Entscheider-Facts
- Der Einsatz von digitalen Datenmanagement-Systemen in der Lebensmittelproduktion ermöglicht eine bessere Transparenz und Anpassungsfähigkeit der Anlagen.
- Echtzeit-Daten aus Produktionsanlagen werden durch Plant-Information-Software erfasst und in einem Digitalen Zwilling zusammengeführt.
- Digitale Dateninfrastrukturen verbessern die Qualitätskontrolle, erhöhen die Gesamtanlageneffektivität und vermindern Ausfallzeiten.
Der Wandel ist die einzige Konstante. Diese Maxime kennen auch Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie nur all zu gut. Vor dem Hintergrund von Lieferkettenstörungen, Ressourcenknappheit und Energiekrise sind auch in der Lebensmittelindustrie diejenigen im Vorteil, die sich flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse einstellen können. Agilität und Resilienz sind daher nicht länger nur für Mitarbeitende wichtige Eigenschaften, sondern auch für die Produktionsanlagen. Und wenn die einzige Konstante für die Betriebsbedingungen der Wandel ist, reicht es nicht mehr aus, (kosten-)effizient Produkte herzustellen. Langfristig erfolgreich sind die Industrieunternehmen, die anhand ihres transparenten digitalen Datenmanagements schnell reagieren und sich als widerstandsfähig erweisen können.
Echtzeit-Daten als Entscheidungsgrundlage
Während Betriebe diverse strategische Wege wählen können, sind ihre Produktionsstätten in der Regel auf Effizienz ausgerichtet. Damit rentable Gewinnspannen erhalten bleiben, richten Führungskräfte ihre Produktion nach externen Faktoren aus und legen beispielsweise einen Puffer in ihren Lagerbeständen an, um verzögerten Lieferungen vorzugreifen. Dies ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Denn indem sie vorrangig mögliche externe Schwankungen betrachten, übersehen sie die Risiken und Potenziale ihrer internen Strukturen und Produktionsabläufe. Dieser Mangel an interner Transparenz macht die eigenen Anlagen zu einer Blackbox, die einer resilienteren Herstellung und Lieferkette entgegensteht.
Dabei müssen Betriebe ihre eigenen Abläufe im besten Fall mit veränderten Geschäftsbedingungen synchronisieren. Der Schlüssel hierzu sind Rohdaten, die in den Anlagen der Lebensmittelindustrie ohnehin entstehen. Mithilfe einer Plant Information (PI)-Software als Teil einer übergreifenden IT-Architektur für die Fertigung können Betriebe sie strukturiert erfassen und für alle Mitarbeitenden zugänglich machen. Die Software dient dem betrieblichen Datenmanagement und führt standortübergreifend Echtzeit-Daten von verbundenen Sensoren, Instrumenten und Geräten in einem Digitalen Zwilling zusammen. Anhand der visualisierten Daten und daran ausgeführten Analysen können Ingenieur:innen, Bediener:innen und Führungskräfte gleichermaßen Störungen identifizieren und Anpassungen vornehmen. Übertragen sie die Daten in eine Cloud, können auch remote arbeitende Kolleg:innen, Geschäftspartner und sogar Kunden sicher auf die Informationen zugreifen.
Das eröffnet zahlreiche neue Erkenntnisse und Handlungswege, die ihnen zuvor nicht bewusst waren. Ihre Live-Daten bieten damit inmitten externer Störfaktoren eine ideale Basis für zielgerichtete geschäftliche Entscheidungen. In anderen Worten: Wer Licht in seine interne Blackbox bringt, kann sein Werk zu einem Stoßdämpfer für externe Volatilität machen.
Stichproben-Analyse in der Herstellung
Das amerikanische Unternehmen Kellogg Company, kurz: Kellogg’s, ist einer der größten Lebensmittelhersteller der Welt und vor allem für seine Zerealien bekannt. Aufgrund komplexer regulatorischer Anforderungen und hoher Sicherheitsstandards in der Nahrungsproduktion beschloss das Unternehmen frühzeitig, seine IT- und Dateninfrastruktur umfassend zu digitalisieren. Inzwischen haben zahlreiche Produktionsstätten ihre Prozesse mit PI-Software restrukturiert. So auch das Werk im spanischen Valls, das für zwölf Zerealien-Marken von Kellogg’s produziert.
Zuvor sammelten die Mitarbeitenden zwei Mal pro Schicht manuell die verfügbaren Daten, da die vorhandenen Anlagen und Maschinen nicht mit einem zentralen digitalen System vernetzt waren. Dieses Vorgehen sorgte für unterschiedliche Datensätze, die sich kaum verlässlich zusammenführen ließen. Daher verknüpften die zuständigen Ingenieur:innen vor Ort ihre Qualitätskontrolle über das Kommunikationsprotokoll Modbus TCP/IP und eine OPC-Schnittstelle mit dem PI System von Aveva. Dabei kontextualisiert die enthaltene Asset Framework-Funktion die digitalisierten Daten zunächst und kann sie dann automatisiert auf gewünschte Variablen analysieren, wie zum Beispiel das Gewicht sowie die Anzahl an Packungen, die aufgrund von Gewichtsunregelmäßigkeiten aussortiert wurden. Durch das PI-Datenmanagement kann das Werk in Valls nun alle 20 Sekunden Stichproben in Echtzeit durchführen, das entspricht 1.440 Proben pro Schicht. Darüber hinaus konnten Fehler durch manuelle Dateneingabe nahezu eliminiert werden. „Inzwischen verbringen wir mehr Zeit damit, unsere Daten zu analysieren, anstatt sie nur zu sammeln“, erklärt Emilio Angles, Industry 4.0 Development Lead.
Zwei Drittel weniger CCP-Vorfälle
Das PI-System kommt darüber hinaus bei der Überwachung kritischer Kontrollpunkte (CCP) zum Einsatz, um die Produktqualität und die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Im Werk zählen Öfen, Trocknungsmaschinen und Temperatursensoren zu den CCP. Wenn sich Produktionsbedingungen wie die Temperatur an diesen Stellen ändern, informiert das System in Echtzeit verschiedene Abteilungen. So können diese die unter geänderten Bedingungen hergestellten Produkte prüfen, zurückhalten oder, sofern sie schon in der Auslieferung sind, zurückrufen. Ebenso helfen diese Daten dabei potenzielle Störungsursachen zu analysieren und die Anlagen frühzeitig zu warten. Das reduziert Ausfallzeiten, die mit vermeidbaren Kosten- und Energieaufwendungen einhergehen.
Die Zahlen untermauern den Erfolg des digitalisierten Datenmanagements: Mithilfe eines Digitalen Zwillings der Anlagen konnte die Gesamtanlageneffektivität innerhalb von drei Jahren von 68 % auf 80 % erhöht werden. Ebenso stieg die durchschnittliche Zeit zwischen zwei Maschinenausfällen von zehn Minuten auf 28 Minuten. Insgesamt haben sich die CCP-Vorfälle um 64 % und die Anzahl der durch Fehlfunktionen aussortierten Zerealienpackungen um 73 % reduziert.
Effizienz und Agilität gehen Hand in Hand
Entlang eines solchen ganzheitlichen, datenfokussierten Ansatzes können Unternehmen Ingenieurwesen, IT und Fertigungsanlagen verbinden. Von Temperaturunterschieden bei Rohstoffen über den Energieverbrauch einer Trocknungsmaschine bis hin zu spezifischen Eigenschaften der Endprodukte: Hersteller überblicken mit einem kohärenten Datenmanagement ihren gesamten Prozess. Diese Dateninfrastruktur ermöglicht, dass Betriebsdaten einer bestimmten Fertigungsphase problemlos bei anderen Vorgängen einbezogen werden können. So können sie potenzielle Schwachstellen identifizieren und diesen standortübergreifend gezielt vorbeugen.
Gleichzeitig erlauben langfristig gesammelte Daten (-muster), beim Auftreten von internen sowie externen Herausforderungen schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das Potenzial digitaler Fertigungsanwendungen ist weitreichend und kann Lebensmittelhersteller für turbulente Zeiten besser aufstellen. Wer also jetzt die globalen Multi-Krisen als Chance begreift, mit dem digitalen Zwilling neben Effizienz auch Agilität strategisch zu priorisieren, wird im künftigen Wettbewerb bestmöglich gerüstet und widerstandsfähiger sein.