Pillen und Entwürfe

1: Pille aus dem 3D-Drucker.2 bis 5: Entwürfe mit vorgewählten Eigenschaften der Medikamentenfreisetzung. (Bild: Max-Planck- Institut für Informatik und cassis – Stock­Adobe.com)

Damit die Behandlung mit einem Medikament erfolgreich ist, muss sich die Wirkstoffkonzentration im Körper auf einem gewünschten Niveau einstellen lassen. Was bei Infusionen relativ einfach ist, ist bei Tabletten deutlich schwieriger: Diese lösen sich nach dem Schlucken nur nach und nach auf, die abgegebene Wirkstoffmenge ändert sich dadurch mit der Zeit und ist nur schwer einzustellen.

Eine Möglichkeit bestünde darin, Tabletten aus verschiedenen Komponenten zu produzieren, sodass die Pillen an verschiedenen Stellen unterschiedliche Wirkstoffkonzentrationen aufweisen. Solche Tabletten wären aber schwierig herzustellen. Eine praktikablere Möglichkeit könnte der 3D-Druck bieten. Mit dieser Technik lassen sich mit relativ geringem Aufwand komplexe Formen erzeugen, auch Tabletten in vielfältigen Geometrien. So lässt sich nur durch die Pillenform die Freisetzung eines Wirkstoffs steuern, wenn dieser im Trägermaterial gleichmäßig verteilt ist.

Methode aus dem Bauteil-Design

Welche Tablettenform einen Wirkstoff während des Auflösens im Verdauungstrakt in einer gewünschten Menge freisetzt und so den notwendigen Wirkstoff­spiegel im Körper gewährleistet, ermittelt eine Gruppe um Vahid Babaei, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Informatik, und Julian Panetta, Professor an der University of California in Davis. In mathematischer Modellierung und Experimenten setzt das Team dabei erstmals auf ein inverses Design und die sogenannte Topologieoptimierung. Bei dieser Methode, die für das Design mechanischer Bauteile entwickelt wurde, werden zunächst die Eigenschaften eines Körpers definiert.

Im Fall der Tabletten legten die Forscher also erst das zeitliche Profil fest, in dem die Pille ihren Wirkstoff freisetzen soll. Dann berechneten sie die Form, die genau dieses Freisetzungsprofil aufweist. Dafür nutzten sie ein Modell, das erfasst, wie sich Körper mit unterschiedlichen Formen in einer Flüssigkeit auflösen. Die berechneten Strukturen erinnern mal an Salzkristalle, mal an Kieselalgen und manchmal sogar an extravagante Designobjekte. Damit sich auch Tabletten mit bizarren Formen noch schlucken lassen, könnten sie aus einem weichen Trägermaterial produziert oder mit einer schnelllöslichen Kapsel umhüllt werden.

Die erhaltenen Formen druckte das Team aus einem kommerziell erhältlichen, wasserlöslichen 3D-Druck-Material. Dass eine Tablette mit einer im Computer modellierten Form einen Wirkstoff tatsächlich ziemlich genau im beabsichtigten zeitlichen Verlauf abgibt, zeigten die Forscher in Experimenten, bei denen sie verschiedene Tabletten in Wasser auflösten und die Konzentration des Stoffs in der Lösung bestimmten.

Das inverse Design ermöglicht es aber nicht nur, die optimale Tablettenform zu finden, die im Körper einen gewünschten Wirkstoffspiegel einstellt. Es kann auch berücksichtigen, wie der Herstellungsprozess die Wahl der Formen einschränkt. Denn obwohl es relativ einfach ist, beliebige Strukturen zu drucken, ist es für die Massenproduktion nicht wirtschaftlich genug. Die Bedingungen für das inverse Design lassen sich jedoch so abwandeln, dass nur Formen entstehen, die sich durch Extrusion erzeugen lassen. Mit diesem Vorbild könnte das inverse Design nicht nur in der Pharmazie zu größerer Formenvielfalt führen, sondern zum Beispiel auch bei der Herstellung von Düngemittel- oder Katalysatorkörpern für die Chemieproduktion.[ak]

Sie möchten gerne weiterlesen?