- Das „sphairlab“ ist ein mobiler aufblasbarer Reinraum, beispielsweise als Interimslösung bei Umzug, Umbau oder Gebäudeschäden.
- Die Kuppel hat 13 m Durchmesser und eine Höhe von 5 m. Die äußere Hülle besteht aus schwer entflammbarem Polyesterstoff.
- Die Form lässt sich je nach Anforderungen variabel gestalten. Es gibt Donuts, Tunnel oder Kugel sowie Kombinationen aus den Elementen.
Wäre es nach Wolfgang Hassa gegangen, würde er heute Jets über den großen Teich fliegen. Doch nun baut der Aachener Reinräume, genauer gesagt bietet er Reinraum-Lösungen für Anwender, die sich eine solche partikelbefreite Zone bislang nicht leisten konnten.
Vorbild Traglufthalle
Jens Hutzenlaub ist Inhaber der Mecora Medizintechnik mit 35 Mitarbeitern, die anspruchsvolle Bauteile im Bereich Kunststoff-Medizintechnik entwickelt, produziert und montiert. Als sein Unternehmen im vergangenen Jahr wegen Wachstums ein Nachbargebäude anmietete, wollte er dort einen zweiten Reinraum von 150 m² in einer hohen Halle installieren – ohne die Kosten und Unwägbarkeiten eines Festeinbaus zu tragen. Da kam ihm eine Idee, die so einfach wie genial schien: ein Reinraum aus hochfestem Textil nach dem Prinzip der Traglufthalle. Von innen prall mit Luft gefüllt und ausgestattet mit einem intelligenten Lüftungssystem inklusive Schleusen, Möblierung und Beleuchtung – wobei der Reinraum an nur wenigen Punkten an einer Hilfskonstruktion befestigt ist. „Aber ich hatte keine Ahnung, ob und wie man diese eigentlich verrückte Idee tatsächlich umsetzen könnte“, erzählt der Zulieferer von Blutpum.pen, Kunstherzen und Kanülen.
Wie der Zufall es will, fand Hutzenlaub mit Hassa den Umsetzungspartner für seine „Luftnummer“ in Aachen, also direkt vor der Haustüre. Das Feedback der Menschen, die den aufgeblasenen Donut zum ersten Mal betraten, zeigte beiden Ingenieuren, dass sie auf dem richtigen Weg sind: „Allein die Reaktion der Fachleute von der Gesellschaft für Produktionshygiene und Sterilitätssicherung, die im Dezember 2016 zur Zertifizierung zu uns kamen, war filmreif“, erzählt Hassa amüsiert. So etwas hatten die Spezialisten noch nicht gesehen und das, obwohl sie international Reinräume zertifizieren.
Über 130 m² Reinraum
Auch andernorts löst der Luftikus unter den Reinräumen Erstaunen aus, wobei sich mitunter Ungläubigkeit beimischt. „Das ist doch nicht echt, oder?“ fragen all jene, die das „sphairlab“ nur auf dem Papier sehen und die Bilder für Photoshop-Erzeugnisse halten. Aber heiße Luft sieht anders aus: Aus der Idee ist ein transportabler Reinraum mit 13 m Durchmesser und 5 m Höhe geworden, mit einer äußeren Hülle aus schwer entflammbarem Polyesterstoff (B1-zertifiziert). Ein externes Dauerlaufgebläse hält die Kuppel mit möglichst geringem Innendruck in Form. Das Luftkissen ist strömungstechnisch optimiert und es hat keine toten Winkel.
Ebenfalls schwer entflammbar sind die durchsichtigen Wände aus PVC. Diese lassen den Reinraum wie eine luftige Käseglocke erscheinen. Ins Innere gelangen Anwender über zwei Doppeltürschleusen, die ein zerlegbares Metallgestell haben und mit blickdichtem Stoff bezogen sind. Auch die Kedernähte, welche die Lufthülle zusammen halten, lassen sich aufgrund ihrer Polyurethan-Beschichtung leicht desinfizieren und reinigen. Durch aufgeschraubte Schienen, Reißverschlüsse und demontierbare Gummilippen ist der Raum bei Bedarf schnell abgebaut. Fast alle Komponenten folgen der Devise: Viel Stoff, wenig Metall. Nur die Tische sind Insellösungen, die beleuchtet und von der Decke mit Strom sowie Druckluft versorgt werden.
Donut, Tunnel oder Kugel
Die Form lässt sich je nach Kundenanforderungen variabel gestalten. Haben die Aachener ihren eigenen Luft-Raum als Donut gestaltet, bieten sie auch Tunnel oder Kugel sowie Kombinationen an. Zu jedem Reinraum liefert das Unternehmen eine Baudokumentation und ein Abnahme-Zertifikat bis ISO-Reinraum-Klasse 7, bei Bedarf bis Klasse 6. Baunachweise, Prüfzeugnisse sowie Materialnachweise ermöglichen zudem eine lückenlose Dokumentation.
Der transparente Luftkörper verbraucht wenig Material und Energie. Wird er nicht benötigt oder soll umziehen, passt die Hülle in eine Tasche. Daher ist der Abfall am Nutzungsende minimal. So gesehen könnte das Konzept Startup-Unternehmen begeistern und Firmen anlocken, die zwar einen Rein- oder Sauberraum installieren wollen, aber die Investitionen eines Festeinbaus scheuen. Gerade die steigenden Anforderungen an Sauberkeit in vielen Produktionsumfeldern machen das mobile Labor, welches sich ohne großen Aufwand an wechselnden Orten einsetzen lässt, zunehmend interessant.
Alles geht – Hauptsache drinnen
Den Einsatzmöglichkeiten sind nur wenige Grenzen gesetzt: So können Unternehmen der Medizintechnik ihre Produktion rasch und kostengünstig erweitern. Pharma-Firmen haben die Möglichkeit, mehrere Module in einer Halle zu installieren und diese mit Schleusen zu verbinden, beispielsweise zum Vermeiden von Kreuzkontaminationen. Auch die Nutzung als OP-Raum ist möglich, ob in Krisengebieten oder als Interimslösung bei Umzug, Umbau oder Gebäudeschäden.
Vor allem für Unternehmen mit gemieteten Räumen ist die Konstruktion eine bezahlbare Reinraum-Lösung ohne Festeinbau. Für Produzenten, die im laufenden Betrieb die Anforderung nach „sauberer“ Produktion erfüllen müssen, bietet sich so die Möglichkeit, vorhandene Maschinen rasch in einen Reinraum-Tunnel zu verpacken.
Lounges 2018, Stand D2.9