Glatt Steuerungsanlage futuristische Grafik

Moderne Steuerungssystgeme müssen zukunftsfähig im Hinblick auf künftige Big Data-Anwendungen sein. (Bild: Glatt)

Entscheider-Facts

  • Im Zeitalter der Industrie 4.0 steigen die Ansprüche an die Kommunikation mit Pharmamaschinen.
  • Moderne Steuerungssysteme müssen zukunftsfähig im Hinblick auf künftige Big Data-Anwendungen sein.
  • Auch Jahrzehnte alte Maschinen lassen sich mit modernen Steuerungen aufrüsten.

Wer heute ein 20 Jahre altes Smartphone in die Hand nimmt, wird sich wohl kaum noch an die Bedienkonzepte erinnern: T9 hieß beispielsweise der Ansatz, mit dem wir Textnachrichten und Wörter automatisch durch das einfache Tippen auf dreifach belegte Tasten schreiben konnten. Doch in Anlagen der Chemie und Pharmaindustrie sind einstmals aus der Not heraus entwickelte und oft herstellerspezifische Bedienkonzepte bis heute an der Tagesordnung. Denn im Gegensatz zu Mobilfunkgeräten ist die Hard- und Software deutlich langlebiger – verfahrenstechnische Maschinen werden meist über mehrere Jahrzehnte hinweg betrieben.

Im Zeitalter der Industrie 4.0 steigen die Ansprüche an die Kommunikation mit den Maschinen allerdings rasant: Obwohl die Nutzanwendungen und Use Cases der Industrie 4.0 und des industriellen Internets der Dinge (IIoT) erst in Ansätzen erkennbar sind, legen Betreiber von Pharmamaschinen schon heute bei Investitionen Wert auf eine größtmögliche Zukunftsfähigkeit. „Unsere Kunden wollen sich fit machen für Big Data-Anwendungen und wir helfen Ihnen dabei, auf der einen Seite mit Schnittstellenfunktionalität auf der anderen mit Beratung, wie man das konzeptionell und zukunftsfähig gestalten kann“, berichtet Andreas Baumer bei Glatt. Als langjähriger Leiter des Automatisierungsbereiches des südbadischen Pharmaanlagen-Spezialisten kennt Baumer nicht nur Bits & Bytes, sondern auch die steigenden Anforderungen der Pharmazeuten. Neben der klassischen vertikalen Integration der Produktionsanlagen in die IT-Welt des Kunden, bei denen Aufträge zentral verwaltet werden und die (ERP-) Seite direkt oder über eine Produktionssteuerung (MES) die Anlagensteuerungen eines jeden Produktionsschrittes ansprechen, wächst der Wunsch, Prozess- und Maschinendaten aller Art zu sammeln, um in einem nächsten Schritt diese mittels moderner Algorithmen und Big Data-Anwendungen zu nutzen.

Dabei wollen die Hersteller zunehmend alle Aspekte, beispielsweise auch Informationen zu Verschleiß- und Ersatzteilen oder die Reinigung und Wartung in die zentrale Produktionssteuerung mit einbeziehen. Und dies immer häufiger sogar über verschiedene Betriebe und Produktionsstandorte hinweg. Eine mögliche Anwendung ist beispielsweise der Austausch von Wartungsinformationen über mehrere Standorte hinweg: Tritt an einer Maschine am Standort A ein Problem auf, lässt sich auf diese Weise verhindern, dass derselbe Fehler und ein möglicher Stillstand am Standort B entsteht. Das Ganze wird noch interessanter, wenn man Informationen über den Lagerbestand von Ersatzteilen gemeinsam nutzt.

Zusätzliches Potenzial steckt zudem auch in der Kommunikation: Bislang werden auch in den verfahrenstechnischen Maschinen Sensoren überwiegend über das analoge Stromsignal 4…20 mA angebunden. Dabei können die Sensoren häufig bereits viel mehr, als nur Messwerte liefern. Die Zukunft sieht der Anbieter im Anschluss über Bussysteme, dieser ermöglicht es beispielsweise Metadaten wie Artikel- oder Bestellnummer auszulesen, um automatisch zu inventarisieren (integriertes Lifecycle-Management) und diese Information online verfügbar zu machen. Somit kann man jederzeit abrufen, welche Komponenten tatsächlich in der Anlage im Einsatz sind. Dadurch kann der Hersteller noch zielgenauer Hotline-Support leisten und andererseits vereinfacht dies Ersatzteilbestellungen und Parametrierungen bei einer gewünschten Umstellung.

Daten sind der Schlüssel zu Industrie-4.0-Anwendungen

Eine wichtige Rolle spielt auch die Visualisierung von Schlüsselparametern: In welchem Status befindet sich eine Produktionsanlage bzw. eine ganze Feststoffproduktionslinie? Wie hoch ist der aktuelle Durchsatz, beispielsweise einer Tablettenpresse? Wie lange muss ein Wirbelschichtprozess noch laufen, bevor das Produkt für den nächsten Schritt zur Verfügung steht? Und steht der nachfolgende Prozess bereits zur Verfügung, oder muss zunächst noch gereinigt werden?Allesamt typische Fragen, die von der Steuerungsvisualisierung möglichst auf einen Blick beantwortet werden sollen. „Solche Informationen müssen an einer zentralen Einheit über die Maschinen und Anlagen verschiedener Hersteller hinweg ausgewertet werden können“, erklärt Baumer, der solche Projekte bereits mit seinem 60 Mitarbeiter starken Team realisiert hat.

Daten aus der Produktion sind für Baumer der Schlüssel zur Industrie 4.0: „Damit man künftige IIoT-Dienste anbieten und nutzen kann, werden Daten benötigt. Wie auch unsere Kunden überlegen wir, welche IIoT-Dienstleistungen wir künftig anbieten wollen und wo dadurch tatsächlich Mehrwert für den Anwender entstehen kann. „Die 4.0-Automatisierung und die Schnittstellenprogrammierung ist eine Grundvoraussetzung für ein Digitalisierungsprojekt, die Erfahrung wie man mit den gesammelten Daten zielgenau eine Aufgabenstellung lösen kann, bringt das Projekt erst zum Erfolg. Hier setzt unsere Beratung an. Die Aufgabenstellungen sind sehr vielfältig“, so Baumer.

Dabei muss der Hersteller den Spagat zwischen langem Anlagen-Lebenszyklus und immer schnelleren IT-Lebenszyklen bewältigen. „Wir können heute noch Automatisierungssysteme warten, die wir vor 30 Jahren ausgeliefert haben“, bringt Baumer einen Anspruch auf den Punkt, den der Hersteller durch systematisches Archivieren projektbezogener Daten gelöst hat: „Trotz individueller Anforderungen im Kundenprojekt – auch mit der einen oder anderen projektspezifischen Applikation – haben wir durch Modularisierung der Lösungen sichergestellt, dass der Lebenszyklus der Automationslösung trotz der Dynamik von Mircosoft und Co. im qualifizierten Umfeld maximal lang sein kann. Das ist nicht immer einfach, aber Teil unseres Ansatzes. Bei manchen grundlegenden Technologie-Sprüngen ist allerdings auch hier Schluss.“

Bedienerschnittstelle gewinnt an Bedeutung

Bereits seit mehreren Jahren unterstützt der Hersteller für den Datenaustausch den offenen Standard OPC UA und hat seine Softwaremodule gemastert: Die Vorlagen für neue Projekte sowie für die Qualifizierungsdokumentation sind stets dieselben und werden projektspezifisch an die Bedürfnisse der Anlagenbetreiber angepasst. Das erleichtert im Störungsfall den Support, weil jeder Mitarbeiter die Grundlagen kennt. Nun plant der Anbieter die Steuerung im Hinblick auf die neuen Anforderungen zu aktualisieren. Dabei spielen beispielsweise aus der Smartphone-Welt liebgewonnene Nutzergewohnheiten eine wichtige Rolle: „Die Vorteile einer Steuerung müssen sich nicht nur über das erschließen, was im Hintergrund abläuft, sondern auch für den Bediener sichtbar werden. Ein Ziel lautet beispielsweise, dass der Anwender in maximal drei Schritten bis zu der von ihm benötigten Information kommen soll“, erklärt Marketingleiter Axel Friese: „Die User Experience ist ein wesentliches Element, wie effizient und wie gerne Betriebspersonal mit einer Maschine arbeitet.“

Auch dieser Aspekt gehört zu den Entscheidungskriterien der Betreiber, wenn es darum geht, bestehende Anlagen zu modernisieren. „Einer unserer Kunden hat bei seiner 30 Jahre alten Wirbelschichtanlage bereits alle fünf Steuerungsgenerationen nachvollzogen“, berichtet Baumer und verdeutlicht, dass Retrofit-Projekte für den Anlagenlieferanten mit wachsender installierter Basis immer wichtiger werden. Während eine Aktualisierung der Steuerungstechnik prinzipiell bei allen Maschinen möglich ist, erlaubt die in den vergangenen 10 Jahren verbaute Hard- und Software einen einfacheren Austausch oder eine einfachere Erweiterung als bei älteren Systemen. Häufig werden die ehemals im Schaltschrank verbauten, proprietären Industrie-PC inzwischen virtualisiert. Eine Trennung zwischen Steuerungsrechner, der virtualisiert auf einem zentralen Server läuft, und dem Bedienterminal (Thin Client) vereinfacht Modernisierungsprojekte. Doch sobald Steuerungs-Hardware ausgetauscht wird und die Steuerungsrezepte wieder neu angelegt werden müssen, ist im regulierten Umfeld der Arzneimittelproduktion in der Regel eine Requalifizierung notwendig.

30 Jahre alte Anlagen fit für die digitale Zukunft machen – aus Sicht von Andreas Baumer ist das kein frommer Wunsch, sondern reale Möglichkeit. 

Andreas Baumer
„Unsere Kunden wollen sich fit machen für Big Data-Anwendungen“
Andreas Baumer leitet bei Glatt den Bereich Automatisierung

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