- Der mögliche Nutzen von eindeutiger Produktkennzeichnung über Seriennummern und von Scannern einzulesenden Codes geht weit über die Anforderungen der Serialisierung hinaus.
- Über die Kennzeichnung lassen sich unerlaubter Handel und Produktpiraterie bekämpfen sowie Lieferketten optimieren, und es eröffnen sich neue Marketing-Möglichkeiten zur Kundenbindung.
- Robuste und flexible Techniken zur eindeutigen Kennzeichnung existieren bereits. Mithilfe vernetzter Technologien wie Smartphones lässt sich diese Infrastruktur auch für Anwendungen jenseits der Serialisierung nutzen.
Die Erfahrungen mit Kennzeichnungstechnik beschränkten sich im Wesentlichen darauf, im Supermarkt einen Blick auf das Mindesthaltbarkeitsdatum zu werfen. Dies ändert sich jedoch allmählich. Ein Faktor dabei ist die Allgegenwart des Internets in unserer immer stärker vernetzten Welt. Ebenso wichtig sind die 2,6 Milliarden Smartphones, die gegenwärtig mit dem Internet verbunden sind. Gemeinsam haben diese Faktoren das Einkaufserlebnis stark verändert. So ergab eine von Planet Retail und GS1 UK durchgeführte Umfrage, dass 28 % der Käufer zur Artikelsuche in Ladengeschäften gerne ihre Smartphones verwenden würden. 24 % der Käufer wünschen sich zudem eine Barcode-Scanner-App, mit der sie zusätzliche Produktinformationen angezeigt bekommen.
Jenseits von Chargennummer und Barcode
Eine derartige mobile Revolution im Einzelhandel wäre undenkbar ohne eine entsprechende technische Infrastruktur, die es ermöglicht, unzähligen Verbraucher- und Industrieprodukten eine eindeutige, zu überprüfende Produktkennzeichnung zuzuweisen und darauf aufzubringen. Bislang lief dieser Vorgang unter dem Begriff „Serialisierung“. Da aber von Menschen lesbare und maschinenlesbare Codes heute in vielen Lebensbereichen in puncto Sicherheit und Effizienz einen äußerst wertvollen Beitrag leisten, gilt dieser Begriff inzwischen als unzulänglich. Immer häufiger ist stattdessen von „UPI“ (Unique Product Identification, eindeutige Produktkennzeichnung) die Rede, weil dieser Begriff das Ergebnis der Serialisierung und die damit verbundenen praktischen Vorteile wesentlich besser zum Ausdruck bringt. UPI umfasst weitaus mehr als das Zuweisen einer einfachen siebenstelligen Chargennummer und eines linearen Barcodes mit integrierter Global Trade Identification Number (GTIN). Längst ist die Technik, mit der Codes zugewiesen, aufgebracht und geprüft werden, robust und flexibel genug, um fast allen Produkten einmalige Produktidentifizierungscodes zuzuordnen.
Die damit verbundenen vielfältigen Vorteile nützen allen Branchen, von der Lebens- und Arzneimittelbranche bis zur Kosmetik- und Automobilindustrie, wie einige Beispiele verdeutlichen:
• Verbrauchern fällt es leichter, gefälschte und echte Produkte voneinander zu unterscheiden. Dies wiederum erleichtert es Markenartiklern, ihre Markenintegrität vor Bedrohungen, wie Fälschungen und Parallelhandel, zu schützen.
• Die Authentifizierung auf Artikelebene ermöglicht es Regierungen, dem mit dem unerlaubten Handel einhergehenden Verlust von Einkünften und Arbeitsstellen Paroli zu bieten. Allein im Kosmetiksektor gehen dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt zufolge durch Fälschungen ca. 80.000 Arbeitsplätze und Staatseinkünfte in Höhe von 1,7 Milliarden Euro verloren.
• Codegesteuerte, auf Artikelebene ansetzende Track & Trace-Lösungen ermöglichen Herstellern den Aufbau effizienter und sicherer Lieferketten, die Leistungsdaten in Echtzeit liefern.
• Im Gesundheitssektor werden Patienten durch verschiedene Maßnahmen geschützt; in den USA beispielsweise durch die „Unique Device Identification“ (eindeutige Gerätekennung) und in der EU durch die Delegierte Verordnung 2016/161 zur Umsetzung der Fälschungsrichtlinie 2011/62/EU zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen (FMD).
• Das Aufbringen von Codes, die von Smartphones gelesen werden können, eröffnet Markenartiklern neue Möglichkeiten, Verbraucher persönlich anzusprechen und hierdurch die Markenloyalität und die Umsätze zu steigern.
Die in diesen Beispielen ersichtlichen Vorteile lassen sich in drei Kategorien unterteilen: diejenigen, die den Kampf gegen unerlaubten Handel unterstützen und somit zum Markenschutz beitragen; diejenigen, die die Lieferkette vom Werk bis hin zum Verbraucher optimieren; sowie diejenigen, die es Unternehmen und Marken ermöglichen, ihre Kundenbeziehungen zu vertiefen.
Legalität ist Trumpf – UPI und unerlaubter Handel
Laut der Internationalen Handelskammer beläuft sich der Schaden durch Fälschungen und Produktpiraterie im Jahr 2015 weltweit auf 1,7 Billionen US-Dollar. Sage und schreibe 10 % aller Autoersatzteile sind vermutlich Fälschungen. Bei den Ersatzteilen in der Luftfahrtindustrie liegt diese Zahl zwar laut FAA bei „nur“ 2 %, aber eine Störung durch ein minderwertiges gefälschtes Bauteil kann gerade hier katastrophale Folgen haben. Besonders stark betroffen sind außerdem die Arzneimittel- und Bekleidungsbranche, Hightech-Produkte und Luxusgüter.
Fälschungen mögen zwar Schlagzeilen machen, aber gefälschte Produkte stellen lediglich eine Facette des Problems dar. Ein weitaus treffenderer Oberbegriff ist „unerlaubter Handel“. Neben einfachen Fälschungen umfasst er auch andere ebenso schädliche Aktivitäten, beispielsweise den Parallelhandel, bei dem echte Produkte aus den vorgesehenen Kanälen in vom Hersteller nicht genehmigte Vertriebskanäle umgeleitet werden.
Unerlaubter Handel kann eine Marke auf vielfältige Weise schädigen – von Umsatzeinbußen hin zu einem dauerhaft geschädigten Markenimage durch minderwertige Fälschungen. In einigen Fällen sind die Auswirkungen sogar noch gravierender. In der Tabakbranche beispielsweise schwächt der Parallelhandel die Tabakkontrollmaßnahmen von Regierungen und schadet somit der öffentlichen Gesundheit, er verringert die Steuereinkünfte, unterwandert legitime Unternehmen und trägt zur Finanzierung internationaler krimineller Vereinigungen bei.
Mithilfe einer UPI können sich Marken und Hersteller wirkungsvoll zur Wehr setzen. Zu verdanken haben sie dies besonders dem Arzneimittelsektor, in dem Regierungen, Behörden und die Kennzeichnungsbranche über die vergangenen Jahre zahlreiche Neuerungen eingeführt haben. Gesetzeswerke wie die EU-Richtlinie 2011/62/EU zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen (FMD) haben Serialisierungsmaßnahmen vorangetrieben, einschließlich eindeutiger Kennungen auf Artikelebene. Jedes Arzneimittel lässt sich nun über die gesamte Lieferkette verfolgen und am Verkaufspunkt auf Echtheit prüfen.
Die zum wirksamen Umsetzen der Delegierten Verordnung 2016/161 entwickelte Technik ist praxiserprobt und widerstandsfähig. Besonders erfreulich ist, dass sich die Lösungen lückenlos auf andere Sektoren und Lieferketten übertragen lassen. Interessengruppen in diesen anderen Sektoren und Lieferketten wird es möglich sein, jedes einzelne Produkt zu prüfen und Antworten auf folgende Fragen zu erhalten: Ist das Produkt echt? Wurde es von einem autorisierten Hersteller produziert? Wird es am rechten Ort zum Verkauf angeboten?
Genau wie in der Arzneimittelbranche ist die Umsetzung denkbar einfach. Der Hersteller muss auf jedem einzelnen Artikel einen eindeutigen Code aufbringen, und der Käufer muss diesen Code scannen – meist mit einem der genannten 2,6 Milliarden Smartphones. Der Käufer weiß dann sofort, ob das Produkt in seiner Hand echt ist. Im Gegenzug kann der Markenartikler beim Aufruf des Codes einen Einblick in die Lieferkette erhalten. Er kann so feststellen, ob ein Produkt das vorgesehene Ziel erreicht hat.
Darüber zu sprechen lohnt sich – UPI und Kundenbindung
Wer ein Paket erwartet, kann heutzutage per Smartphone feststellen, wo genau das Paket ist und wann es ausgeliefert wird. Solche Transparenz bei geschäftlichen Transaktionen ist nur ein Beispiel dafür, wie insbesondere mobile Technik Unternehmen und Kunden einander näher bringen kann. Verbraucher erwarten heutzutage, dass sie im Internet ausführliche Informationen über Markenartikler und deren Produkte finden können. Sie möchten eigene Nachforschungen anstellen, ihre Kaufentscheidungen prüfen und so viel wie möglich über die Herkunft eines Produkts in Erfahrung bringen, beispielsweise wo und woraus es hergestellt wurde und ob es aus nachhaltigen Quellen stammt.
Mit der Zahl der Smartphone-Nutzer hat somit auch der Einfluss der Verbraucher auf Marken zugenommen. Für viele Verbraucher ist die mobile Technik heutzutage ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Einkaufserlebnisses. Für Marken stellt jedes Smartphone einen Kanal zu diesem individuellen Kunden dar sowie eine Gelegenheit, einen direkten Dialog anzustoßen und diese Beziehung zu stärken. Auch den Marketingabteilungen gibt UPI darum neue Impulse. Immer mehr Marken erkennen neue Möglichkeiten, mittels UPI den Markenaufbau voranzutreiben.
Wichtig ist, den Verbraucher zum Einlesen des Codes zu animieren. Beispielsweise können Markenartikler auf Produkten Werbe- und Promotion-Codes in die Verpackung integrieren, um den Kunden zu einer Kontaktaufnahme zu bewegen. Der Code könnte den Verbraucher etwa dazu anregen, Online-Informationen zu Angeboten, Gewinnspielen oder kreativen Wettbewerben abzurufen. Im Rahmen dieser Interaktion gibt der Verbraucher unweigerlich Informationen über sich preis, und sei es auch nur eine Email-Adresse und das Einverständnis, künftig Mitteilungen zu weiteren Angeboten zu erhalten.
Dies ist an sich keine neue Strategie. Neu ist aber die Leichtigkeit, mit der Verbraucher Kontakt aufnehmen können. Sie müssen nicht länger eine Website aufrufen und einen langen, möglicherweise komplizierten alphanumerischen Code eingeben. Vielmehr können sie den Code einfach an Ort und Stelle mit ihrem Smartphone einlesen und sofort feststellen, ob sie bei einem Gewinnspiel etwas gewonnen haben. Je nachdem, wie intelligent der Code ist, erhält der Markenartikler bei diesem Scanvorgang Informationen über das gescannte Produkt, z. B. um welchen Schokoriegel es sich handelt, wo er hergestellt wurde, wo er gekauft wurde und wer ihn gekauft hat.
Track & Trace als Schlüsselkonzept – UPI bei der Prozesssteuerung
Weitere Vorteile von UPI entfalten sich bereits, bevor Produkte das Werk verlassen. Ein Beispiel ist der Prozess der Aggregation. Erst dieses unerlässliche Schlüsselkonzept beim Track & Trace ermöglicht die oben beschriebenen ausgeklügelten Lieferketten. Aggregation definiert die Mutter-Kind-Beziehungen zwischen den verschiedenen Verpackungshierarchien, Primär-, Sekundär- und Tertiärverpackung. Auf dem Weg durch die Lieferkette werden die größeren Einheiten nach und nach aufgelöst. Über die bei der Herstellung aufgebrachten eindeutigen Nummern erfährt das Lieferketten-Managementsystem, um welches Produkt es sich handelt, wo und wann es hergestellt wurde, wo es sich gegenwärtig befindet und wie es dorthin gelangt ist. Wenn eine Rückrufaktion notwendig ist, sind diese Nummern der Schlüssel für die Rückverfolgbarkeit des jeweiligen Produkts.
Im Einzelhandelssektor erzeugen Kennzeichnungssysteme die erwähnten maschinenlesbaren Codes, die für den Betrieb automatisierter Vertriebszentren und Lager unverzichtbar sind. In den Regalen des Verkaufsraums wiederum erleichtert eine eindeutige Produktkennzeichnung (UPI) das Bestandsmanagement bei verderblichen, nur begrenzt haltbaren Lebensmitteln. Die mit Codier- und Markiersystemen aufgebrachten Verfallsdaten werden überwacht, und es wird sichergestellt, dass die Produkte frühzeitig in die Regale gelangen.
Das Produktionsmanagement sowie Markenartikler und Einzelhändler können erheblich von einer eindeutigen Produktkennzeichnung (UPI) profitieren. Die Installation von UPI-Hardware und -Software hat aber noch einen gelegentlich unerwarteten, jedoch wichtigen Nebeneffekt: Sie gewährt einen Einblick in die Leistung der Produktionslinie. Das UPI-System zeichnet für jeden einzelnen Artikel den Herstellungszeitpunkt auf. Als eine Art hochpräzise Uhr ermöglicht es das Überwachen der Produktionsleistung – an einer Linie oder auch mehreren. Hinzu kommen statistische Leistungsdaten wie die Start- und Stoppzeiten der Verpackungsstraßen oder die Zählerstände der Codierer.
Innerhalb von Lebensmittel- und Getränkeverpackungslinien können Mängel, wie undichte Verschlüsse oder falsche Füllstände, Zeit und Geld kosten. UPI kann die Qualitätskontrolle ganz einfach dadurch verschärfen, dass dem Produktcode eine Nummer, ein Buchstabe, ein Symbol oder Ähnliches hinzugefügt wird. Diese Markierung gibt Auskunft über den jeweils verwendeten Versiegelungs- oder Füllkopf.
Fachpack 2016, Halle 3A – 216