Meerrettich am Stück und gehobelt

(Bild: Harter)

Entscheider-Facts

  • Mit steigender Effizienz bei energieaufwendigen Prozessen wie der Trocknung können auch zuvor unwirtschaftliche Materialien wirtschaftlich verarbeitet werden.
  • Das Anwendungsbeispiel zeigt die Verwertung von Nebenprodukten aus der Lebensmittelindustrie, die effizient und schnell getrocknet zu wertvollen Pharma-Rohstoffen werden.

Meerrettich hat eine lange Tradition in der Menschheitsgeschichte. Bereits im alten Ägypten wurde die Wurzel zur Stärkung des Immunsystems und auch als Aphrodisiakum verwendet.

Die im Meerrettich enthaltenen ätherischen Öle unterstützen auch die Magen- und Darmtätigkeit und bekämpfen im Körper Schadstoffe vieler Art. Bis heute blieb das Wissen um die breitgefächerte Wirkung dieser Heilpflanze erhalten. Sie dient nicht nur als würzende Aromabeigabe in Speisen, sondern auch als Wirkstoff bei vielen naturheilkundlichen Anwendungen. Ein Unternehmen, das sich ganz diesem Wurzelgemüse aus Südosteuropa verschrieben hat, ist der Hersteller Schamel Meerrettich. Seit seiner Gründung 1846 hat sich das Unternehmen zuerst auf den Handel, später auf die Verarbeitung dieser Wurzel spezialisiert.

Um am Ende der Saison eine schöne, glatte Stangenwurzel ernten zu können, müssen die Krenwurzeln, wie sie in Bayern und Österreich genannt werden, zwei Mal ausgegraben, bearbeitet und wieder eingegraben werden. Bei dieser aufwendigen Arbeit werden die Kopf- und Nebentriebe entfernt. Diese wurden in der Vergangenheit zwar ebenfalls zu Meerrettichpaste weiterverarbeitet, allerdings war dies aufgrund der Beschaffenheit der Nebentriebe sehr aufwendig. „Nun bekamen wir eine Anfrage aus der Pharmaindustrie, die einen verlässlichen Partner für die Lieferung von hochwertigem Meerrettich suchten“, berichtet Volker Eckert, Betriebsleiter bei Schamel. Somit würde aus diesem Nebenprodukt ein Bestandteil eines pharmazeutischen Erzeugnisses und dafür war es erforderlich die Nebentriebe zu trocknen. Diese Idee hat das mittelfränkische Unternehmen mittlerweile erfolgreich umgesetzt. Heute werden die hochwertigen Meerrettichreste gewaschen, getrocknet und anschließend an die Pharmaindustrie verkauft. Zusammen mit Kapuzinerkresse wird der Meerrettich zu einem pflanzlichen Medikament verarbeitet, das bei Erkältungskrankheiten eingesetzt wird. „Ein wichtiger Prozessbaustein auf diesem Weg war, den richtigen Partner für die Trocknung zu finden“, so Eckert.

Über eine Empfehlung wurde Schamel auf den Trocknungsanlagenbauer Harter aus Stiefenhofen im Allgäu aufmerksam. Im persönlichen Gespräch auf der Interpack 2017 wurde dann für Eckert klar, dass der Allgäuer Trocknerhersteller ein guter Technologiepartner sein würde. Bei Harter gab es die Möglichkeit alles vorab in Versuchen zu testen. Diese Art der Trocknung war energiesparend; das System flexibel, produktschonend und zuletzt geschlossen, was für die Themen Geruch und Verbleib der Inhaltsstoffe bedeutsam war.

Testreihen im Technikum

Stephan Ortmann vom technischen Vertrieb bei Harter erläutert, wie der Trocknerhersteller in dieser Anfangsphase vorgeht: „Jeder Interessent hat bei uns die Möglichkeit sein Produkt auf Machbarkeit in Sachen Entfeuchtung testen zu lassen.“ In seinem hauseigenen Technikum ermittelt Harter grundsätzlich die Parameter für eine erfolgreiche Trocknung: Temperatur, Zeit, Luftgeschwindigkeit, Luftvolumenstrom und Luftführung. Sie alle im Zusammenspiel sind die Grundlage für die richtige Lösung.

Ein wichtiger Faktor bei den Testreihen ist natürlich die Geometrie der zu trocknenden Produkte. Während Harter bei anorganischen Erzeugnissen immer gleichbleibende Formen hat, ist dies bei Lebensmitteln natürlich deutlich individueller. Bei Schamel war nun die Situation so, dass die Produkte gänzlich unterschiedliche Formen hatten. Die Auswüchse sind mal klein und rund, mal eher länglich und schmal. Somit bestand hier eine völlige Inhomogenität. Harter testete alle Formen in allen Varianten durch, um ein gutes Bild der Trocknungseigenschaften zu erhalten. Am Ende kristallisierte sich ein Trommeltrockner als ideale Lösung heraus.

Tabelle Daten Versuchstrocknungen und Bild aus Trommeltrockner
In den Versuchstrocknungen zeigte sich, dass ein Trommeltrockner für diese Anwendung gut geeignet ist. (Bild: Harter)

Die besondere Technologie von Harter macht es möglich, dass die Trommeln während der Trocknung nur in minimalen Intervallen und sehr langsam bewegt werden. Dennoch wird bei jeder noch so kleinen Drehung das Produkt beeinflusst. Ist es sehr sensibel, gibt es einen minimalen Abrieb. Im Fall von Schamel ist das allerdings völlig bedeutungslos. Die hocheffizienten Harter-Trockner mit Wärmepumpe werden in unterschiedlichsten Verfahren eingesetzt. So gibt es beispielsweise Hordentrockner mit einlagigen Lösungen in Körben, Schüttgüter in Wannen oder auch kontinuierliche Varianten. Ein homogenes Trocknungsergebnis erreicht Harter allemal. Bei Trommeltrocknern ist jedoch eine deutlich höhere Schüttmenge möglich als bei Batchtrocknern. Aufgrund der Anforderungen und Gegebenheiten bei Schamel erwies sich somit ein Trommeltrockner als ideal.

Die Trocknungssysteme von Harter bestehen zum einen immer aus einer Trockenkammer, die, je nach Anwendung, unterschiedlichste Ausführungen hat. Zum anderen ist ein Entfeuchtungsmodul Teil des Systems. Es bereitet die erforderliche Prozessluft auf und ist auch für den Kondensationsprozess verantwortlich. Dieses Air-genex-food-Modul ist immer über eine isolierte Verrohrung mit der Trockenkammer verbunden. Es kann in direkter Verbindung zur Kammer sein oder, aus Platzgründen, auch beispielsweise in einem anderen Stockwerk installiert werden.

Bei Schamel gehört zum Gesamtsystem zusätzlich noch ein Trommelwagen. Dieser dient dazu die Trommel im Produktionsbereich zu transportieren. In die Trockenkammer integriert ist ein Luftkanalsystem, das die Prozessluft gleichmäßig zuführt, verteilt und wieder zurückführt. Dies beinhaltet die sogenannte Halbschalentechnik, die Harter speziell für Trommeltrockner entwickelt hat. Überdies enthält die Trockenkammer eine Messstelle, um den aktuellen Feuchtegrad der Luft zu messen. Ist die definierte Luftfeuchte erreicht, schaltet der Trockner automatisch ab. Die Trommel wiederum ist ein 12-eckiger Körper mit einem Durchmesser von 800 mm und einem Nutzvolumen von ca. 0,5 m³. Maximal 250 kg Meerrettich kann Schamel darin trocknen. Die auf dem Wagen liegende Trommel wird über eine Öffnungsklappe mit dem Meerrettich befüllt und anschließend in die Trockenkammer geschoben. Zwei Flügeltüren dienen zum Öffnen und Schließen der Anlage.

Mitareiter schiebt Modul in die Trockenkammer
Ein Mitarbeiter schiebt ein mit bis 250 kg Meerrettich-Nebentrieben beladenes Modul in die Trockenkammer. Dort wird die Masse homogen auf die gewünschte Restfeuchte getrocknet. (Bild: Harter)

Luftentfeuchtung und Luftführung

Das Entfeuchtungsmodul wurde auf Wunsch von Schamel so ausgelegt, dass eine weitere Trockenkammer damit betrieben werden kann. Somit sind alle Voraussetzungen für eine mögliche Kapazitätserweiterung geschaffen. Die gesamte Anlage ist aus Edelstahl und wurde nach dem Hygiene Design konzipiert. Die Steuerung erfolgt über ein HMI-Panel am Schaltschrank des Trommeltrockners. Die Nennleistung der Trocknungsanlage im Produktionsbetrieb beträgt ca. 15 kW. Doch wie ist es möglich eine solche Menge Meerrettich mit so einer geringen Intervalldrehung homogen auf den gewünschten Feuchtegrad zu bringen?

Für sein hocheffizientes Verfahren nutzt Harter einen physikalisch alternativen Ansatz: die Entfeuchtung mittels extrem trockener Luft. Diese wird über bzw. durch die zu trocknenden Produkte geführt. Da die Luft ungesättigt ist, nimmt sie – physikalisch bedingt - die Feuchte hervorragend auf. Im Airgenex food-Modul wird die Luft in zwei Stufen gekühlt. Die in der Luft enthaltene Feuchte kondensiert aus und wird als Kondensat aus der Anlage abgeführt. Anschließend wird die Luft in zwei Stufen wieder erwärmt und im Kreislauf zurück in den Trockner geführt. Doch trockene Luft alleine macht tatsächlich noch keine gute Trocknung.

Um sicher und homogen zu trocknen spielt nun die Führung der Luft eine wesentliche Rolle. Naturgemäß sucht sich die Luft den Weg des geringsten Widerstands. Somit kommt es auf die richtige Luftführung an, denn die ungesättigte Luft muss zielgenau über bzw. durch das Trocknungsgut geleitet werden. „Hier haben wir uns über die Jahrzehnte ein sehr großes Know-How erarbeitet“, so Ortmann, „und das fließt auch bei diesem Projekt vollumfänglich ein.“ Für die Trocknung in der Trommel hat der Allgäuer Trocknerhersteller eine Halbschalentechnik entwickelt. Sie sorgt dafür, dass die Luft exakt und gleichmäßig durch den Trommelkörper und die Meerrettichstücke geführt wird – und auch wieder aus der Trommel heraus. So gelingt es die Meerrettichwurzeln gleichmäßig zu trocknen. Ortmann erläutert: „Nur durch eine perfekte Kombination von Luftentfeuchtung und Luftführung erzielen wir diese großen technischen Erfolge.“

Wärmepumpen erhalten staatliche Förderung

Diese Art der Wärmepumpen-basierten Trocknung ermöglicht nicht nur, dass die Lebensmittel energiesparend, sondern auch bei niedrigen Temperaturen entfeuchtet werden. Je nach Produkt und Prozess kann die Trocknungstemperatur variabel zwischen 10 und 90 °C gewählt werden. Die Trocknungszeit richtet sich nach dem Grad der gewünschten oder erforderlichen Restfeuchte. Bei verpackten Lebensmitteln, deren nasse Verpackung zu trocknen ist, wird aufgrund vorgegebener Taktzeiten oft im Minutentakt getrocknet. Bei direkter Produkttrocknung hingegen darf die Trocknungszeit oft länger sein und orientiert sich eher an anderen Parametern wie Konsistenz, Optik und Aroma.

Das System von Harter arbeitet in einem komplett geschlossenen Luftkreislauf. Dies wirkt sich oft sehr positiv auf Aussehen, Geschmack und Inhaltsstoffe der Lebensmittel aus. Für Schamel bzw. den Pharmazeuten waren wichtig, dass die hochwertigen Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Ebenso, dass das Trocknen die beißenden Gerüche des Meerrettichs im System belässt. Das abluftfreie Trocknen bedeutet aber noch mehr Gutes. Denn die Betreiber werden unabhängig von jeglichen klimatischen Verhältnissen und Jahreszeiten. Die in jedem Trockner integrierte Wärmepumpentechnik arbeitet zudem so energie- und CO2-sparend, dass Harter-Systeme seit ein paar Jahren in der D-A-CH Region staatlich bezuschusst werden. In diesen Genuss kam auch Schamel mit einer Förderung von 40 % auf die effiziente Wärmepumpentechnik.

Eckert resümiert zufrieden: „Für uns ist diese Art der Trocknung optimal. Der Meerrettich wird schonend und homogen bis zum gewünschten Grad getrocknet und die wichtigen Inhaltsstoffe bleiben erhalten. Dass das Trocknungssystem geschlossen ist, entlastet unsere Mitarbeiter und unsere Energiekosten gleichermaßen. Auf diese Weise konnten wir unser Upgrade-Projekt erfolgreich realisieren.“

 

Grafische Darstellung
Das effiziente Verfahren liefert reproduzierbare Ergebnisse. (Bild: Harter)

Sie möchten gerne weiterlesen?