Entscheider-Facts
- Modulare API-Mehrproduktanlagen bieten hohe Flexibilität für Produktwechsel bei geringeren Investitionskosten, auch für kleine Chargen.
- Beschleunigte Planung, Beschaffung und Realisierung („Fast track“) wird durch Verwendung vordefinierter Module möglich und führt zu Zeitersparnis bezüglich „Time-to-market“.
- Mehrproduktanlagen sind nicht speziell produktoptimiert. Strenge Reinigungsprozeduren (SOP) müssen implementiert sein
Jedes Pharma- oder Biotechnologieprojekt startet mit der Engineering-Phase: Sind die grundlegenden Anforderungen des Prozesses geklärt und das prinzipielle Anlagenkonzept erstellt, geht es an die planerische Ausgestaltung des Anlagenentwurfs, der Automatisierung, des Aufstellungsplans bzw. des Anlagen-Layouts der zu errichtenden Gebäudekonstruktion usw., bis schließlich das Detaildesign erarbeitet wird – so weit, so klar.
Aber für welches Anlagenkonzept soll sich der Auftraggeber grundsätzlich entscheiden? Das Anlagenbauunternehmen Glatt verfolgt einen flexiblen und modular ausgerichteten Planungsansatz beim Engineering und findet zusammen mit dem Auftraggeber systematisch die richtige Antwort.
So wird der Prozess prinzipiell umgesetzt
Sind die Syntheseparameter des Herstellverfahrens mittels Laborversuchen definiert, startet die Konzeptphase. Hier werden als erstes die Prozessanforderungen herausgearbeitet und die Umsetzung der Prozessstrategie in ein Anlagen- und Layout-Konzept festgelegt. Hierzu wird lange bevor detaillierte Rohrleitungs- und Instrumenten-Fließbilder erstellt werden mit grafisch aufbereiteten Schemata oder Verfahrensfließbildern gearbeitet, um die Prinzipien für Stoffströme und erforderliche Verknüpfungen aller Anlagenteile zu definieren. Der Übergang zur Basic-Design-Phase erfolgt mit der Festlegung der wesentlichen Parameter und Dimensionen der erforderlichen Apparate, die unter anderem in der Ausrüstungsliste erfasst werden. In der daraus zu erarbeitenden Anordnung und Aufstellung spielen GMP-Aspekte und das Gebäude-Layout eine entscheidende Rolle: Welche Bereiche gehören zu welcher Hygienezone und wie werden diese bezüglich Lüftung und Reinraum klassifiziert? Wo liegen Technikbereiche und wie kann man gegebenenfalls bestimmte Zonen platzsparend zusammenfassen und anordnen?
Speziell beim Prozessdesign für pharmazeutische Wirkstoffe (Active Pharmaceutical Ingredients, API) muss der gesamte Syntheseweg in seinem Prozessablauf bedacht werden. Oftmals werden mehrere verschiedene Syntheseschritte mit unterschiedlichen Prozessparametern nacheinander in der gleichen Ausrüstung durchgeführt. Der Synthesepfad verläuft nicht immer chronologisch und linear, sondern erfolgt auch zum Teil in Kreisläufen und Seitenzweigen. Dort können sich beispielsweise aufgrund der Apparatebelegung oder der Reinigungszyklen Abhängigkeiten ergeben, welche die Effizienz der Anlage senken. Für ein optimales Prozessdesign ist es entscheidend, frühzeitig Limitierungen und Engpässe („bottlenecks“) im Prozessablauf zu identifizieren und planerisch gegenzusteuern. Stellt sich beispielsweise in der Prozessanalyse heraus, dass es zu Engpässen im Kristallisationsschritt der Synthese kommen wird, kann dem durch Einplanung eines zweiten Kristallisationsbehälters entgegengewirkt werden. Die Effizienz und Jahresleistung der späteren Produktionslinie wird entsprechend steigen.
Merkmale der chemischen API-Synthese
Bei API-Synthesen dominiert nach wie vor die chargenweise Verarbeitung, weil die thermodynamischen und kinetischen Parameter der chemischen Reaktionen so leichter zu kontrollieren sind. Die jährlichen Produktionsmengen an API und speziell an hochwirksamen HPAPI (Highly Potent Active Pharmaceutical Ingredients) sind oft recht gering, dafür werden aber sehr spezifische Materialanforderungen – beispielsweise an Reaktoren, Rohre und Dichtungen – gestellt. Hinzu kommt, dass Reaktanten und Katalysatoren oft unterschiedliche Aggregatzustände haben, was die Dosierung und Durchmischung erschwert. Auch das Scale-up der API-Synthese birgt manchmal besondere Herausforderungen, die eine Modifikation des Apparate-Typs, des Anlagenlayouts oder Prozessdesigns erfordern.
GMP-Anforderungen, Sicherheitsmaßnahmen wie Explosionsschutz sowie Containment-, Reinraum- und HVAC-Anforderungen können für verschiedene Verbindungen und Syntheseschritte unterschiedlich sein und müssen für jedes einzelne API oder HPAPI geplant und berücksichtigt werden. Wasserbasierte Reinigung ist oftmals nicht möglich bzw. nicht wirksam: Lösungsmittel oder Spezialchemikalien müssen zum Einsatz kommen, was den Anlagenbetrieb noch anspruchsvoller macht. Unbedingt zu vermeiden sind Produktverunreinigungen oder Kreuzkontaminationen mit kleinsten Mengen der hochaktiven Wirkstoffe, welche oft analytisch nicht oder nur sehr schwer nachweisbar sind und zu unerwarteten Nebenreaktionen führen können.
Train-Konzept oder modulare Anlagenplanung?
Die Trennung der einzelnen Syntheseschritte in parallele, unabhängig arbeitende Synthesestränge wird häufig in Einproduktanlagen bevorzugt. Die aufeinanderfolgenden Syntheseschritte dieses „Train-Konzeptes“ können nur gestartet werden, wenn die QC-Analyse die geforderte Qualität der Zwischenprodukte bestätigt hat. Getrennte Synthesestränge haben mehrere Vorteile: So kann die Art und Größe der Anlagen gezielt für bestimmte Reaktionsvolumina, Materialeigenschaften und individuelle Prozesszeiten optimiert werden.
Außerdem lässt sich die Anlagenbelegung und Beseitigung von Engpässen durch limitierende Anlagenteile individuell lösen. Auch Containment-Maßnahmen müssen nur realisiert werden, wo der Prozess es erfordert. Ebenso können das Reinraumdesign sowie Lüftung und Klimatisierung individuell und GMP-gerecht ausgelegt werden. Auch lassen sich die nötigen HSE-Maßnahmen (Health, Safety, Environment) viel spezifischer umsetzen. Ver- und Entsorgung sowie das Handling von Produkten und Nebenprodukten werden oft gemeinsam genutzt und können wirtschaftlich als eigenständige Module betrieben werden. Diese unbestreitbaren Vorteile bedeuten aber auch höhere Investitions- und Betriebskosten für eine nur wenig flexible Produktionsumgebung. Hier bietet der von Glatt in vielen Projekten erprobte modulare Ansatz eine gute Alternative.
Die Modularisierung der API-Synthese
Modulare Mehrproduktanlagen für die API-Synthese ermöglichen es nicht nur, mehrere verschiedene Produkte bei niedrigeren Investitionskosten herzustellen, sie können auch in kürzerer Zeit geplant und realisiert werden, da der Engineering-Aufwand viel geringer ist und dabei auf praxiserprobte Lösungen zurückgegriffen wird. So gewinnt die API-Produktion deutlich an Flexibilität, denn die Produktionskapazitäten können nach Bedarf konfiguriert und skaliert werden. So lassen sich zum Beispiel chemische Reaktionsmodule unterschiedlicher Bauart und Größe nach Bedarf mit den gerade benötigten Prozessmodulen oder Reinigungs- und Separationsschritten kombinieren. Die nötigen Verbindungen werden durch vorkonfigurierte Rohrverbindungsstücke und/ oder über flexible (Metall-)Schläuche mit Inliner oder Beschichtung hergestellt. Der modulare Ansatz vereinfacht die Wartung und Syntheseprozesse können durch die Auswahl geeigneter Modulverbindungen optimiert und an neue Anforderungen angepasst werden. Diese Flexibilität geht damit einher, dass die modulare Anlage hinsichtlich Bauart, Größe und Auslastung nicht für eine bestimmte API-Synthese optimiert ist. Strenge Reinigungsprozeduren sind unerlässlich, um Kreuzkontaminationen in modularen API-Anlagen auszuschließen. Genau definierte Standard Operating Procedures (SOP) minimieren dabei das Risiko von Bedienfehlern und sichern die Vermeidung von Produktverunreinigungen.
Design-Prinzipien für modulare Anlagenlayouts
Die Erstellung eines modularen Anlagenkonzepts folgt bei Glatt einem standardisierten Ablauf. Im ersten Schritt werden die Design Prinzipien der API-Anlage definiert. Dazu gehören die technologischen Anforderungen, Definition benötigter Kapazitäten und einzuplanende Erweiterungsmöglichkeiten in Form räumlicher Reserven. Zudem fließen GMP-Anforderungen, das Hygiene-Zonierungskonzept sowie die Trennung von GMP- und technischen Bereichen in die Planung ein. Das Aufstellungskonzept, räumliche Anordnungsprinzipien für die prozesstechnischen Anlagen, Grundsätze für den Personal- und Materialfluss sowie Zugänge für Wartung und Reinigung werden erfasst. Anhand von Checklisten wird der funktionelle Ablauf ausgearbeitet.
Dann wird auf Grundlage der relevanten ISPE-Leitfäden, der geltenden GMP-Regularien und des GMP-Zonierungskonzeptes das Funktionaldiagramm festgelegt. Daraus ergeben sich charakteristische Anordnungssituationen für Prozesseinheiten und Layoutbereiche sowie Vorgaben für Personal- und Materialfluss. Layouteinheiten aus früheren Projekten oder von Lieferanten können im modularen Konzept einfach aus einer Bibliothek mit Layout-Typicals bzw. „idealen Blöcken“ übernommen und wiederverwendet werden. Aus den elektronisch vorliegenden Daten dieser optimierten Funktionseinheiten (Layoutmodule) kann eine schnelle Abschätzung des Flächenbedarfs abgeleitet werden. Außerdem können prinzipielle räumliche Anordnungsmöglichkeiten der Funktionaleinheiten durchgespielt werden, die schließlich in das räumliche Block-Layout der Anlage münden und eine sinnvolle Grundlage für die Planung des Gebäudekonzeptes und seiner Abmessungen liefern.
Im Funktional-Layout-Konzept werden die Block-Layout-Bereiche schließlich mit dem konkreten Equipment abgebildet. Für chemische Wirkstoffsysnthesen werden dazu die erwähnten Layout-Typcials verwendet. Für biotechnologische Wirkstoffproduktionsanlagen kommt mittlerweile häufig Single-use-Technik (SUT) sowie Equipment zum Einsatz, das von den SUT-Herstellern für die Planer in Form detaillierter 2D- oder 3D-CAD-Modelle bereitgestellt wird. Das Funktional-Layout berücksichtigt den Raumbedarf aller beteiligten Planungsdisziplinen bzw. Gewerke. Begleitet wird die gesamte Engineering-Phase durch das schrittweise immer detaillierter werdende und wachsende 3D-CAD-Anlagen-Layout, das in der Detailphase mit weiteren Lieferanteninformationen sowie Zeichnungen für die Ausrüstungen, den Stahlbau- und Rohrleitungsbau ergänzt wird. Dieser Aufstellungsplan ist in der Entwurfsprüfung wichtig, um beispielsweise die Zugänglichkeit von Instrumenten sowie für die Wartung, Inspektion und Reinigung aller Anlagenteile zu überprüfen, bevor es an die Montage der Hardware geht.
Prozess- und technologiegetriebener Engineering-Ansatz
Glatt betrachtet Projekte wie den Aufbau einer maßgeschneiderten Gesamtanlage zur chemischen API-Synthese ausgehend vom Produktionsprozess: Welche Produktspezifikationen müssen erfüllt werden? Welche Syntheseprozesse müssen anlagentechnisch umgesetzt werden? Welches Equipment ist dafür erforderlich und am besten geeignet? Daraus ergeben sich technologische Anforderungen an die Prozessumgebung wie Anlagenperipherie und Reinraumgestaltung oder ggf. Containment- und Sicherheitsanforderungen. Glatt erstellt alle Engineering-Leistungen inklusive Gesamtlayout der Anlage und errichtet die erforderlichen Gebäude inklusive aller Innenausbauten, bis nach erfolgreicher Validierung die erste Wirkstoffcharge die Fabrik verlässt.
POWTECH 2023 Halle 2 Stand 216