Die neue Marburger Biotechnologie-Anlage von CSL Behring
Etwa 20 Mio. Euro investierte das Unternehmen CSL Behring in eine neue Biotechnologie-Anlage am Standort Marburg. Die Anlage dient zur Aufreinigung und Formulierung der rekombinanten Protein-Therapeutika. Aufgrund ihrer Flexibilität kann CSL darin aber auch andere biologische Produkte verarbeiten. Ausgewählte Projekteckdaten der Biotech-Anlage von CSL Behring in Marburg:
  • 350 pneumatisch angesteuerte Ventile
  • 2.800 m verlegte Rohre;
  • 3.000 verarbeitete Bögen;
  • 10.000 Schweißnähte;
  • 20.000 m verlegte elektrische Kabel;
  • zwölf Monate Engineering bei durchschnittlich acht Mitarbeitern;
  • acht Monate mechanische Montage bei durchschnittlich 14 Mitarbeitern;
  • neun Monate Inbetriebsetzung bei durchschnittlich sieben Mitarbeitern.

SL Behring ist einer der führenden Hersteller im Bereich der Plasmaprotein-Biotherapeutika. Das Unternehmen produziert und vertreibt weltweit eine breite Palette von plasmabasierten und rekombinanten Therapeutika. Therapeutika von CSL Behring werden eingesetzt bei Störungen des Gerinnungssystems einschließlich Hämophilie und von Willebrand-Syndrom, Immunmangelkrankheiten sowie zur Behandlung von Patienten mit erblichem Lungenemphysem. Weitere Produkte finden Anwendung in der Herzchirurgie, bei Organtransplantationen sowie bei der Behandlung von Verbrennungen und in der Prävention von hämolytischen Krankheiten bei Neugeborenen.
Mit seinem Tochterunternehmen CSL Plasma betreibt CSL Behring in den USA und in Deutschland weltweit eine der größten Organisationen zur Gewinnung von Plasma. CSL Behring gehört zur CSL Gruppe, einem spezialisierten biopharmazeutischen Unternehmen mit Hauptsitz in Melbourne/Australien.
Mit der Inbetriebnahme des neuen Bereichs Chromatographie in der vierten Etage des Produktionsgebäudes in Marburg hat CSL Behring nach eigenen Angaben einen nachhaltigen Fortschritt in der Therapie von Gerinnungsfaktoren erreicht. Die Auftragserteilung an den Anlagenbauer erging im Mai 2009, der Projektabschluss wurde im November 2010 gefeiert. Das Engineering-Unternehmen zeichnete für die folgenden Teilprojekte und damit den Großteil der eigentlichen Prozesstechnik verantwortlich:

  • Pufferherstellung,
  • mobile Behälter für Produkt bzw. Puffer,
  • Paneele und Temperiereinheiten,
  • CIP-Anlage für mobile Behälter,
  • Water for Injection-Lagerung bzw. Vorlage und Verteilung (WFI),
  • Versorgung mit Sterilluft, Reindampf und WSO (entsalztes Wasser) und
  • Prozessbeschreibung/Dokumentation zur Programmierung der Steuerung sowie zur Zertifizierung gemäß GMP bzw. FDA etc.

Automatische Pufferherstellung
Der größte Teil des Projekts war die automatische Pufferherstellung. Diese Einheit besteht aus drei Pufferansatzbehältern mit einem Volumen von 2.000, 1.000 und 500 l. Hinzu kommen ein Puffer-Lagertank mit 2.000 l sowie ein Natronlauge-Vorlagebehälter mit 1.000 l. Dieser Vorlagebehälter wird über eine Natronlauge-Container-Station mittels Leitwert gesteuerter Dosierpumpe beschickt. Die Salzsäurestation ist ebenfalls mit einem Membrandosiersystem ausgestattet. Diese Pumpen lassen die Einzelhubdosierung zu, so dass auf 10 ml genau dosiert und damit der pH-Wert des Puffers in kleinen Schritten ganz genau eingesetllt werden kann.
Zur Pufferherstellung wählt der Bediener zuerst via Touchpanel die Rezeptur aus, die zugewiesene Wassermenge wird anschließend im Ansatzbehälter vorgelegt. In diese kann der Bediener per Handzugabe Salze einbringen, es folgt gegebenenfalls ein Rührschritt oder das Temperieren des Ansatzes. PH-Messsysteme überwachen ständig inline den pH-Wert der wässrigen Lösung und steuern über diesen Parameter die Zugabe der Lauge bzw. der Säure, je nachdem, ob ein basischer oder ein saurer Puffer hergestellt werden soll. Über ein Paneel können die drei Ansatzbehälter auf den Puffervorlagebehälter abgelassen werden. Bei kleineren Puffermengen nutzt CSL Behring alternativ sogenannte „Bags“ bzw. zwei mobile Behälter.
Die Pufferherstellung ist in einem Technikbereich installiert, in dem alle Bauteile, die gewartet werden müssen, zusammengefasst sind. Dieser Technikbereich ist von der eigentlichen Produktion, die als Reinraum der Klasse C ausgeführt ist, mithilfe einer Reinraumwand hermetisch abgetrennt. In dieser Reinraumwand sind die Behälter-Oberteile eingebracht, so dass die Behälter aus dem Produktionsbereich bedient werden können. Auch das jeweilige Mannloch ist von dort zu öffnen.

Mobile Behälter als „Stand-alone“-
Prozessanlage

Die mobilen Behälter fungieren als eine Art „Stand-alone“-Prozessanlage, die mit den entsprechenden Vorprodukten gefüllt und über Schläuche an die Chromatographen oder Filtereinheiten angeschlossen werden. Die mobilen Behälter dienen darüber hinaus als Produktaufbewahrungs- und Transportgefäß sowie als Puffervorlagebehälter.
Die mobilen Behälter haben Kapazitäten zwischen 50 und 300 l. Sie sind auf einem fahrbaren Rahmen installiert und fest verrohrt. Ihre Konstruktion lässt vielfältige Prozessvarianten zu. Unter anderem sind sie druck- und vakuumfest sowie mit einem Doppelmantel versehen, also kühl- und heizbar, verfügen über ein Magnetrührwerk und haben nicht zuletzt eine Vielzahl an Anschlüssen für Druckluft, Sterilluft, Produktzufuhr usw.
Die Basis für die Arbeit mit den mobilen Einheiten bilden insgesamt fünf Paneele. Alle Paneele sind mit einer Entnahme für WFI (Water for Injection), für Reindampf sowie einem Sterilluftanschluss ausgestattet. Anschlüsse für Puffer und Lauge sind ebenfalls vorhanden. Schließlich ist noch die Entleerung des Produkts mit einer Leitwert- und Temperaturkontrolle vorbereitet.
Jedem Paneel ist ein Temperiersystem zugeordnet, über das der mobile Behälter auf ein bestimmtes Temperaturniveau angehoben oder abgesenkt werden kann. Die Solltemperatur des Produkts lässt sich auf diesem Wege in einem breiten Bereich regeln.
Der Behälter selbst hat keine autarke Steuerung, kann aber über Bus- und Elektrokabel an einem Paneel angedockt werden. So lassen sich alle Funktionalitäten inklusive Messtechnik für Druck, Temperatur, Leitwert oder pH im Steuerungsschrank abarbeiten, steuern, überwachen und dokumentieren.

CIP-Anlage und Final rinse
Die CIP-Anlage arbeitet nach dem Prinzip der verlorenen Reinigung und ist ausschließlich für die mobilen Behälter zuständig. Der mobile Behälter wird dazu über ein Verteilerpaneel, an dem der Behälter an bis zu vier Anschlüssen andocken werden kann, mit der CIP verbunden. Anschließend wird gemäß der hinterlegten Programme automatisch gereinigt.
Als primäres Reinigungsmedium verwendet wird WSO (entmineralisiertes Wasser) zum Vorspülen und zum Ansetzen der Lauge. Das Natron-Lauge-Konzentrat wird aus einer Laugestation auf einen vorgegebenen Leitwert zudosiert. Die Temperatur der Reinigungsmedien ist über einen im Kreislauf integrierten Wärmeübertrager einstellbar.
Das Vorspülwasser wird im Durchlauf über den mobilen Behälter gefahren. Steuerparameter der Reinigungsdauer ist das vorgegebene Spülwasservolumen. Das Wasser wird verworfen. Der Laugeschritt läuft dann im Kreislauf ab. Hier ist der Parameter die in der Steuerung hinterlegte Zeit. Der Final rinse erfolgt direkt vom Heiß-WFI-Netz durch die CIP-Anlage über das Paneel durch den mobilen Behälter.
Die CIP-Anlage bietet die Möglichkeit, sich über einen Reinstdampfanschluss selbst zu sanitisieren. In einem Nebenraum befindet sich zusätzlich noch ein reines Sanitisierungspaneel, an dem ein mobiler Behälter angeschlossen werden und ein Sanitisierungsprogramm ablaufen kann.

WFI-Versorgung mittel neu
geschaffener Ringleitung

Water for Injection – kurz WFI – ist ein Wasser mit besonders hoher Reinheit. Im 6. Obergeschoss des Produktionsgebäudes in Marburg ist eine entsprechende Aufbereitungsanlage platziert. Um dieses Wasser im neuen Bereich Chromatographie nutzen zu können, wird es über Rohrschächte in das 4. Obergeschoss geführt und über eine neu geschaffene Ringleitung mit zwei Sub-loops bereitgestellt. Der eine Sub-loop ist Teil der Puffer-Herstellung, der andere versorgt die Paneele, die zum Betreiben der mobilen Prozessbehälter notwendig sind. Beide Kreisläufe sind über Wärmeübertrager von den 80 bis 83 °C, bei denen das WFI gelagert und umgepumpt wird, auf die gewünschte Anwendungstemperatur abzukühlen.
Das WFI-System wird darüber hinaus zur Spülung des Pufferansatz- bzw. -lagerbehälters, des Laugevorlagebehälters sowie der mobilen Behälter verwendet. Dieser Final Rinse ist unabhängig von der CIP-Anlage. Der WFI-Kreislauf wurde mit einer eigenen Steuerung ausgestattet. Das schließt das komplette Monitoring, also die permanente Inline-Überwachung und Dokumentation der relevanten Parameter wie Temperatur, Durchfluss, Leitwert oder TOC mit ein.
Ein weiterer Auftragsbaustein war das Versorgungssystem für die sogenannten „weißen Medien.“ Weiße Medien werden Reindampf, Sterilluft und WSO-Wasser bezeichnet. Alle Versorgungswege sind in Edelstahl ausgeführt und bei der Montage genau dokumentierte Systeme.

Hohe Anforderungen an Material,
Umsetzung und Dokumentation

Gesteuert wird die Biotech-Anlage mit zwei übergeordneten PCS7-Steuerungen, die mit einer Batch-Rezepturverwaltung arbeiten. Alles wird über Touchpanels visualisiert und bedient. Das Engineering-Unternehmen lieferte die Hardware und die gesamten Prozessbeschreibungen mit allen Abläufen und Parametern. Auf dieser Basis wurde die Software programmiert.
Aufgrund der internationalen Ausrichtung des Unternehmens und des Umfangs der zu realisierenden Funktionalitäten stellte die Biotech-Anlage sehr hohe Anforderungen an die einzusetzenden Materialien und natürlich deren Verarbeitung.
Die Anlage selbst wurde – wo möglich – als Unit vorgefertigt. Einige Beispiele hierfür sind die CIP-Anlage, die Paneele, die Behälter oder die Temperiereinheiten. Die Anschlussverrohrung erfolgte später beim Kunden. Dabei wurden alle produktberührten Verrohrungen vom Montagepersonal aufgenommen, gekennzeichnet und jeder relevante Schweißparameter dokumentiert. Ungefähr 10 % der Schweißnähte wurden darüber hinaus endoskopisch untersucht. Explizit qualifiziert sind auch andere wichtige Faktoren wie etwa die Messsysteme oder die Sanitisierung. Somit erhielt CSL Behring nicht nur eine hochmoderne Anlage, sondern auch eine für die anschließend anstehenden Qualifizierungs-Audits „belastbare“ Prozessdokumentation, was einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert darstellt.

 

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