Werkanlage von oben

Das Gebäude für die Reinräume in Neuhaus am Rennweg wurde 2017 eingeweiht. (Bild: Röchling Medical Solutions)

Entscheider-Facts

  • Ein Hersteller von Arznei-Packmitteln benötigt öl- und keimfreie Druckluft zum Extrusionsblasformen.
  • Mittlerweile arbeitet der Hersteller mit wassereingespritzten Kompressoren von Almig.
  • Die Abwärme der Kompressoren wird genutzt, um die Reinräume im Winter zu heizen und im Sommer zu entfeuchten.

Jürgen Neubauer, Manager Technical Building Equipment bei Röchling Medical, beschreibt: „Wir stellen Primärpackmittel für pharmazeutische Produkte unter modernsten Reinraumbedingungen in der Klasse GMP C und D her.“ Rund die Hälfte der Waren exportiert Röchling Medical ins Ausland. Dazu gehören Verschlüsse, Messbecher, Tropfeinsätze und Ausgießer mit unterschiedlichen Dosiermöglichkeiten sowie verschiedene Behälter.

„Um die Hohlkörper zu fertigen, setzen wir unter anderem auf das mehrschichtige Extrusionsblasformen.“ Bei diesem Verfahren wird Kunststoff aufgeschmolzen und durch eine Düse gepresst. Es entsteht ein schlauchförmiger Vorformling, der in die bereitstehende Blasform übergeben wird. Durch einen erhöhten Druck passt dieser sich den Innenkonturen der Form an. Der Umformprozess erfolgt zusätzlich durch Blasluft im Werkzeug. Entscheidend für die Qualität der Produkte: Mit der Blasluft dürfen keine Keime in das Material gelangen. Deshalb werden an die Reinheit der Druckluft besonders hohe Anforderungen gestellt.

Öl- und keimfreie Druckluft

Bis zum Neubau 2017 setzte Röchling Medical auf öleingespritzte Kompressoren. Um die Druckluft vom Öl zu befreien, war jede Anlage mit einer eigenen Aufbereitungskette aus Zyklonabscheider, Vorfilter, Trockner, Nachfilter und Aktivkohlefilter bestückt. „Trotzdem besteht bei öleingespritzten Maschinen jederzeit das Risiko einer Kontamination. Würde Öl in das Rohrleitungsnetz gelangen, könnte dies bei uns zu schwersten wirtschaftlichen Schäden führen“, weiß Neubauer. „Unser Ziel war es, Druckluftklasse 1 zu erreichen, gleichzeitig einen sichereren Betrieb zu ermöglichen und energieeffizienter zu arbeiten.“ Die Verantwortlichen sahen sich verschiedene Konzepte diverser Anbieter an. Überzeugen konnte schließlich Almig Kompressoren mit wassereingespritzten Maschinen der Lento-Baureihe.

Bedarf mit Energiebilanzierungssystem analysieren

Uwe Herrmann ist Geschäftsführer der KFA Drucklufttechnik. Mit seinem Unternehmen bietet er Wartung und Service sowie Projektmanagement und Verkauf von Kompressoren an. Er ist zudem Vertriebspartner von Almig. „In einem ersten Gespräch war schnell klar, dass wir sowohl die Druckluftversorgung als auch alle erforderlichen Komponenten aus einer Hand liefern können und der Kunde somit nicht mit verschiedenen Anbietern zusammenarbeiten muss“, erläutert Herrmann. „Wir haben ein Energiebilanzierungssystem aufgebaut. Damit können wir den Druckluftverbrauch und die Stromaufnahme messen.“

Die Software analysiert die Ergebnisse und erstellt verschiedene Simulationen. Dazu werden gezielt Kompressoren ausgetauscht, bis der Experte das für den Anwender energetisch beste Ergebnis erzielt. Die Messungen fanden in Schwachlast-Zeiten und auch unter Vollauslastung statt. Nach eingehender Analyse empfahl der Experte die wassereingespritzten Schraubenkompressoren Lento 110 von Almig, die einen Volumenstrom von 16 m³/min bei 10 bar Überdruck bereitstellen können.

Als das Gebäude für die neue Druckluftstation stand, wurden die ersten vier Anlagen installiert. Einige Monate später folgten zwei weitere Kompressoren der gleichen Baureihe.

2021 haben sich die Verantwortlichen von Röchling dazu entschieden, aufgrund der steigenden Auftragslage in eine weitere Maschine der Lento-Bau-reihe zu investieren. Die Produktion läuft 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Mit dem Aufbau der neuen Kompressoren wurden die alten Anlagen nach und nach vom Netz genommen.

Niedrige Drehzahl, lange Lebensdauer

Die Lento-Anlagen weisen deutlich geringere Wartungskosten im Vergleich zu alternativen Technologien auf, wie etwa trockenlaufende Schraubenkompressoren. „Das ist hauptsächlich durch ihren einfachen Aufbau bedingt“, beschreibt Almig-Experte Herrmann. „Die Verdichterstufen arbeiten bei wassereingespritzten Schraubenkompressoren mit vier- bis fünffach geringerer Drehzahl als die trockenlaufende Variante. Das wirkt sich positiv auf die Lebensdauer der Lager und somit auf die Betriebssicherheit aus.“ Wasser besitzt zudem im Vergleich zu Öl eine viel bessere Wärmeaufnahme-Kapazität. „Wir haben bei diesen Kompressoren sehr niedrige Verdichtungsendtemperaturen von deutlich unter 60 Grad Celsius. Der Prozess ist nahe an der isothermen Verdichtung, das sorgt für einen besseren Wirkungsgrad und damit für eine höhere Wirtschaftlichkeit“, erklärt Herrmann.

Blasformen
Um Arznei-Packmittel herzustellen, nutzt Röchling unter anderem Verfahren wie Blasformen. (Bild: Almig Kompressoren)

Überzeugt hat vor allem die Drehzahlregelung. Damit kann das Werk auf den wechselnden Bedarf an Druckluft reagieren. Die Kompressoren produzieren immer den Bedarf, der gerade benötigt wird – und verbrauchen damit auch nur die entsprechende Menge an Energie. Im Leerlauf benötigen Standard-Kompressoren ohne Drehzahlregelung etwa 25 bis 40 % der Energie, die unter Volllast aufgenommen wird – ohne dabei Druckluft zu produzieren. Die Last-Leerlauf-Regelung eines Standardkompressors in Verbindung mit einem schwankenden Druckluftbedarf verursacht deshalb teure Leerlaufzeiten. Indem Schraubenkompressoren gleicher Größe zum Einsatz kommen, ist eine gleichmäßige Auslastung der Anlagen durch ständigen Grundlastwechsel möglich. Die Auslastung liegt zwischen 60 und 70 %. Dabei sind die Maschinen rotierend im Einsatz – immer fünf zur selben Zeit. Da sich die Maschinen im optimalen Drehzahlbereich befinden, sind sowohl der Energiebedarf als auch die Geräuschemissionen geringer.

Alarm bei verändertem Betriebsverhalten

Zum Einsatz kommt die Steuerung Almig Air Control HE mit integriertem Webserver, über den sich alle relevanten Daten online auslesen lassen – zum Beispiel das Laufverhalten der vergangenen Betriebstage oder -wochen, wie stark die Kompressoren ausgelastet sind, und wann die nächste Wartung ansteht. Zusätzlich zeichnet die Steuerung die verbrauchte Luftmenge und den Energieverbrauch auf. „Wenn wir merken, dass sich das Betriebsverhalten erheblich verändert, gibt es einen Alarm, und wir können sofort reagieren“, beschreibt Neubauer.

Doch auch wenn die Lento-Kompressoren optimal mit niedrigen Temperaturen arbeiten, einen Großteil der eingesetzten Energie wandeln sie in Wärme um. Damit diese nicht einfach verpufft, sind die Anlagen ab Werk mit einem integrierten Wärmerückgewinnungs-System ausgestattet. „Wir nutzen diese Wärme, um unsere Reinräume im Winter zu heizen und im Sommer zu entfeuchten. Das sind knapp 2.000 Quadratmeter“, ist Röchling-Experte Neubauer begeistert. „Damit entfallen sowohl Fernwärme, Heizöl als auch Gas – und das bei einem enormen Energiebedarf.“

Druckluftstation
Die für das Blasformen benötigten Druckluftstationen erzeugen öl- und keimfreie Druckluft.Bild: (Bild: Almig Kompressoren)

Immer frisches Wasser

Besonders beeindruckt hat die Verantwortlichen bei Röchling Medical das Prinzip der gewaschenen Druckluft, wie es bei den wassereingespritzten Lento-Schraubenkompressoren zum Einsatz kommt. „Die Druckluft ist sauberer als die zur Verdichtung angesaugte Frischluft, weil die darin enthaltenen Fremdbestandteile durch das Kreislaufwasser wirksam ausgewaschen werden“, erläutert Herrmann. Das haben mehrere unabhängige Institute bestätigt – unter anderem Fresenius.

Dazu ist in der Lento-Anlage ein Kältetrockner integriert, der ein wesentlicher Bestandteil der Wasseraufbereitung ist. „Der Kompressor wird bei der Inbetriebnahme mit normalem Leitungswasser befüllt“, beschreibt Herrmann. „Das angefallene Kondensat wird am Kondensatableiter des Kältetrockners gesammelt und als Frischwasser in den internen Kühlkreislauf zurückgeführt.“ Im Schnitt wird einmal pro Schicht auf diese Weise die komplette Wassermenge getauscht. Die Anlage arbeitet somit immer mit frischem Wasser. Eine aufwendig installierte Wasseraufbereitung fällt weg. „Das so produzierte Frischwasser ist kalkfrei – und frei von Viren, Bakterien oder Algen. Es kann ohne Aufbereitung in die Kanalisation eingeleitet werden“, sagt Herrmann. „Wir sind hier im Thüringer Wald. Durch das Saatgut der Kieferbäume entstehen sehr kleine Partikel, die sich als gelber Nebel niederschlagen. Saugt ein Kompressor diese organischen Stoffe an, kann es zu einer Selbstzündung kommen. Bei den Lento-Maschinen werden diese Partikel komplett ausgewaschen.“

Nicht von der Stange

Herrmann hat mit seinem Team bei Röchling alles andere als eine Standardanlage installiert. In Sachen Sicherheit sei diese weltweit einzigartig, sagt er. „Die Kompressoren schalten zum Beispiel automatisch ab, wenn die Messtechnik veränderte Umweltbedingungen registriert wie Restaerosole von Öl.“ Diese können etwa Lkw verursachen, die mit laufendem Motor in der Nähe der Druckluftstation halten. „Saugt ein Kompressor diese Luft an, kann das eine sichere Produktion gefährden“, sagt Neubauer. In diesem Fall wird die Druckluft nicht ins Netz, sondern in eine Expansionskammer geleitet – so lange, bis die Werte wieder stabil sind. Dazu kommt: Pro Wartungszyklus stellt KFA Drucklufttechnik für jede Maschine nur 1,2 Liter Öl zur Lagerschmierung zur Verfügung. Bei den alten, öleingespritzten Anlagen waren es noch jeweils 80 Liter. Auch das sorgt für eine deutlich höhere Betriebssicherheit, wie sie die ISO und die FDA fordern.

Jürgen Neubauer schaut auf die Messtechnik. „Wir haben mit den Maschinen und der zugehörigen Aufbereitung einen Drucktaupunkt von -50 bis -60 °C. Auch das wirkt sich positiv auf die Luftreinheit aus. Wenn man sich vorstellt, dass sich in einem Kubikmeter Druckluft etwa drei Millionen Partikel befinden und wir diese Anzahl je nach Größe auf bis zu 200 reduzieren können, ist das schon sehr beeindruckend.“

Uwe Herrmann ist an diesem Tag mit seinem Team für Wartungsmaßnahmen bei Röchling in Neuhaus vor Ort. „Erforderlich ist unser Besuch bei den Lento-Maschinen nur alle 4.000 Betriebsstunden“, sagt er. Das entspreche etwa zwei Inspektionen im Jahr. Jürgen Neubauer ist zufrieden mit der Anlage und dass er mit Almig und KFA Drucklufttechnik alles aus einer Hand bekommt – inklusive eines zuverlässigen Service. „Das Projekt war bestimmt nicht Standard“, sagt er. Als die neuen Maschinen standen, konnten wir ja nicht einfach die alten Kompressoren abschalten. Um die Produktion nicht zu unterbrechen, musste das Schritt für Schritt erfolgen. Möglich ist das nur mit einem erfahrenen Partner“, sagt er. Heute laufe alles zur vollsten Zufriedenheit.

Grafische Darstellung
Die Steuerung regelt die Kompressoren verbrauchsabhängig im Verbund und die Energievorteile der Drehzahlregelung werden voll genutzt. (Bild: Almig Kompressoren)

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