Im Jahr 2009 waren dem Zoll laut Angaben der EU-Kommission 11,5Mio. nachgemachte Arzneimittel ins Netz gegangen. Das waren rund 30 % mehr als im Jahr zuvor. Eine WHO-Studie geht gar davon aus, dass in den vermeintlich sicheren Regionen Europa und USA heute schon bis zu 10% aller Arzneimittel gefälscht sind. Allein in Deutschland, so Professor Dr. Ulrike Holzgrabe von der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, soll der Fälschungsanteil inzwischen bei 5% liegen.
Längst geht es bei diesen Fälschungen nicht mehr nur um teure Lifestyle-Präparate. „Es werden heute auch preiswerte Medikamente gefälscht, die in großen Mengen auf den Markt kommen und dadurch dem Fälscher in der Summe einen hohen Profit versprechen“, sagt Ulrich Dörstelmann. Dörstelmann ist Abteilungsleiter Fälschungssicherung bei Artur Theis. Das Unternehmen der Edelmann Gruppe ist spezialisiert auf Pharmaverpackungen und wurde im vergangenen Jahr zum reinen Fälschungssicherheitsbetrieb ausgebaut. Daher weiß Dörstelmann nur zu gut, wie es um den Markt bestellt ist – „Pharmahersteller haben starke Verluste durch Fälschungen hinnehmen müssen und begegnen dem Thema nun mit mehr Offenheit“.
Einer der aktivsten ist Bayer Healthcare. Auf der eigens erstellten Website „www.vorsicht-faelschung.de“ beschreibt der Konzern offen die Merkmale, anhand derer Patienten Originale von Bayer-Präparaten und deren Fälschungen erkennen können. Neben der ausführlichen Informationsarbeit setzt Bayer auf Sicherheitsmerkmale, die einerseits die Medikamente für Fälscher unattraktiv machen und andererseits Anwendern die Identifikation von Originalen erleichtern sollen.
Vorbild Banknotendruck
Bayer arbeitet dazu mit Edelmann Theis zusammen. Seit 2002 ist der Verpackungshersteller mit Sicherheitsmerkmalen am Verpackungsmarkt präsent. Heute verfügt das Unternehmen über einen komplett abgesicherten Produktionsprozess, dessen Sicherheitsgrad dem einer Druckerei für Banknoten entspricht. Personen gelangen nur über eine Zugangskontrolle in die Produktionsbereiche; verschiedene Sicherheitszonen dürfen nur ausgewählte Mitarbeiter betreten; Mengenströme und Kartonzuschnitte werden genau kontrolliert, Abfälle komplett geschreddert; alle Vorgänge werden genauestens dokumentiert und archiviert. In der deutschen Verpackungsbranche ist das einzigartig.
„Der rapide steigende Bedarf an Sicherheitslösungen für Arzneimittel hat uns dazu veranlasst, unseren Wuppertaler Standort zum reinen Fälschungssicherheitsbetrieb auszubauen“, sagt Meino Adam, bei der Edelmann Gruppe Leiter Verpackungsentwicklung Pharma und verantwortlich für Fälschungssicherheit. Dabei gehen die Leistungen über die sichere Produktion hinaus und umfassen auch eine umfassende Qualitätskontrolle: „Wir stellen mit unserer technischen Ausrichtung sowie unserem geschulten Personal eindeutig sicher, dass alle Faltschachteln über die jeweils vorgegebenen Merkmale verfügen.“ In vertraulicher Zusammenarbeit mit Kunden entstehen darüber hinaus neue Sicherheitsmerkmale. Vorbild ist dabei meist der Banknotendruck, dessen Merkmale Theis für die Faltschachtelproduktion umsetzt und zur Serienreife bringt. Seit Jahren bestehen dafür enge Kooperationen mit Anbietern aus dem Bereich des Hochsicherheitsdrucks. Die nächsten Konzepte liegen bereits in der Schublade. Denn das Thema Fälschungssicherheit wird weiter anziehen.
Als erster Hersteller verschreibungsfreier Medikamente will beispielsweise Bionorica, aus deren Produktion unter anderem das in Deutschland meistverkaufte pflanzliche Arzneimittel Sinupret stammt, alle seine Verpackungen fälschungssicher machen. Sinupret wurde mit einer dreidimensionalen und optisch variablen Prägung auf der Faltschachtel versehen, die durch Kippen das Relief der Prägung sichtbar werden lässt. Das Sicherheitselement ist eine Entwicklung von Giesecke & Devrient.