- GMP-Anforderungen an die HMI in der Pharma- und Biotech-Industrie sind vielfältig und anspruchsvoll. Dies erfordert flexible Lösungen, die auch der damit verbundenen Qualifizierung Rechnung tragen.
- Ein HMI stellt, bedingt durch die Vielzahl von Anforderungen, ein erhebliches Investment dar, was bei rechtzeitiger Planung und durch Einbeziehen des Herstellers einen günstigen Return on Investment sicherstellt.
Die Anforderungen an eine papierlose Produktion und die biometrische Authentifizierung der Bediener erhöhen die Ansprüche an Bedienstationen (Human-Machine-Interface, HMI) in Produktionsumgebungen. Es ist daher zwingend erforderlich, die HMI von Beginn an in das Produktionskonzept und die Planung der prozessbedingten betrieblichen Abläufe zu integrieren. Dazu gehört auch die Planung der Position und der Montage der Systeme, damit diese vom Bediener ergonomisch sinnvoll erreicht und bedient werden können. Für die Integration in bestehende Konzepte und Planungen ist eine flexible Montagelösung sehr wichtig, denn besonders in hygienisch anspruchsvollen Einsatzgebieten ist der vorhandene Platz oft begrenzt.
In verschiedenen Produktionsbereichen in der Biotech- und Pharmaindustrie sind wegen der örtlichen Voraussetzungen fast alle HMI an der Wand oder von der Decke montiert. Dies vereinfacht die hygienisch einwandfreie Zuführung der Verkabelung für Datenanbindung und Spannungsversorgung und eliminiert den Bedarf an Kabelverschraubungen in den Montagerohren. Die Bodenmontage wird eher selten gewählt, da die Zuführung der Kabel über externe Kabelverschraubungen kaum akzeptiert wird. Bei dieser Montageart sind nicht nur die Kabelverschraubungen, sondern auch die verlegten Kabel oder der verwendete Kabelkanal zu reinigen.
Aber auch Lösungen bei denen weder die Decke noch die Wand eine Möglichkeit bieten um die Traglast der HMI aufzunehmen sind möglich, wobei dann der lastkritische Teil als Bodenmontage ausgeführt wird, die Kabelzuführung jedoch über die Decke oder die Wand erfolgt. Auch wenn das auf den Betrachter weniger elegant wirkt, ist die Lösung dennoch pragmatisch und voll reinraumtauglich.
An die Wand oder in die Wand?
Wo die Gegebenheiten es zulassen ist eine Wandmontage die einfachste Lösung. Sie erfordert jedoch durch das Eigengewicht des HMI eine mechanische Verstärkung der Reinraumwand, um die auftretenden Kräfte abzufangen und somit eine sichere und langlebige Installation zu gewährleisten. Bei der Wandmontage existieren grundsätzlich zwei Varianten, die In-Wall (In der Wand) und die On-Wall (Auf der Wand) Montage.
Erstere ist die klassische Montagevariante, bedingt durch die tiefe Bauform der älteren Generationen von HMI. Dabei wird ein Ausschnitt in die Reinraumwand geschaffen und ein durch das Gerät bestimmtes Bohrmuster mit Verstärkung festgelegt. Das Gerät wird im Normalfall mit einer Frontplatte mit aufgeschweißten Stehbolzen eingelassen und von hinten verschraubt. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass sie einfach zu montieren ist und das Gerät flach in der Wand versenkt ist, wobei der Montagerahmen eine potenzielle Schmutzkante zurücklässt.
Für einfache Touchgeräte ist dies auch weiterhin eine gängige Montageform, die jedoch mehrere Nachteile birgt. Beispielsweise kann eine Änderung des Herstellers am Gerät bei Ersatzbedarf einen massiven Eingriff in den Reinraum zur Folge haben, um den Montageausschnitt in der Reinraumwand zu ändern und auf ein neues Gerätemaß anzupassen. Eine Montage mit Frontplatte und Stehbolzen bedarf der Möglichkeit an die Rückseite der Reinraumwand zu kommen um im Reparaturfall das Gerät auch ersetzen zu können. Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass im Reparaturfall der Reinraum geöffnet werden muss und damit dann auch die weiteren Schritte zur erneuten Versiegelung und Reinigung des Raumes notwendig werden. Ein Vorgang also, der sowohl administrativ aufwendig ist, als auch massive Auswirkungen auf die Nutzung des Raums hat.
Dieser Aufwand lässt sich mit einer in die Wand eingelassenen und versiegelten Montagewanne minimieren. Dies reduziert allerdings nur den Aufwand bei einem Austausch des Gerätes, nicht die Problematik der Ausschnittmaße in der Wand durch die gerätespezifische Passform. Insgesamt ist die In-Wall-Montage eine platzsparende Lösung, die jedoch einen hohen Montageaufwand nach sich zieht und bei einem Geräteausfall zeit- und kostenintensiv für den Anlagenbetreiber ist.
On-Wall-Montage
Eine flexiblere Lösung ist die Montage der HMI auf die Wand. Diese Lösung hat sich in den letzten Jahren vermehrt gegenüber der In-Wall Montage durchgesetzt, da der technische Fortschritt leichtere, kleinere und vor allem flachere Geräte ermöglicht. Die Geräte sind damit einfach zu reinigen und der Platzbedarf ist sehr gering.
Auch für diese Montageart muss die Wand strukturell verstärkt werden, um die auftretenden Kräfte abzufangen. Anders als bei der In-Wall Montage ist jedoch die Positionierung der Geräte flexibler, da sie über verschiedene Montagesysteme bewegt werden können. Eine oder mehrere drehbare Kupplungen erlauben eine Rotation des Gerätes um die eigene Achse, und ergänzend über eine Wandkupplung kann ein Gerät in den Raum hinein oder zurück an die Wand gedreht werden. Weiterhin können HMI auch als Konfiguration mit Doppelbildschirm positioniert und bewegt werden. Dies gibt dem Bediener hohe Flexibilität beim Betrachten der dargestellten Inhalte.
Weiterhin ist zu beachten, dass für diese flexiblen Lösungen die Kabelführung intern erfolgt und keine Kabel von außen sichtbar sind. Außen verlegte Kabel sind immer schlecht zu reinigen und stellen dementsprechend ein Kontaminationsrisiko dar. Bei den Kupplungen ist zwingend darauf zu achten, dass sie einen Drehanschlag haben, der die Rotation auf maximal 350° begrenzt. Dies verhindert ein internes Verdrehen und damit eine Beschädigung der Zuleitungen.
In den meisten Fällen sind die Montagesysteme standardisiert die Geräte am Montagesystem entsprechend austauschbar, was eine Ersatzbeschaffung bei Abkündigung erleichtert. Weiterhin können Gerätezuleitungen bei der On-Wall-Montage mithilfe einer Kabelverschraubung hermetisch dicht in den Reinraum eingeführt werden. Dies bedeutet, dass im Austauschfall der Reinraum nicht geöffnet wird und dementsprechend eine Reinigung nach Austausch eines HMI nicht zwingend notwendig ist.
Von Einsatz zu Einsatz
Die In-Wall- und On-Wall-Montagearten sind die klassischen Lösungen und bieten einen sehr guten Kosten-Nutzen Faktor bei Reinräumen, die praktisch kontinuierlich genutzt werden. In vielen Fällen werden Reinräume aber effektiv nur an wenigen Tagen je Woche genutzt, da der nächste Produktionsschritt vorbereitet und der Raum dafür gereinigt werden muss. In diesen Applikationen werden die HMI dann effektiv nicht genutzt. Für diese Anwendungsfälle bieten sich als Lösung nach dem heutigen Stand der Technik mobile HMI an, sie sich auf Rollen von einem Einsatzort zum anderen bewegen lassen. Auch dabei sind mehrere Dinge zu beachten.
Die wichtigste Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz einer mobilen Lösung im Reinraum ist die Anbindung an das Netzwerk. Idealerweise ist die WLAN-Abdeckung im Produktionsumfeld vollumfänglich gegeben, so dass die Datenintegrität zu jeder Zeit sichergestellt ist. Für Bereiche, in denen das nicht möglich oder nicht gewünscht ist, sollten dann entsprechend physikalische LAN-Anbindungen über reinraumtaugliche LAN-Buchsen geschaffen werden.
Da mobile Lösungen in der Mechanik komplexer als fest installierte Lösungen sind, ist ein weiterer Punkt die einfache und schnelle Reinigung der Geräte. Werden diese von Reinraum zu Reinraum geschoben, muss eine Kreuzkontamination ausgeschlossen sein. Eine mobile Lösung sollte dementsprechend für den Reinraum entworfen sein und mindestens der Schutzklasse IP65 entsprechen, um diese Reinigbarkeit sicherzustellen.
Um während der Produktion das Gerät nicht aus dem Raum entfernen müssen, um den Akku neu zu laden, ist eine lange Akkulaufzeit ein weiteres zwingendes Merkmal. Die Länge einer Produktionsschicht bis 8 Stunden im deutschsprachigen und bis 12 Stunden im nicht-deutschsprachigen Raum sollte dabei berücksichtigt werden. Da ein Akku während seiner Lebensdauer an Leistung verliert, sollte nie mit der Idealleistung kalkuliert werden. Damit das Gerät eine oder mehrere Schichten durchhält, sind 75 % Kapazität des Akkus eine Rechengrundlage, die auch nach mehreren Jahren Einsatz noch realistisch ist. Idealerweise werden robuste Akku-Technologien mit hoher Leistung und Zuverlässigkeit, etwa Absorbent Glas Mat Blei Vlies (AGM), eingesetzt.
Bei mobilen Lösungen ist auch immer die Sicherheit für den Bediener zu beachten. Typische Szenarien in Produktionsumgebungen sind der Verlust einer Rolle am Fuß des Gerätes, das Auflaufen auf ein Hindernis und das Festhalten am Gerät durch den Bediener. In jedem Fall muss sichergestellt sein, dass das Gerät nicht kippt oder umfällt. Eine mobile Basis mit nur vier montierten Rollen ist dazu grundsätzlich ungeeignet.
Eine weitere Entwicklung hin zu einer vollumfänglich reinraumtauglichen Lösung ist der Verzicht auf Ladekabel und damit auch der Wegfall von Steckdosen im Reinraum. Eine induktive Ladung der Akkus ermöglicht dies. Dabei werden ein oder mehrere Ladepunkte im Reinraum verteilt und damit das Gerät während der Bedienung geladen. Die Lösung lädt beim heutigen Stand der Technik, je nach Ausführung, im Vergleich schneller als eine kabelgebundene Ladevorrichtung. Weiterhin spart dies Platz, da der zugewiesene Stellplatz für das mobile HMI zum Laden entfällt.
Tragbare Investition
Die Tablet-PC-Lösung sehen viele Verantwortliche als die kostengünstigste Lösung für die Steuerung und Visualisierung von Prozessen im Reinraum. Ein Tablet PC ist höchst-mobil, preisgünstig und einfach zu ersetzen. Allerdings ist dies eine reine Sichtweise nach Capital Expenditure, welche die Produktionsmitarbeiter nur selten teilen: Je nach Anwendung ist ein Tablet PC besser oder schlechter geeignet. Die Praxis zeigt, dass diese noch relativ neue Technologie vor allem in der Wartung, der Inbetriebnahme und bei der Vorlage von Standard Operating Procedures (SOP) sinnvoll ist, da diese besonders von der Mobilität des Tablets profitieren.
Andere Anwendungen, wie die Bedienung eines Manufacturing Execution Systems (MES) oder eines Distributed Control Systems (DCS) benötigen Möglichkeiten zur Dateneingabe. Diese Dateneingabe erfolgt beim Tablet PC über ein On-Screen Keyboard, welches seinerseits Platz auf dem Display benötigt. Dementsprechend ist die Übersichtlichkeit nicht mehr gegeben und das Tablet PC wird zur Belastung und zum Risikofaktor in der Produktion.
Fest installierte und mobile HMI Lösungen lassen sich fixieren, was dem Bediener beide Hände für seine normalen Arbeitsaufgaben lässt. Bei einem Tablet-PC ist eine spezielle Ablage nötig, oder der Bediener muss das Gerät tragen. Verbleibt das Gerät in der Hand, werden Scanvorgänge mit dem Tablet PC, aufgrund der fehlenden Ergonomie im Vergleich zum Handscanner belastend, und eine Kopplung mit einem Handscanner macht wiederum die Dateneingabe auf dem Tablet schwierig, da beide Hände belegt sind.
Generell lassen sich Tablet-PCs im Reinraum nur mit speziellen Hilfsmitteln nutzen, wie einer Einhausung in ein Edelstahlgehäuse. Andernfalls ist die zwingend erforderliche Reinigbarkeit entweder nicht gegeben oder nur unter extrem hohen Aufwand umsetzbar, da zum Beispiel auch offene Anschlüsse penibel zu reinigen sind. Hinzu kommt noch dringender als bei mobilen HMI die Frage nach Akkulaufzeit und Aufladung des Gerätes. Die Akkulaufzeit eines Tablet PCs bei normaler Nutzung reicht in vielen Fällen nicht für eine volle Schicht. Soll der Ladevorgang im Reinraum erfolgen, so müssen die Dockingstationen ihrerseits entsprechend reinigbar sein und ein Ladeplatz für die Tablet PCs geschaffen werden. Soll das Wiederaufladen außerhalb des Reinraums geschehen, so muss das Tablet selbst entsprechend die Anforderungen zur GMP-konformen Reinigbarkeit erfüllen, um es aus- und einschleusen zu können.