartete Kosten-Nutzen-Verhältnis entscheidenden Einfluss darauf, ob die aufgezeigten Szenarien eintreffen werden.
Die Ergebnisse sind in einer Druckschrift zusammengefasst. Neben einer Fülle von Detailinformationen zu den Automatisierungsbedarfen und Schlüsseltechnologien der betrachteten Branchen liefert die Roadmap auch konkrete Empfehlungen für die Verbandsarbeit. Die angewandte Methodik und Vorgehensweise dieser Roadmap hat Pilotcharakter und soll zukünftig in ähnlicher Form in anderen Fachverbänden des ZVEI durchgeführt werden.
Tracking&Tracing: EU wird im Jahr 2030 eine Kontrolle „vom Acker bis zur Theke“ verlangen
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